Macro Perspective: Erdogan-Nato-Calypse – Ahnungslos ins Desaster II

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„Die frühesten Herrscher waren kaum gekannt. Die späteren wurden verehrt. Die noch späteren gefürchtet. Die letzten verachtet. …“ Lao-Tse, ca. 600 v. Chr., chinesischer Philosoph

Die Ereignisse in der Türkei überschlagen sich, so schnell, dass die europäischen Politiker, Medien und auch Wirtschaftsfachleute kaum mit der Evaluierung und Kommentierung nachkommen. Sie erscheinen unvorbereitet und so konfus, dass einmal mehr das Wesentliche scheinbar übersehen wird.

Die Amerikaner haben Distanz, werden von dem Amokläufer Erdogan als Drahtzieher des Putschversuchs beschuldigt, und evaluieren die Lage zumindest nüchtern, was von den Europäern wirklich nicht gesagt werden kann. Die sehen seit Jahren nur, und haben dazu beigetragen, dass die Türkei ein Bollwerk gegen den unerwünschten Flüchtlingsandrang sein soll, welcher zunehmend die etablierten Parteien in Österreich, Deutschland und anderswo durch den Aufstieg der Populisten unterspült. 2017 stehen wichtige Wahlen u.a. in Italien, Frankreich und Deutschland an. Brisant: In Deutschland leben über 3 Mio. Türken, von denen zwei Drittel Erdogan-treu sind, und jetzt nehmen die Asylanträge der Verfolgten aus der Türkei sprunghaft zu.

http://foreignpolicy.com/2016/08/02/running-out-of-people-to-purge-erdogan-targets-turkish-soccer-referees/
Der türkische Präsident Erdogan „säubert“ jetzt auch schon Fussballclubs. Quelle: www.foreignpolicy.com

Erdogans Niederschlagung in Zahlen

Die New York Times listet Anfang August die nackten Zahlen von Erdogans „Crackdown“ auf und übersetzt, was das in den USA bedeuten würde:

  1. 1`500 im Finanzministerium Beschäftigte wurden entlassen, entsprechend allen Bankregulatoren und mit der Herstellung und Zirkulation von Geld Betrauten in den USA.
  2. 1`500 Dekane von Universitäten, entsprechend allen Dekanen in den USA.
  3. 21`700 im Bildungsministerium Beschäftige, entsprechend einem Drittel in den USA.
  4. 21`000 Privatschullehrer, entsprechend jedem dritten Lehrer in den USA.
  5. 2`745 Richter, entsprechend allen Richtern in Kalifornien, Texas, New York und Georgia.
  6. 10`000 Militärangehörige, die Hälfte Offiziere, entsprechend jedem vierten Offizier in den USA.

Dazu wurden über 100 Medien geschlossen, Zeitungen Radiostationen und TV-Sender. Das schiere Ausmass der angeblichen „Säuberung“ ist laut NYT „nahezu ohne Beispiel“. Zuletzt, weil die Ziele ausgehen, wurde jetzt auch noch der Fussballverband „gesäubert“.

Oberbefehlshaber der Streitkräfte

Das überaus Merkwürdige ist, dass Erdogan sein Skript praktisch im Vorfeld von sich gegeben hat, z.B. mit der Aussage, dass Deutschland unter Hitler eines gutes Beispiel für ein funktionierendes Präsidialsystem sei, wie er es anstrebte und jetzt auch weitgehend umgesetzt hat. Seit kurzem ist Erdogan ja auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte, nachdem 150 Generäle und Admirale entlassen bzw. arretiert worden sind und er per Dekret regiert. Sozusagen ein Gegenputsch! Weiterhin ist bemerkenswert, dass ehe noch das Blut der Opfer des Putschversuches getrocknet war, schon Zehntausende verhaftet, arretiert oder entlassen waren, was beweist, dass die entsprechenden Listen schon im Vorfeld erstellt worden waren. Auch bei den Terrorattacken in der Türkei während der letzten zwei Jahre hatte Erdogan stets innerhalb kürzester Zeit die Täter benannt, wohingegen in jedem anderen Land solche Ermittlungen normalerweise Wochen und Monate dauern.

