Branchentalk Regionalbanken: Direktoren sind vorsichtig optimistisch – Regulierung macht weiterhin Sorgen

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Podium Branchentalk
Engagierte Podiumsdiskussion am Branchentalk Regionalbanken. Bild: schweizeraktien.net/Sandra Blaser

„Konservative Einschätzung der Zinsmarge“ und „weitere Konsolidierung der Branche“ – das sind zwei wichtige Ergebnisse der Umfrage von schweizeraktien.net unter Direktoren von Schweizer Regionalbanken. Die Ergebnisse wurden am Branchentalk Regionalbanken von schweizeraktien.net, der am 2. Juni in Zürich stattfand, publiziert. 39 der 58 befragten Direktoren haben geantwortet, was einer hohen Rücklaufquote von 67% entspricht. Ein wichtiges Ergebnis der Befragung: Gegenüber dem Vorjahr zeigen sich die Bankdirektoren deutlich vorsichtiger bei der Einschätzung der zukünftigen Zinsmarge. Nachdem im 2014 noch 100% mit einer Steigerung der Marge in drei bis fünf Jahren gerechneten hatten, gehen jetzt nur noch 66.7% von einer höheren Marge in fünf Jahren aus.

Ein sehr deutliches Ergebnis lieferte die Frage nach den Wünschen der Eigentümer der Banken. Eine grosse Mehrheit von jeweils 81.3% nannte eine solide Bilanz und die Versorgung der Region mit Bankdienstleistungen als Ziel. Nur bei 37.5% der Befragten steht die Rendite ganz oben auf der Liste. Dieses Ergebnis erstaunt bei einem Blick auf die Eigentümerstruktur: Hier stehen die freien Anteilseigner an erster Stelle, gefolgt von den Kunden der jeweiligen Banken. Mit deutlichem Abstand folgen die öffentliche Hand und Finanzinstitute als Besitzer von Banken. Eine klare Aussage machten die Bankdirektoren auch zur weiteren Branchenentwicklung: 97% rechnen mit einer weiteren Abnahme der Anzahl der Regionalbanken in einem Zeitraum von 10 Jahren.

Branchenkonsolidierung – Grösse ist nicht unbedingt das Erfolgskriterium

Die erfolgreiche Entwicklung einer Regionalbank hängt, wie die Auswertung der Geschäftsergebnisse der letzten Jahre zeigt, nicht unbedingt von der Grösse ab. So gibt es zahlreiche kleine Banken, die seit Jahren sehr gute Zahlen ausweisen. So konnten etwa die Spar- und Leihkasse Wynigen und die Ersparniskasse Affoltern im Emmental, beides kleine Bankhäuser mit Bilanzsummen von weniger als 250 Mio. CHF, in den vergangenen Jahren stets sehr tiefe Cost-Income-Ratios ausweisen. Ebenfalls mit einer sehr tiefen Cost-Income-Ratio warten die Hypothekarbank Lenzburg und die AEK Bank 1826 auf, die beide mit Bilanzsummen von über 3 Mrd. CHF zu den grossen Regionalbanken gehören.

Weitaus nicht alle Regionalbanken können solche positiven Zahlen ausweisen, wie die durchschnittliche Cost-Income-Ratio von 61.4% zeigt. Daher verwundert es auch wenig, dass die Anzahl der Regionalbanken in den vergangenen Jahren zurückging und den Erwartungen der Bankdirektoren zufolge auch weiter sinken wird.

