Macro Perspective: Die Zinswende und die Folgen für die Aktienmärkte

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„Trotz der beträchtlichen gegenteiligen Propaganda ist das grösste Erfordernis im Moment nicht fürsorglich zu denjenigen zu sein, die wohlauf sind. Deren Situation ist nicht so verzweifelt wie gegenwärtig dargestellt. Es ist auch so, dass man eine Wirtschaft nicht ins Laufen bringt, indem man die Reichen belohnt, sondern alle, die zum Erfolg beitragen.“
John Kenneth Galbraith, 1908-2006, Ökonom, Vordenker des Liberalismus, aus der Rede „Wohlstand und Armut“ 1963 vor dem US National Policy Committee

Es ist unbestritten, dass die US-Finanzmärkte seit Jahrzehnten Richtung und Tempo vorgeben sowie insbesondere Trendwenden vollziehen, die mehr oder weniger auch für den Rest der Welt den Takt bestimmen. Seit dem US-Wahlergebnis vom 9. November ist der Dow-Jones-Index rapide um rund 10% gestiegen, während am US-Bondmarkt die Rendite der 10-Jährigen von 1.75% auf nun 2.6% in beispiellosem Tempo in die Höhe geschossen ist.

Der Dow Jones legte seit der Wahl von Donald Trump um rund 10% zu. Chart: SIXid

Bondmärkte im Abwärtstrend

Das Blutbad bei den Anleihebesitzern kommt nicht wirklich überraschend, denn der Zinsanstieg hatte sich schon länger abgezeichnet. An warnenden Stimmen hat es auch nicht gefehlt. Doch nach über 30 Jahren mit kontinuierlich fallenden Zinsen hat ein grosser Teil der Anlegerschaft diese Tendenz quasi als Naturgesetz erfahren; die überfälligen Trendwenden will man nicht wahrhaben, und alle Signale werden ignoriert. In der Psychopathologie wird dies Neglect genannt. Die Bohnen liegen auf dem Teller, doch die visuellen Informationen werden vom Gehirn blockiert und nicht verarbeitet. Der Kranke sieht nur den Teller.

Falken gewinnen Oberhand bei der Fed

Als die Notenbank dann noch am 14.12. die Leitzinsen um 0.25% erhöhte, bestätigte die immer wieder aufgeschobene Aktion, dass die Zinswende nunmehr vollzogen ist. Für 2017 werden weitere 2 oder 3 Zinsschritte von je 0.25% erwartet. Die Diskussionen über die Notwendigkeit, auch in den USA mit Negativzinsen zu experimentieren, die bis vor wenigen Wochen geführt wurden, sind nun verstummt.

Italien – Risse im Fundament der EU

Vielleicht für viele Marktteilnehmer unter der Wahrnehmungsschwelle haben auch die Anleihemärkte in Europa gedreht, wenngleich nicht so dramatisch wie in den USA, allerdings mit der Ausnahme Italien. Dort spitzen sich die Ereignisse zu. Die Bankenkrise schwelt weiter vor sich hin, mehr als 20% der von Banken vergebenen Kredite sind non-performing, d.h. es werden keine Zinszahlungen mehr geleistet, und es ist fraglich, ob die Kreditforderungen von den Schuldnern überhaupt noch erfüllt werden können. Die Verfassungsreformen, die Renzi durchsetzen wollte, scheiterten am Referendum, weshalb er zurücktrat. Jetzt scheint Italien auf die Unregierbarkeit zuzustreben. Aus heutiger Sicht dürfte die 5-Sterne-Bewegung aus den Parlamentswahlen 2018, oder auch früher, zulasten der sogenannten Volksparteien als wohl stärkste politische Kraft hervorgehen. Wie bei vielen populistischen Bewegungen zeigen sich die ersten praktischen politischen Probleme, wo bei Wahlen die Macht schon erobert wurde. Sowohl in Rom als auch in Triest sind nach dem Amtsantritt der 5-Sterne-Bürgermeisterinnen etliche Reibungsverluste und Leerläufe aufgetreten. Bisher haben sich die Hoffnungen auf eine radikal bessere Politik noch nicht erfüllt.