Vorauseilende Schatten

In der Macro Perspective waren der Cäsarenwahn, das zunehmend irreguläre und erratische Verhalten Erdogans und zuletzt die Entlassungen von Premier und Zentralbankchef, alles Symptome einer progressiven Entgleisung, mehrfach Gegenstand der Analysen. Ähnlich wie sonst vielleicht nur Ägypten und Israel ist die Türkei aufgrund der geostrategischen Lage von überragender Bedeutung für militärische und wirtschaftliche Bündnisse. Gegenüber der EU hat Erdogan diese Trümpfe rigoros ausgespielt, und die hat sich in einem Ausverkauf der demokratischen Werte beschämend erpressen lassen. Es konnte nicht gut gehen, weil der sogenannte „Flüchtlingsdeal“ gegen Recht, Moral und Ethik gleichermassen verstösst und deshalb die Glaubwürdigkeit und Integrität der Beteiligten aufs Äusserste kompromittiert hat. Auch die vielfach gepriesene „Australische Lösung“, zuletzt durch den österreichischen Aussenminister, ist nur ein Hirngespinst bzw. für die Betroffenen ein Alptraum von Gewalt.

Versorgungsflugzeuge der US Airforce nach dem Putschversuch auf der Luftwaffenbasis Incirlik. Bild: www.incirlik.af.mil
Versorgungsflugzeuge der US Airforce nach dem Putschversuch auf der Luftwaffenbasis Incirlik in der Türkei. Bild: www.incirlik.af.mil

Incirlik-Gate

Die Brisanz, die darin liegt, gegenüber einem zunehmend irr laufenden Autokraten eine Beschwichtigungspolitik (appeasement) zu betreiben, wie es noch heute geschieht, war den Vertretern von EU und Nato wohl nicht klar. So ist von der Flugbasis Incirlik im Südosten der Türkei, über die bis vor dem Putsch ständig berichtet wurde, von der aus Angriffe gegen fundamentalistische Terror-Milizen in Syrien und Irak geflogen werden und die auch 50  Nuklearsprengköpfe der Amerikaner beheimatet, kaum noch etwas zu hören. Die Flugbasis war durch Erdogan-treue Kräfte abgeriegelt worden, drei Tage von der Stromzufuhr abgeschnitten, der Kommandeur wurde wie viele andere Offiziere verhaftet, die Kommunikation der Amerikaner in der Basis mit der Heimat wurde ebenfalls abgeschnitten. Nach der ersten Normalisierung wurde die Basis in Erwartung eines zweiten Putschversuchs nochmals systematisch abgeriegelt. Die Nato-Kommunikation ist zeitweise völlig zusammengebrochen, auch weil die Amerikaner keine Ansprechpartner beim türkischen Militär mehr hatten. Inzwischen droht Erdogan ganz offen gegen die USA und die Europäer, die für ihn und die Mehrheit der Türken hinter dem Putsch stehen, der von der Incirlik-Basis aus geplant worden sei. Sowohl die Amerikaner als auch die Nato bestreiten jede Beteiligung. Die Prognose in der Macro Perspective vom Januar 2016, dass es zu einem Machtwechsel in der Türkei kommt, bleibt unverändert bestehen.

Explosives Rapprochement Türkei-Russland-Israel

Putin hatte übrigens Erdogan als einziger unmittelbar vor dem Putschversuch gewarnt. Schon davor hatte es ein Rapprochement zwischen Erdogan und Putin gegeben. Und auch mit Israel, nachdem zuletzt jahrelang die Atmosphäre vergiftet gewesen war. Selbst mit Assad sucht Erdogan die Annäherung, der jetzt plötzlich als wichtiger Verbündeter im Kampf gegen den wirklichen Dämon IS ein gesuchter Partner ist. Es ist auch verblüffend, dass Israel sich zunehmend Russland zu- und von den USA abwendet, die nach Ansicht der Israelis zu wenig in der Region tun. Allerdings zeichnet sich hier bereits ein weiterer Konflikt ab, denn scheinbar halten sich die Russen nicht an die Absprachen, weswegen jetzt hochgerüstete Hizbollah-Milizen unmittelbar vor der israelischen Grenze stehen.

Die ursprünglich im Dezember 2014 in der Macro Perspective prognostizierte Annäherung von Türkei und Russland ist zwar für einige Zeit von Erdogan konterkariert worden, doch seine Expansions- und Machtgelüste stiessen vor allem bei den USA, aber in der Folge auch bei der EU und der Nato bald an Grenzen, deshalb die erneute Hinwendung zu Russland. Am 9. August wird Erdogan Putin in St. Petersburg besuchen, u.a. soll das Turkish Stream Pipeline Projekt wieder belebt werden, was Amerikanern und Europäern zuwiderläuft. Handelt so ein zuverlässiger Nato-Partner?