Sorgenfaktor: Regulierung

Hans-Peter Portmann
Nach Ansicht von FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann müssen die Regionalbanken einen Swiss Finish von MiFiD fordern, der ihren lokalen Kunden entspricht. Bild: schweizeraktien.net/Sandra Blaser

In der Diskussionsrunde der mit 80 Teilnehmern sehr gut besuchten Veranstaltung bezeichnete der Chef der Clientis AG, Andreas Buri, die stetig zunehmenden Regulierungen als Kostentreiber. Nationalrat Hans-Peter Portmann ergänzte, dass die Regionalbanken zu kurz kommen. Die Regulierungen sind auf die internationalen Verwerfungen der Grossbanken ausgerichtet. Nur diese Gruppe macht anfällige Geschäfte, die für die Regionalbanken nicht in Frage kämen. Die eidgenössische Bankenaufsicht Finma beurteile alle Banken gleich und mache es sich damit einfach. Er gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass die Unterschiede der einzelnen Banken Einklang in die Regulierung finden. Zudem wünsche er sich vom Regulator eine differenzierte Vorgehensweise: So sollen die von den jeweiligen Fällen betroffenen Institute verbindliche Anweisungen erhalten.

Als Beispiel für eine nicht an die Regionalbanken und deren Kunden angepasste Regelung betrachtet Portmann die Regelungen zum Anlegerschutz MiFID II, (Markets in Financial Instruments Directive = Finanzmarktrichtlinie, Details hierzu können auf Wikipedia hier nachgelesen werden). Seiner Ansicht nach müssten die Regionalbanken aufstehen und dürfen diese Regelungen nicht akzeptieren. Es könne nicht angehen, dass die bestehenden Kunden der Banken aus dem Inland ein Protokoll unterschreiben müssten, sobald sie ihrem Berater einen Auftrag für den Kauf eines Wertpapiers erteilten. Das Verhältnis der Regionalbanken zu ihren Kunden baue auf Vertrauen und einer Selbstverantwortung der Kunden, wie dies in der Schweiz üblich sei. Anders präsentiere sich die Lage bei den Banken, die über Kunden aus dem Ausland verfügten, wobei auch hier nochmals differenziert werden müsse. Für Institute mit europäischen Kunden sei die Anwendung der MIFID-Regelungen auch zum Eigenschutz wichtig.

Wunsch nach eigenem Finanzgesetz: Swiss Finish

Diese strikten Schutzregelungen entsprechen den Bürgern der Europäischen Union, nicht aber jenen der Schweiz. Ebenfalls nicht akzeptieren werden solche strikten Regelungen auch Anleger aus anderen Ländern wie etwa Kuwait. Diese Problematik stelle sich jedoch nur bei den grösseren, international tätigen Banken, nicht jedoch bei den Regionalbanken. Als mögliche Lösung sei eine abgeschwächte Regelung für die Schweizer Institute, als eine Art Finanzgesetz Swiss Finish, denkbar. Für den CEO der Bank Zimmerberg, Oliver Jaussi, ist das Festhalten an den aktuellen Regelungen vollkommen hinreichend. Bei seinem Institut, das selbst im Anlagegeschäft für die Kunden tätig ist, habe es keine einzige Reklamation von Kunden gegeben, die sich falsch beraten fühlten. Allerdings werde es auf langfristige Sicht nicht möglich sein, sich gegen den Einfluss aus dem Ausland zu wehren. Besonders bei komplexen Finanzprodukten aus dem Ausland, mit einem grossen Erklärungsbedarf bezüglich Kosten und Risiken dieser Produkte, sei eine Umsetzung der Regulierungen geboten.

Forderte die Regionalbanken auf, ihre Wünsche an den Beirat Zukunft Finanzplatz zu richten: Wirtschaftprofessor Aymo Brunetti. Bild: schweizeraktien.net/Sandra Blaser
Forderte die Regionalbanken auf, ihre Wünsche an den Beirat Zukunft Finanzplatz zu richten: Wirtschaftsprofessor Aymo Brunetti. Bild: schweizeraktien.net/Sandra Blaser

Wirtschaftsprofessor Aymo Brunetti, der zugleich Vorsitzender des vom Bundesrat eingesetzten Beirats zur Zukunft des Schweizer Finanzplatzes ist, zeigte sich sehr erfreut, dass er erstmalig an einem Podium teilnehme, an welchem Swiss Finish positiv bewertet werde. Ein Swiss Finish müsse nicht immer strenger sein, es könne auch mal einfacher als im Ausland sein, erklärte er. In jedem Fall müsse vor der Einführung der Regulierungen aus dem Ausland eine sorgfältige Abwägung zwischen dem Nutzen und den Kosten erfolgen. So müssten etwa bei MiFID die möglichen Chancen der Banken im europäischen Markt genau evaluiert werden. Erst im Anschluss könne dann entschieden werden, ob es sinnvoll sei, diese Vorschriften, die für einen Marktzutritt notwendig sind, einzuführen.