Rendite der Frankenanleihen bald wieder positiv

In Deutschland und auch Japan haben die Renditen der 10-jährigen Staatsanleihen aus dem zuvor negativen Bereich vor dem Hintergrund der amerikanischen Zinswende wieder in den positiven Bereich gedreht. Das steht jetzt oder bald auch für die Schweizer 10-Jahresanleihen an, die aktuell noch mit minus 0.1% rentieren. Obwohl die Schweiz in einer besonderen Situation ist, wird sich der relativ kleine Markt nicht den internationalen Tendenzen entziehen können. Daran werden auch die derzeit herumgereichten Prognosen mit weiterhin negativen Zinsen nichts ändern.

Trendwende bei den Zinsen? Die 10-jährigen US-Staatsanleihen drehten. Chart: SIXid

Natürlich kann die Baisse bei den US-Bonds jederzeit auch eine Gegenbewegung erleben und die Sogwirkung für die europäischen Märkte dann vorübergehend nachlassen, doch scheint der Trend zu steigenden Zinsen durch die Marktkräfte, und nicht die Notenbanken, inzwischen fest etabliert.

Buchverluste für die SNB

Die SNB mit ihrem 648 Mrd. CHF Devisen-Portfolio von überwiegend Euro- und Dollar-Assets, hauptsächlich Bonds, dürfte seit Anfang November, wie alle Anleihenhalter, substanzielle Buchverluste erlitten haben. Bond-Market-Guru Jeff Gundlach hatte seit längerem die Trendwende prognostiziert, weil die berauschten Anleger zwangsläufig früher oder später erkennen würden, dass es kein guter Deal sein kann, Kapital zu verleihen und dafür nichts oder sehr wenig zu bekommen. Mit der Wahl Trumps, politisch ein unbeschriebenes Blatt, sind nun alle Dämme am Bondmarkt gebrochen. Mag sein, dass Leerverkäufe die Baisse noch beschleunigten, aber das ist ja auch ihre korrektive Funktion an den Finanzmärkten. Gundlach prognostiziert nun, dass wir, wenn die Rendite der 10-jährigen US Bonds in 2017 die 3%-Marke überschreitet, in vier Jahren Renditen bei über 6% sehen werden. Die High Yield Bonds würden in dem Fall bereits im kommenden Jahr in ein „Schwarzes Loch der Illiquidität fallen“.

Trump-Kabinett – Milliardäre und Generäle unter sich

Zu einem grossen Teil drückt sich in der Baisse am Bondmarkt aus, dass mit Trump ein Element der Unsicherheit aufgetreten ist, und das verlangt eine Risikoprämie. Den anderen Teil machen die Ankündigungen aus, in die Infrastruktur massiv zu investieren. Betrachtet man die wesentlichen Parameter, die zu der nun vorweggenommenen Reinflationierung führen könnten, so zeigt sich ein sehr gemischtes Bild. Lohnsteigerungen und eine Anhebung des Mindestlohns durch die Trump-Regierung erscheinen zunehmend unwahrscheinlich, trotz der Wahlversprechen. Die im Kabinett versammelten Milliardäre, Unternehmer, Banker und Generäle sind so ultra-konservativ, dass Forderungen von Arbeitern schon als Vorstufe der Revolution interpretiert werden. Die Hungerrevolten in den USA der frühen 30er-Jahre wurden beispielsweise mit Waffengewalt durch die Nationalgarde niedergeschlagen, selbst auf die um ihre Pensionen geprellten protestierenden Veteranen des Ersten Weltkriegs wurde geschossen. Erst der „New Deal“ von Roosevelt beendete die gesellschaftliche Polarisierung.

Von der Demokratie zur Plutokratie

Ohne Lohninflation fehlt der wesentliche Inflationstreiber. Mit der Wahl Trumps haben die Amerikaner für eine Fortsetzung und sogar Beschleunigung der gesellschaftlichen Polarisierung gestimmt. Immer weniger Plutokraten besitzen immer mehr, die Mittelklasse löst sich auf, und der Grossteil der Bevölkerung kommt kaum oder gerade noch über die Runden. Annähernd 50% der Amerikaner erhält Lebensmittelmarken oder sonstige staatliche Zuwendungen, viele Amerikaner haben 2,3 und mehr Jobs, um nicht auf der Strasse zu landen, denn Kreditkarten- und sonstige Finanzschulden müssen bedient werden. Die offizielle Arbeitslosenstatistik mit kaum 5% ist beschönigt, denn die Langzeitarbeitslosen fallen aus der Statistik, ebenso diejenigen, die seit längerem nicht aktiv nach Jobs suchen. Würden diese Heere von potenziellen Arbeitskräften mitgerechnet, läge die Quote bei über 20%.