Autokraten unter sich

Was Erdogan und Putin bei allen Unterschieden gemein haben, ist indes die autokratische, lediglich scheindemokratische Herrschafts- und Führungsstruktur. Zwar ist Putin zugutezuhalten, dass er scheinbar als einziger der Plage des IS etwas Wirkungsvolles entgegenzusetzen hat, doch was er selbst „Demokratur“ nennt und andere mit dem Modebegriff „illiberale Demokratie“ belegen, ist nur Augenwischerei. Tatsächlich ist Russland ebenso wie die Türkei auf dem Weg in eine totalitäre und faschistoide Autokratie, ohne demokratische Kontrolle, echte Gewaltenteilung, freie Medien.

Konfliktzone Südchinesisches Meer

Die Situation ist nicht nur brenzlig mit Blick auf die Situation in Nah-Ost, sondern auch global. Das Südchinesische Meer ist für Europäer weit entfernt, und daher ist der Aufmerksamkeit der Medien entgangen, dass China und Russland dort gemeinsam ein grosses Seemanöver durchführen. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hatte vor kurzem die chinesischen Hoheitsansprüche gegen alle Anrainer, darunter auch Japan, Indonesien, Vietnam und die Philippinen, vollumfänglich verworfen. Umgekehrt sind auch chinesische Kriegsschiffe im Arabischen Golf präsent. Und amerikanische Kriegsschiffe sind auch vor China im Pazifik. Dann bleibt noch das Problem Nord-Korea. Zuletzt war eine Rakete in japanischem Hoheitsgebiet detoniert – eine Provokation?

Repression in China

Auch Xi Jinping hat alle vorsichtigen Schritte in Richtung Demokratisierung durch seine Vorgänger, vor allen Deng Xiao-Ping, rückgängig gemacht und ebenfalls eine neue autokratische Ära eingeleitet. Der Personenkult um ihn wird im China der Neuzeit nur durch denjenigen um Mao Tse-Tung übertroffen. Wie in Russland und der Türkei werden Oppositionelle, Minoritäten, Systemkritiker, Menschenrechtsorganisationen und Meinungsvielfalt unterdrückt. Über die von Mao gegründeten Konzentrationslager, die in China „Lao Gai“ heissen, wird im Westen so gut wie nie berichtet. Das würde wohl die Wirtschaftsbeziehungen belasten. Sie wurden nie aufgegeben und werden heute wieder mit Regimegegnern und -kritikern zunehmend gefüllt. Nach seriösen Schätzungen sind dort seit den 1950er- Jahren rund 50 Mio. Menschen um ihr Leben gebracht worden, oft durch Verhungern.

Trump-Putin – eine Männerfreundschaft?

Sollte jetzt noch Donald Trump, ein weiterer Autokrat, wider Erwarten US-Präsident werden, dann wäre die Welt wirklich in einer unkalkulierbaren Situation, die nichts Gutes verspricht. Allerdings sind ja Putin und Trump bisher keine Gegner, sondern eher Geschäftspartner, obwohl viele US-Geheimdienstmitarbeiter ihn sogar für Putins Mann in den USA halten. Trump will als Geschäftsmann auch in Moskau einen Trump-Tower bauen. Und in der Ukraine hat er ebenfalls Interessen.

Konsequenzen

Doch gewählt wird in den USA erst im November, und einstweilen bleibt der vorsichtige Taktierer Obama amtierender Präsident. Man muss kein Militärstratege sein, um zu erkennen, dass die Türkei unter den gegebenen Umständen kein zuverlässiger Partner in der Nato sein kann. Das Militär war angeblich von „Terroristen“ unterwandert, wovon die Nato-Partner allesamt überrascht waren. Dann droht laut Erdogan ein weiterer Putschversuch. Schuld seien die USA und die Europäer. Und dann wendet sich der Oberbefehlshaber der zweitstärksten Nato-Macht den Russen zu, die er noch vor wenigen Monaten verbissen bekämpft hatte. Es kann aus Nato-Sicht, d.h. aus Sicht der Hegemonialmacht USA, nur eine Konsequenz geben – die Trennung!