Kunden wenden sich von Grossbanken ab – Regionalbanken profitieren

Einig waren sich die Podiumsteilnehmer darüber, dass die Skandale in der Finanzkrise dem Ansehen der Banken geschadet haben. Die Auslöser der Verwerfungen waren allerdings nicht bei den Regionalbanken, sondern nur bei den Grossbanken zu finden. Die Grossbanken weisen von Quartal zu Quartal erheblich unterschiedliche Geschäftsgänge aus, zahlen mitunter enorme Bussen, die von den Finanzmarktteilnehmern unterschiedlich bewertet werden und zu teilweise erheblichen Schwankungen der Kurse führen. Dies verunsichere die Kunden, was Jaussi als positiv bewertet. So wenden sich einige Kunden von den Grossbanken ab und wechseln zu den Regionalbanken. Als schade bezeichnete es der Chef der Bank Linth, David Sarasin, dass man sich als Banker erst entschuldigen und erklären müsse, was genau man mache, um dem herrschenden negativen Image zu begegnen.

Gegen die grossen Marktplayer Credit Suisse und UBS können die Regionalbanken wenig ausrichten. Wie die Umfrage von „schweizeraktien.net“ zeigt, sind die Regionalbanken mit ihrem Geschäftsverlauf allerdings grossmehrheitlich zufrieden. Als wichtig bezeichnete Buri, dass die Regionalbanken bei ihrem angestammten Geschäftsfeld bleiben. Deren Kerngeschäft ist das Hypothekargeschäft, welches traditionsgemäss gewachsen ist. In diesem Bereich verfügen die Institute über eine sehr hohe Kompetenz. Für die kleinen Banken ist es wichtig, dass sie ihre Hausaufgaben machen. Dann können sie auch weiterhin erfolgreich sein. Diese bestehen darin, ihr Kerngeschäft Hypotheken stetig an die Marktverhältnisse anzupassen und die Kosten im Griff zu halten. Angesichts des aktuellen Zinsumfelds sei es sehr wichtig, die Mittelverwaltung adäquat durchzuführen.

Weiter auf Wachstumskurs

Weiteres Ergebnis der Umfrage: Die Regionalbanken setzen für die nächsten Jahre auf Wachstum. Das bestätigten auch die Podiumsteilnehmer. Als wichtig bezeichnete Jaussi die Zinsmarge, deren Erhöhung sein Haus in Angriff genommen habe. Dies sei zwar schwierig umzusetzen, keinesfalls aber unmöglich. Zudem setzt die Bank Zimmerberg auf einen weiteren Ausbau des zinsindifferenten Geschäfts, um die Abhängigkeit vom Zinsgeschäft zu reduzieren.

Die Regionalbanken sind ein wichtiger Bestandteil des Schweizer Finanzmarktplatzes. Wie Brunetti ausführte, habe es in der Finanzkrise in der Schweiz nie einen Credit Crunch (Kreditklemme) gegeben. Es standen stets genügend Mittel zur Verfügung, um den Kunden Kredite zu geben, was der breiten Aufstellung der Schweizer Banken zu verdanken sei. Besonders in der Finanzkrise würden die kleinen und mittleren Banken eine sehr wichtige Rolle spielen, da sie von den Wirren der Finanzmarktkrise nicht unmittelbar betroffen gewesen seien und die Auswirkungen nur mittelbar gspürt hätten. Dies sei auch der Grund, weswegen die Finanzmarktkrise die Schweiz nicht so stark getroffen hätte, so Brunetti.

