Rolf Bigler (BEKB): „Der OTC-Markt hat weiteres Nachholpotenzial“

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Rolf Bigler leitet den Aktienhandel OTC-X bei der BEKB. Bild: zvg
Rolf Bigler leitet den Aktienhandel OTC-X bei der BEKB. Bild: zvg

Für den ausserbörslichen Aktienhandel bei der Berner Kantonalbank BEKB war 2014 ein Rekordjahr. Im Interview mit schweizeraktien.net erläutert Rolf Bigler, Leiter Handel OTC-X bei der BEKB, warum sich das Jahr so gut entwickelt hat. Auch für 2015 ist der Kenner des Nebenwertesegments zuversichtlich. Er erwartet neue Listings und kann sich ein zunehmendes Interesse institutioneller Anleger in dem Segment vorstellen.

Herr Bigler, wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung des ausserbörslichen Marktes im abgelaufenen Jahr?

Ich bin sehr zufrieden. Wir blicken auf ein Rekordjahr mit einem Umsatz von 143 Mio. CHF und 8’707 Abschlüssen zurück. Mit Ausnahme des Jahres 2007 konnten wir seit Bestehen unserer elektronischen Handelsplattform OTC-X keine höheren Umsätze als im letzten Jahr erzielen. Berücksichtigt man, dass 2007 im Vorfeld ihres Börsengangs allein die Titel der HBM Bioventures AG einen Umsatz von 79.6 Mio. CHF erzielten, können wir auch beim Handelsvolumen in 2014 von einem Rekordjahr sprechen. Denn ohne die HBM-Titel hätte der Umsatz in 2007 unter 140 Mio. CHF gelegen. Erfreulicherweise gab es im letzten Jahr keine Einzeltitel, die zu hohen Umsätzen geführt haben. Der Handel war breit abgestützt.

Wo genau sehen Sie die Gründe für die zunehmende Handelstätigkeit?

Wir führen dies auf die höhere Transparenz und Visibilität der ausserbörslich gehandelten Aktien zurück. Nachdem die Hauptmärkte mehrere Jahre gut gelaufen sind, suchen die Anleger nach Alternativen. Durch die grössere Transparenz und den verbesserten Informationszufluss über unsere Homepage www.otc-x.ch, die Unternehmensanalysen von OTC-X Research, unsere Marktberichte sowie die Zusammenarbeit mit AWP und schweizeraktien.net wissen Anleger mehr über die gehandelten Gesellschaften und kaufen keine «Black box» mehr. Insbesondere Privatanleger haben das Segment wieder entdeckt, weil ihnen die Kursbewegungen an den Hauptbörsen offenbar zu volatil sind.

Bedeutet dies, dass die institutionellen Anleger dem Segment ferngeblieben sind?

Nein, es sind durchaus institutioneller Anleger im ausserbörslichen Aktienhandel aktiv. Investoren wie beispielsweise die Nebag nutzen die Chancen in diesem Segment sehr rege. Im Vergleich zu den Privatanlegern stellen sie allerdings immer noch eine Minderheit dar. Dies könnte sich jedoch in diesem Jahr mit weiteren Neulistings ändern.

Warum rechnen Sie mit weiteren Neulistings und wieso sollte dies institutionelle Investoren dazu veranlassen, im OTC-Markt zu investieren?

Im letzten Jahr gab es mehrere Dekotierungen an der SIX und an der BX, die dazu geführt haben, dass die Aktien dieser Unternehmen neu im ausserbörslichen Markt gehandelt werden. Dazu zählen z.B. Thurella und Rapid. Für dieses Jahr haben die CKW und die Loeb Holding die Dekotierung ihrer Aktien bzw. ihrer PS von der Börse angekündigt. Im Fall von CKW zeigt sich, dass der Titel an der SIX nach der Ankündigung der Dekotierung rund 25% verloren hat. Institutionelle Anleger sind aufgrund ihrer teilweise strikten Anlagevorschriften meistens gezwungen, ihre Aktien zu verkaufen, wenn diese nicht mehr an einer Börse gehandelt werden. Der Trend hin zu solchen Dekotierungen und der Aufnahme in den ausserbörslichen Handel könnte dazu führen, dass einige Institutionelle Anleger ihre Anlagevorschriften anpassen, um unnötige Kursverluste bei Dekotierungen zu vermeiden. Sofern die Reglemente angepasst werden, könnten diese Anleger auch in andere ausserbörslich gehandelte Aktien investieren. Angesichts der teilweise recht hohen Bewertung an den Hauptbörsen eignen sich viele gut geführte Unternehmen als Alternativen. Allerdings ist ein Listing auf OTC-X nicht unbedingt der Grund für Kursverluste. Der Fall von Rapid zeigt, dass nach dem Wechsel in den ausserbörslichen Markt die Kurse auch kräftig steigen können.