Kapitalflucht und Risk-on

An den Finanzmärkten war die Reaktion eindeutig. Die Türkische Lira verlor zunächst um weitere 4%, die Aktienbörse um ca. 8%. Daraufhin lud Erdogan die Investorenvereinigung zu einer Veranstaltung, in der beschwichtigt wurde. Und tatsächlich flossen nach der ersten negativen Reaktion in Woche drei nach dem Putschversuch wieder Milliardenbeträge zurück, die Börse holte die Hälfte der Verluste wieder auf. Allerdings gab es in dieser Woche massive Zuflüsse für alle Emerging Markets, die plötzlich gesucht waren angesichts von negativen Renditen bei den Staatsanleihen der Ersten Welt im Volumen von 12 Billionen USD, überdehnten Aktienbewertungen und fragwürdigen wirtschaftlichen Aussichten. So hat die Bank of England die Leitzinsen auf den niedrigsten Stand in der 322-jährigen Geschichte der Institution abgesenkt, weil der mit dem Brexit verbundene Attentismus der Akteure die Inselwirtschaft in die Rezession zu stürzen droht.

Investment Grade Anlagen werden rar

Die Verknappung von Investment Grade Staatsanleihen, Top Corporate Bonds und gemeinhin als „sicher“ eingestuften Qualitätsaktien hat zuletzt zu einer deutlichen Zunahme der Risikofreudigkeit geführt, vielleicht auch angestachelt von den neuen historischen Höchstständen beim S&P 500 und dem Dow-Jones. Doch diese Hausse ist eine Liquiditätshausse, die zwar noch weiterlaufen kann, aber angesichts der seit fünf Quartalen rückläufigen Unternehmensgewinne (S&P 500) zunehmend auf Sand gebaut scheint. Denn der Börsenaufschwung wird nicht von zyklischen Werten getragen, sondern von zinssensitiven Industrien wie Versorgern, Telekom und Versicherungen sowie konjunkturunabhängigen Segmenten wie Pharma und Verbrauchsgüter. Die Gewinnmultiples bei den grossen US- Pharmawerten bewegen sich bei nahe 40X. Ein echter Konjunkturaufschwung müsste an der Börse auch von Bauaktien und dem Dow-Jones Transport Index angeführt werden.

Aktienanzahl schrumpft

Den meisten Anlegern dürfte unbekannt sein, dass die Anzahl der ausstehenden Aktien in den USA trotz aller IPOs und spin-offs seit der Jahrtausendwende vor allem durch die massiven Rückkaufprogramme und die M&A Transaktionen um 25% abgenommen hat, während auf der Nachfrageseite allein durch das Wachstum der institutionellen Anleger die Nachfrage deutlich höher liegt. Diese Verknappung der Ware „Aktie“ drückt sich auch in einer Prämie bei der Bewertung aus.

Fehlallokationen dank Notenbankpolitik

Die aktuellen Anlagetrends sind daher zweigeteilt. Zum einen wird auf bewährte Trends gesetzt, d.h. seit langem steigende Kategorien, auch wenn die Bewertungen überspannt sind, zum anderen auf riskantere und illiquide Anlageklassen wie Emerging Market Aktien und Bonds, Private Equity, High Yield Corporate Bonds, Rohstoffe, Infrastruktur. Gold wird zögerlich wiederentdeckt. Das in der Macro Perspective seit Oktober 2015 wiederholt favorisierte „barbarische Relikt“ ist seit Jahresbeginn mit 29% Performance auf USD Basis indes die mit Abstand beste Anlageklasse.

Hat 2016 schon mehr als 30% zugelegt: die Aktie der Partners Group. Chart: www.moneynet.ch
Hat 2016 schon um mehr als 30% zugelegt: die Aktie der Partners Group. Chart: www.moneynet.ch

Alternative Asset Manager

Eine exorbitante Performance weist auch der Schweizer Alternative Asset Manager Partners Group seit dem IPO 2013 auf. Inzwischen werden über 60 Mrd. CHF verwaltet, die Bewertung ist mit 13 Mrd. CHF allerdings mittlerweile ambitioniert. Im Gegensatz dazu sind die US Asset Manager, die sich jenseits des börsenkotierten Universums betätigen, derzeit eher attraktiv bewertet. So liegt die Bewertung von KKR, den Erfindern des Leveraged Buy-outs, nur bei 11 Mrd. USD, das verwaltete Vermögen liegt bei 175 Mrd. USD. Noch extremer ist es bei Carlyle, die ebenfalls 175 Mrd. USD verwalten, aber an der Börse mit weniger als 2 Mrd. USD bewertet sind.