Statistische Verirrungen

Bisher galt bei Ökonomen, Notenbankern und für die Finanzindustrie, dass 5% die kritische Marke ist. Wann immer die von oben kommend erreicht wird, nimmt die Lohninflation zu, weil dann der Arbeitsmarkt eng wird. In der Vergangenheit vor der Anpassung der statistischen Methode mag das auch zugetroffen haben, doch inzwischen ist die statistische Signifikanz verloren gegangen, was aber vielen Prognostikern entgangen ist, denn sie gehen immer noch von der Validität der 5%-These aus. Hintergrund ist die die Philosophie der „Natural Rate of Unemployment“, NAIRU genannt. Demzufolge sind 5% Arbeitslosigkeit mit Vollbeschäftigung gleichzusetzen, weil es eine natürliche Arbeitslosigkeit gebe. Beispielsweise kann der arbeitslose Bäcker nicht ohne weiteres Webdesigner oder Roboterkonstrukteur werden.

Ungleichheit und Kaufkraftentwicklung

Laut CIA World-Factbook liegt die Quote der Amerikaner, die unter der Armutslinie leben, bei 15,1% (2010). Der Gini-Koeffizient macht die relative Gleichheit der Einkommen zwischen den einzelnen Ländern vergleichbar. Wären die Einkommen in einem Land absolut gleich verteilt, läge der Gini-Koeffizient bei 0%, bei absoluter Ungleichheit würde er bei 100% liegen. Während die Schweiz einen Gini-Indexwert von 28,7 (2012) aufweist, Schweden 24,9 (2013), Italien 31,9 (2012), Südkorea 30,2 (2014) und Japan 37,9 (2011), liegt der Wert für die USA bei 45 (2007). Das liegt deutlich auch über angelsächsisch geprägten Ländern wie Australien und Kanada mit knapp über 30. Zu den Ländern mit der grössten Ungleichheit zählen Brasilien, Chile und Kolumbien mit Werten über 50. Neuere Schätzungen für die USA weisen einen Wert von 41 aus, doch ist fraglich, wie die Ungleichheit der Einkommensentwicklung seit Beginn der Finanzkrise gerade in den USA abgenommen haben soll. Vielmehr weisen alle Vermögensstatistiken auf eine beschleunigte Konzentration von Vermögen und Einkommen insbesondere bei den Superreichen (0,01%) der Bevölkerung hin. Die Schweiz ist eines der ganz wenigen Länder, in denen die Ungleichheit über die Zeit abgenommen hat. Ohne Kaufkraftzuwächse in den meisten Ländern, insbesondere den USA, dürfte die gefürchtete Lohn-Preis-Spirale nicht über ein paar Zuckungen hinauskommen.

Rohstoff-Inflation?

Eher wahrscheinlich ist nach den entschiedenen Kapazitätsanpassungen bei den Minenunternehmen, dass sich die zum Teil beachtlichen Preissteigerungen bei den Metallen, vor allem Zink, Nickel und Kupfer, fortsetzen, was dann auch über die Zeit zu Rohstoff-Inflation führen wird. Am Ölmarkt haben sich die Perspektiven durch die Trump-Wahl signifikant geändert. Das zeigt sich schon darin, dass ausgerechnet Rex Tillerson, der CEO und Chairman von Exxon, nun Secretary of State (Aussenminister) werden soll, sofern er vom Senat bestätigt wird. Das ist nicht sicher. Zum einen ist da die persönliche Freundschaft mit Vladimir Putin, zum anderen wird von der SEC und den Generalstaatsanwaltschaften von New York und Kalifornien gegen Exxon ermittelt. Weiterhin sind Sammelklagen hängig.

Unternehmen appellieren an Trump

Unabhängig davon dürften unter der Trump-Regierung die zuletzt beachtlichen Verpflichtungen zum Klimaschutz zurückgedreht werden. Symptomatisch auch hier die Besetzung der entsprechenden Behörden mit Leugnern der Klimaerwärmung durch Treibhausgase. Zahlreiche namhafte Unternehmen wie Intel, DuPont, Nike und sogar Monsanto haben in einem offenen Brief dazu aufgerufen, die Pariser Ziele entgegen Trumps Absichten aufrechtzuerhalten.