Regionalbanken: Keine Interessensvertretung

Besucher Branchentalk
Über 80 Besucher folgten den Referaten und der Diskussion am Branchentalk Regionalbanken. Bild: schweizerktien.net/Sandra Blaser

Trotz dieser grossen Bedeutung finden die Regionalbanken nur wenig Beachtung. Ihnen fehle eine Lobby, wie Sarasin anführte. Allerdings sei es gerade für sein Haus schwierig, sich einem Verband zugehörig zu fühlen. Die Bank Linth kann wegen der Eigentümerstruktur mit einem Mehrheitsbesitzer im Ausland (Bank LLB in Liechtenstein) etwa als Auslandsbank gelten. Gleichzeitig sei sie aber regional in der Ostschweiz tätig und könne auch als Regionalbank angesehen werden. Diese Ausgangslage seines Hauses ist nur ein Beispiel der Situation der Regionalbanken. Sie verfügen über kein gemeinsames Sprachrohr, welches ihnen eine Interessensvertretung ermöglicht. Grossbanken hingegen haben ihre eigene Lobby, mit deren Hilfe sie direkten Einfluss auf die Regulierungen nehmen können. Zumindest noch einen Verband besitzen die Kantonalbanken, auch wenn über dessen Qualität gesprochen werden könne. Für Buri ist das Lobbying aber kein wichtiger Faktor für den Erfolg der Regionalbanken.

Für die Zukunft hoffen alle Teilnehmer, dass es den Nationalbanken gelingen wird, einen Ausweg aus der aktuellen Finanzmarktlage mit hoher Liquidität zu finden, ohne dass dies zu einem Desaster führt. Wie die Zukunft des Finanzplatzes in zehn Jahren aussehen wird, ist derzeit offen. Hier nahm auch Aymo Brunetti kein Blatt vor dem Mund: Er erklärte offen, dass er keine Ahnung habe, wie der Finanzplatz in zehn Jahre aussehen werde. Allerdings sei er sehr zuversichtlich, dass der Finanzplatz weiterhin bestehen werde. Für Portmann ist es wichtig, dass die Bedeutung des Finanzplatzes für die Wirtschaft nicht unterschätzt wird. Die generierte Wertschöpfung mache es notwendig, dass der Platz bestehen bleibe.

Die Diskussionsrunde und die Auswertung der Umfrageergebnisse sowie die Zahlen der Regionalbanken zeigen auf, dass die Zukunft der Regionalbanken-Branche spannend bleibt. Kein Ende in Sicht ist bei der Regulierungsdichte, die auch zukünftig steigen dürfte. Eine erste Entspannung deutet sich zumindest im Bereich der Zinsmarge an. Hier zeichnet sich eine Bodenbildung im Bereich von rund 100 Basispunkten ab, entsprechend einer Marge von 1%. Dieser Wert ist zwar als tief anzusehen, dürfte es den meisten Instituten dennoch erlauben, ansehnliche Erträge zu erzielen. Hierbei müssen aber vor allem die Kosten im Auge behalten werden. Manchen Häusern gelingt dies auf eindrückliche Weise, wie unsere Auswertung der Kennzahlen zeigt. Es ist aber auch nicht von der Hand zu weisen, dass einige Häuser Probleme haben und teilweise sogar Reserven auflösen, um einen guten Gewinn auszuweisen. Dies gilt es bei Investments in Aktien von Regionalbanken zu beachten. Das Redaktionsteam von schweizeraktien.net wird weiterhin die Abschlüsse durchleuchten und sowohl positive als auch negative Beispiele in ihrem Blog vorstellen. 

Zur Präsentation der Branchenanalyse und der Umfrageergebnisse: Branchenanalyse Regionalbanken_Präsentation_Branchentalk_150206

Präsentation Bank Zimmerberg AG: Branchentalk Regionalbanken ZIM 02_06_15

Präsentation Bank Linth LLB AG: 150531 Präsentation Bank Linth

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