Wert und Werte

Das grosse Bild ist sowohl ökonomisch als auch politisch nicht erbaulich. Es scheint, als ob die über die Jahrhunderte mühsam Schritt für Schritt errungene Freiheit und Demokratie mit dem gesamten abendländischen Wertekomplex innerhalb weniger Jahre zu einem porösen und leblosen Gebilde verkommen ist und, damit einhergehend, die traditionellen Parteien als politische Bannerträger des Wertekatalogs ebenfalls im Niedergang begriffen sind. Dies betrifft die Linke ebenso wie die sogenannte Mitte und die rechts davon angesiedelten Parteien. Der Sozialist Hollande kommt je nach Umfrage gerade noch auf 9 bis13% Zustimmung bei den französischen Wählern, der mit Abstand niedrigste Wert aller Zeiten. In Italien zeichnet sich ein Ende der Mitte-Links-Regierung ab zugunsten der 5-Sterne- Partei des Komödianten Grillo, welche den Euro-Raum verlassen will. Und auch in Deutschland ist es alles andere als klar, wie die kommenden Wahlen ausgehen werden. Es gibt ein ernst zu nehmendes Problem mit der Glaubwürdigkeit. So sagte der seit einigen Monaten amtierende Präsident der Philippinen, Dutarte, nachdem Kritik aus dem Westen laut wurde an den von ihm angekündigten und angeordneten Hinrichtungen unter Drogenhändlern ohne Prozess, insgesamt über 700 Fälle: „Fuck you UN, ihr habt das Desaster im Nahen Osten nicht im Griff und habt euch über die Abschlachtungen von Schwarzen in Afrika auch nicht aufgeregt.“

Fortschritt oder Rückschritt?

Die Verschärfung des geo-politischen Klimas mit allen Folgen wie über 60 Mio. Kriegsflüchtlingen, 60 Mio. in moderner Sklaverei, davon die Hälfte Kinder, volle Gefängnisse, Verfolgung Andersdenkender und der massenhafte Aufstieg totalitärer Regime bilden schlechte Rahmenbedingungen für die freie Marktwirtschaft, die eben von freiem Verkehr bei Gütern, Kapital und Menschen lebt und freie Wissenschaft und Kunst sowie Medien benötigt, um Innovationen, Produktivität und Wachstum hervorzubringen – und damit auch Wohlstand und Fortschritt. Die Welt befindet sich an einem historischen Scheideweg. Wird man später, so es denn Überlebende geben wird, sagen: „Geschichtsschreibung ist Sinngebung des Sinnlosen“, wie eine Definition lautet, oder im Sinne der Licht ins Dunkel bringenden kantianischen Aufklärung, dass Geschichte Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit ist? Letzteres wäre zu bevorzugen, weil damit auch die Freiheit des ethischen Verzichts auf Krieg, Völkermord, Unterdrückung denkbar ist, womit die Zukunftsfähigkeit der Menschheit wesentlich verbessert würde.

Zeitwert von Geld

Vielleicht drückt sich in dem negativen Zinsszenario auch aus, dass es ökonomisch keine Zukunft im Sinne von progressivem Wachstum gibt. Oder wie sollte das All-Time-Low beim Zins in der 322 Jahre umfassenden Geschichte der Bank of England interpretiert werden?  Wenn ein Franken heute oder in 10 oder sogar 50 Jahren unverändert durch Verzinsung oder Diskontierung immer gleich bleibt, welchen finanz-ökonomischen Sinn sollten Investitionen da noch machen? Sitzen die grossen Unternehmen deshalb auf Billionen an Cash? Eine Konsequenz ist jedenfalls, dass Pensionskassen die Beiträge dramatisch erhöhen müssen, wie jetzt die BVV Versicherungsverein des Bankgewerbes, mit 25.8 Mrd. AuM Deutschlands grösste Adresse, es jetzt als erster deutscher Branchenvertreter ankündigt: Für ab 2017 bezahlte Beiträge werden die Rentenzahlungen um 24% geringer ausfallen. Wollen die zukünftigen Pensionäre die Versorgunglücke schliessen, müssen sie ihre Beiträge um 31,6% erhöhen.

Mit Blick auf die zahlreichen und wortgewaltigen Erklärungen zum Zinsszenario durch Notenbanken und Experten, aber auch durch Politiker zu den vielen Krisenherden gilt Lao-Tses zeitlose Erkenntnis: „Wahre Worte sind nicht gefällig, gefällige Worte sind nicht wahr.“

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