Ölmarkt – potenzieller Inflationstreiber Nr. 1

Die Situation am Ölmarkt bleibt weiterhin von zahlreichen Einflüssen geprägt, die schwer zu prognostizieren sind. Trotz Verpflichtung von OPEC, Russland und weiteren Ländern haben die wesentlichen Produktionsländer bis zuletzt auf Rekordniveau gefördert. Damit bleibt kurz- bis mittelfristig das Überangebot fortbestehen. Allerdings werden auch Vorkommen erschöpft sein, und durch die Baisse der letzten zwei Jahre sind die Explorationsbemühungen stark reduziert worden, so dass absehbar ist, dass wenig neue Förderkapazität hinzukommt. Auf der Nachfrageseite steigt der Energiebedarf insgesamt, und die Diversifikation in Erdgas, Kernenergie und Regenerative Energien wird wohl zum Teil durch die niedrigen Ölpreise zumindest verzögert, wenn nicht ausgesetzt. Sollten die Fördermengen dramatisch fallen und die Ölnachfrage durch den Substitutionseffekt dramatisch steigen, ist nicht auszuschliessen, dass der Ölpreis dann auch dramatisch steigt, vielleicht sogar über 100 USD je Fass. Mit Trump als US-Präsident ist ein solches Szenario zumindest sehr viel wahrscheinlicher geworden. Das wäre dann auch stark inflationierend, würde aber, verspätet, zu der verzögerten Diversifikation des Energiemix führen.

Aufrüstung und Kriegshandlungen nehmen zu

Ein weiterer Inflationstreiber könnte die Ausweitung der kriegerischen Handlungen sein. Mit dem Ausstieg der Amerikaner aus dem Nahen Osten und der Neuordnung der Region durch Russland, Türkei, Iran, Saudi-Arabien ist absehbar, dass die Konfliktpotenziale höchstens zunehmen. Die Ziele der beteiligten Gross- und Regionalmächte im „New Great Game“ sind höchst unterschiedlich und ebenso inkompatibel. Israel will nicht vom Iran vernichtet werden, der mit Russland in einer Allianz ist. Doch Russland ist auch, zumindest zum Teil, die neue Schutzmacht Israels, nachdem die USA diese Funktion weniger entschieden und zuverlässig  ausfüllen wollen. Ägypten ist gegen die fundamentalistische Bedrohung mit Saudi-Arabien und Israel in einer Allianz. Saudi-Arabien und die Golfstaaten sowie die Türkei wollen weiterhin mit allen Kräften, auch fundamentalistischen, gegen Assad, die iranischen Schiiten und die Hisbollah vorgehen, doch die paktieren mit Russland, um das syrische Staatsgebiet zu erhalten. Die Kurden stehen von allen Seiten unter Druck und sind doch die einzigen, die den Fundamentalisten etwas entgegenzusetzen haben, wenn es um den Kampf Mann gegen Mann oder auch Frau geht. Russland will Militärbasen am Mittelmeer und hat jetzt mit Syrien und Libyen schon zwei.

Alle Armeen und Milizen der Grossregion rüsten auf, massiv. Saudi-Arabien hat eben die ersten Exemplare der neuen F-15 bekommen, insgesamt werden 152 Maschinen mit spezifischen Anforderungen auf dem Stand der neuesten Technik ausgeliefert. Da die USA die NATO wohl redefinieren werden, bleibt es bei den Mitgliedern, ihre Militärausgaben zu erhöhen, um wehrkräftig zu sein. Die meisten europäischen Militärmächte geben nur 1 bis 2% ihres BSP für Rüstung aus, das war die Friedensdividende nach dem Fall der Mauer und dem Ende der Sowjetunion.

Der Staat als Inflationstreiber

Schliesslich ist festzuhalten, dass trotz der deflationären Tendenzen der Vorjahre die sogenannten „administrierten Preise“, bei denen der Staat direkt oder indirekt die Preise (mit-)bestimmt, immer weiter gestiegen sind. Gebühren, Prämien, Zuschläge, Verbrauchssteuern usw. Das ist soweit der einzige wirkliche Inflationstreiber, der auszumachen ist.

