Der europäische (online-) Apothekenmarkt: Zur Rose Group – ein strategisches Asset im Konzentrationsprozess? – Teil III

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Zur Rose Hauptsitz in Frauenfeld. Bild: zvg
Zur-Rose-Hauptsitz in Frauenfeld. Bild: zvg

Die Bildung von losen und engeren Kooperationen, die globale Konsolidierung auf den einzelnen Handelsstufen, aber auch die vertikale Integration sowie die Verbindung der digitalen mit der physischen Welt, wozu auch die medizinische App-Welt mit aktuell ca. 170’000 Anwendungen und die Telemedizin zählen, ziehen und zerren vor allem mit dem Kostendruck an den etablierten Strukturen.

Allianzen und Kooperationen

Die online Apotheken sind in der grösseren Betrachtung nicht mehr als ein Puzzle-Stück, und nicht mal ein besonders grosses, speziell mit Blick auf die hauchdünne Gewinnmarge. Neue Kräfte sind am Werk. So sind die britischen Supermärkte nicht allein mit ihrem Engagement im Apothekenmarkt. Carrefour, Leclerq, Wal Mart sind auch aktiv, der portugiesische Einzelhändler Jeronimo Martins hat in Polen eine Apothekenkette mit 800 Filialen aufgezogen. Einzelhändler besitzen bereits 24% der europäischen Apotheken.

Strategisches Asset

Allerdings sind die Gegebenheiten bezogen auf den wichtigen deutschen Markt so, dass der Marktführer mit 34% Anteil zunächst einen Wachstumsschub erhalten wird, was wohl den Jahresumsatz von Zur Rose erstmals über die Milliardengrenze heben dürfte. Wenn aber das Kettenverbot trotz aller Widerstände in den kommenden Jahren fallen wird oder andere Deregulierungsschritte erfolgen, dann ist Zur Rose für einen strategischen Investor, der seinen Marktzugang komplettieren will, ein begehrenswertes strategisches Asset.

Bewertungsansätze und der Humanfaktor

Insofern ist die analytische Betrachtung allein auf Basis der Gewinnzahlen und der zuletzt stagnierenden Umsätze oder eine EV/EBITA Betrachtung oder eine Discounted Cashflow-Berechnung irreführend, wenn es darum geht, den wirklichen Wert zu ermitteln. Denn dieser wird unabhängig von akademischen Berechnungsformeln am Ende immer dadurch bestimmt, was ein Käufer zu zahlen bereit ist. In einem Umfeld der Konsolidierung und Neustrukturierung in der Gesundheitsindustrie, mit grossem Reformstau und Handlungsdruck, ist an der Börse vieles möglich, insbesondere, wenn die Akteure auf hohen Cashbeständen sitzen und sich angesichts des globalen Tiefzinsszenarios fast zum Nulltarif Milliardenbeträge leihen können. Zahlreiche Studien belegen, dass die wirklich treibende Kraft hinter dem M&A Boom die CEOs sind, die nicht nur mit legendären Transaktionen in die Geschichtsbücher eingehen wollen, sondern auch gerne ihre Boni und den Wert der Optionen steigern. Solche Motive steckten hinter den meisten Übernahmen, und wohl auch hinter der DocMorris Akquisition von Celesio 2007.

Replacement Value

Es ist unwahrscheinlich, dass Zur Rose als Internet-Apotheke und auf eigenen Beinen langfristig alleine gehen kann und wird. Viel wahrscheinlicher ist es, dass dieses einzigartige Kronjuwel auf der Krone eines King Kongs der Gesundheitsindustrie landen und erst dann das wahre Potenzial in einer komplexeren Struktur entfalten können wird. Ein strategischer Investor wird sehen, dass bei einer finanzhistorischen Betrachtung mehrere hundert Millionen Euro aufgewendet werden müssten, um eine ähnliche Marktposition aufzubauen. Das ist der „Replacement Value“.

Break-up Value

Bei einer Zerlegung, beispielsweise einem Verkauf des Deutschland-Geschäfts, und der Weiterführung der sonstigen Aktivitäten wäre zusammenzuzählen, was die Summe der Einzelteile dann ergibt. Das ist der „Break-up Value“.

Investorensuche und Exit-Szenarien

Die Zur Rose Group AG hat Ernst & Young beauftragt, einen Investor mit 30 Mio. CHF zu finden, den die Gesellschaft hofft, an der Generalversammlung (GV) am 9. Juni präsentieren zu können. Das dürfte auch einer der Gründe für den zuletzt anziehenden Aktienkurs sein. Allerdings sind ca. 80 Mio. CHF Marktkapitalisierung oder unter Einbeziehung der 50 Mio.-CHF-Anleihe (Fälligkeit Dezember 2017) ein Enterprise Value von 130 Mio. CHF weit von dem entfernt, was ein „strategischer“ Preis wäre. Daher ist zu erwarten, dass der Investor, so er denn gefunden wird, gleichzeitig eine Indikation für die weitere Exitstrategie darstellt. Denn die Gründungsaktionäre von Zur Rose kommen ins oder sind schon im Pensionsalter. Sollte es eine Industrieadresse sein, so ist dessen Position und Geschäftsstrategie zu hinterfragen, um zu sehen, welches Wertsteigerungspotenzial für die Altaktionäre in welcher Zeitspanne zu erwarten ist. Gibt es grosse Synergien oder ein Phänomen wie bei Boots, wo das komplettierte Gesamtangebot zu signifikant höheren Kundenausgaben führt, sollte auch die „Prämie“ bei der Übernahme angemessen ausfallen. Handelt es sich um einen Finanzinvestor, so ist davon auszugehen, dass der eine Wertsteigerungsstrategie schon entwickelt hat und auch einen Zeitplan, der sich im Fall von Zur Rose bei zwei bis maximal fünf Jahren bewegen dürfte. Denkbar ist ein Taking Private, was den Altaktionären eine sehr beschränkte Perspektive bieten würde, so dass sie dem bei einer ohnehin notwendigen Satzungsänderung wohl nicht zustimmen würden. Aktuell gilt noch eine Stimmrechtsbeschränkung von 1%. Dass der CEO dennoch 4% der Aktien hält, kann durchaus als Indikation für die kurzfristig zu erwartende Aufhebung der Stimmrechtsbeschränkung angesehen werden, ohne die kein Investor sich beteiligen wird. Wahrscheinlich ist in diesem Fall, dass ein Finanzinvestor bereits eine short-list möglicher Industrie-Adressen erstellt hat, in deren längerfristige Expansions-Strategie ein solcher Arrondierungskauf passen würde. Die Zeit bis zur GV am 09.06. verspricht spannend zu werden.

Lesen Sie auch Teil I und Teil II unserer Analyse zum europäischen online Apothekenmarkt.

Besonderer Dank gilt James Dudley für http://de.slideshare.net/JameswDudley/microsoft-power-point-future-of-pharmacy-factors-for-success-2015

Auch IMS Health gilt besonderer Dank für http://de.slideshare.net/IMSHealthDE/ims-health-auszug-vortrag-bvdva2015

Weitere Informationen:

Berner Kantonalbank Studie 2015 (http://zurrosegroup.com/zurrosegroup/de/pdf/ZurRose_2015-08-27.pdf

Neue Helvetische Bank Studie 2012 (http://zurrosegroup.com/zurrosegroup/de/pdf/PDF_Nr_6_Research_Helvetische_Bank.pdf )

Swiss Equity Research Studie 2011 (http://zurrosegroup.com/zurrosegroup/de/pdf/PDF_Nr_5_Research_SwissEquity.pdf )

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