Notenbanken verzerren Signalfunktion der Bondmärkte

Zusammengenommen ergibt sich ein Bild, in dem die deflationären Kräfte wie Kaufkraftschwund weiter Bevölkerungsteile, schwache Rohstoffpreise, Überangebot bei den Produktionsfaktoren Arbeit, Industriekapazitäten und Kapital mit den vielleicht erstarkenden beschriebenen inflationären Kräften ringen. Geht man davon aus, dass der Markt immer recht hat, ist der beispiellose Renditeanstieg bei Anleihen der sicherste vorauslaufende Indikator dafür, dass Inflation in der Pipeline ist. Die Aussagekraft des Indikators ist gleichwohl etwas fragwürdig geworden, denn am Anleihemarkt sind, anders als früher, jetzt die Notenbanken die grössten Akteure.

Contrarian View

Eine konträre Sichtweise könnte allerdings zu ganz anderen Schlussfolgerungen gelangen. Der massive Zinsanstieg macht genau die beabsichtigten Infrastrukturinvestitionen in den USA und auch sonstwo zunichte, die dann höhere Zinslast der hoch verschuldeten Staaten und Konsumenten sowie teilweise auch Unternehmen führt zu Pleiten, Ausfällen, Wertberichtigungen, Entlassungen, was wiederum zu noch höheren Risikoprämien am Anleihemarkt führt. Die Nachfrage würde abgeschwächt, die Investitionen würden zurückgefahren, das Wachstum wäre schwach, wenn nicht negativ.

Steigende Zinsen intensivieren Wettbewerb für Aktienmärkte

Ob Contrarian- oder Mainstream-Sichtweise: Für die Aktienmärkte sind steigende Zinsen auf Dauer Gift. Je nach Marktzinssatz variieren auch die Diskontierungssätze für DCF-Berechnungen oder diskontierte Dividendenströme oder Cashflows. Das Gewinn-Multiple von über 20 für die für den S&P 500 für 2017 geschätzten Gewinne erscheint schon bei 2.5% Rendite der 10-jährigen Anleihen ziemlich gedehnt. Bei 3% und darüber wäre es wohl überdehnt. Angenommen, die Zinsen steigen weiter, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Die Aktiengesellschaften erzielen signifikante Gewinnsteigerungen, um die Bewertung zu rechtfertigen, oder die Bewertungen werden zurückgestuft – oder ein wenig von beidem.

CAPE-Shiller signalisiert massive Überbewertung bei Aktien


Der Blick auf den CAPE-Shiller-Index, der die gleitenden Gewinne der letzten 10 Jahre als Multiple abbildet, zeigt mit dem aktuellen Wert von 27.92x jedenfalls den höchsten Wert seit 1929 bzw. 2000: kein gutes Omen! Nach 1929 kontraktierte das Multiple von 30x auf 6x, nach 2000 von 44x auf 15x. In Prozenten ergibt dies ein Korrekturpotenzial am Aktienmarkt von 80% bzw. 65%, ohne Betrachtung der tatsächlichen Gewinnentwicklung der Unternehmen, die in einem solchen Fall durchaus negativ werden könnte.

So ernüchternd es klingen mag, aber ein solches Szenario ist sehr viel wahrscheinlicher, als dass die Multiples angesichts der Zinswende noch weiter bis auf 40x oder 44x klettern. So hohe Bewertungen gab es ja nur ein einziges Mal. Es wäre vermessen, jetzt zu erwarten, dass es noch einmal soweit kommen wird. Ob Wahrscheinlichkeitsrechnung, quantitative Analyse oder simpler gesunder Menschenverstand – für kluge Anleger ist Vorsicht angebracht ist, wollen sie das bisher Erreichte nicht unnötigen Risiken aussetzen. „Sei furchtsam, wenn andere gierig sind und vice versa“, so lautet eine kluge Erkenntnis von Warren Buffett.

Auch Galbraith Erkenntnis mag für weitsichtige Investoren in der gegebenen Situation von Wert sein: „Vor die Wahl gestellt, seine Sichtweise zu ändern oder Beweise dafür zu liefern, dass es keine Notwendigkeit gibt, die eigene Sichtweise zu ändern, werden fast alle geschäftig mit der Beweisaufnahme.“

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