Gemessen an den OTC X-Indizes liegt die Performance der ausserbörslich gehandelten Werte allerdings unter den Indizes der Hauptmärkte.

In den vergangenen zwanzig Jahren folgte nach einer Hausse an den Hauptmärkten stets mit einer Verzögerung von sechs Monaten eine positive Kursentwicklung im OTC-Markt. Dieser Effekt ist bei der aktuellen Hausse noch nicht im vollen Umfang eingetreten, obwohl sich fast alle OTC-X Indizes 2014 im Plus befinden. Allerdings rechnen wir damit, dass sich dieser Effekt im laufenden Jahr verstärken wird.

Also erwarten Sie für das laufende Jahr weiterhin eine positive Entwicklung im ausserbörslichen Markt?

Ja, es dürfte ein sehr gutes Jahr für den OTC-Markt werden. Aufgrund der fehlenden Anlagealternativen bleiben auch in diesem Jahr Aktien generell eine attraktive Anlageklasse. Allerdings ist damit zu rechnen, dass der Aktienmarkt wegen der grossen geopolitischen und wirtschaftlichen Herausforderungen volatiler wird. Hier bieten ausserbörslich gehandelte Aktien einen guten Schutz. Ausserdem finden sich nach wie vor viele Titel mit hoher Substanz, einer günstigen Bewertung und guten Dividendenrenditen in unserem Segment. Der OTC-Markt hat weiteres Nachholpotenzial!

Auf welche Titel würden Sie konkret setzen?

Als Betreiber der Handelsplattform geben wir keine spezifischen Empfehlungen ab. Anleger sollten sich Titel anschauen, welche die bereits erwähnten Kriterien wie hohe Substanz, niedrige KGVs und konstante Dividendenpolitik mit Renditen von über 2% aufweisen.

Gibt es Sektoren, bei denen Sie eine besonders gute Entwicklung erwarten oder wo mit Rückschlägen zu rechnen ist?

Weiterhin Potenzial sehen wir im Industriesektor. Die Aktien sind hier vielfach noch attraktiv bewertet. Auch der Energiesektor könnte wieder interessant werden. Nicht einfach ist hingegen die Situation für die Regionalbanken: Die stärkere Regulierung, die niedrigen Zinsen und die zunehmende Digitalisierung des Geschäfts stellen den Sektor vor grosse Herausforderungen und könnten zu einer Konsolidierung in der Branche führen.

Welche Pläne hat die BEKB im laufenden Jahr für den OTC-Markt?

Wir lancieren im ersten Quartal 2015 unser Early Stage-Segment. Damit bieten wir erstmals auch Start-up-Firmen die Möglichkeit, ihre Titel handeln zu lassen. Insbesondere der Trend zum Crowd-Financing dürfte dazu führen, dass immer mehr Firmen die Möglichkeit nutzen, Kapital für Firmengründungen direkt bei Anlegern zu beschaffen. Hier fehlt bisher eine Handelsmöglichkeit für die Anteile, also ein Sekundärmarkt. Mit dem Early Stage-Segment bieten wir den Unternehmen und sehr risikofreudigen Investoren einen solchen Sekundärmarkt. Ausserdem erwarten wir weitere Listings für unser KMU-Bond-Segment. Durch das restriktivere Kreditvergabeverhalten der Banken kann die Ausgabe einer KMU-Anleihe eine Finanzierungsalternative darstellen. Im Fokus haben wir hier Anleihen mit einem Volumen von 5 bis 25 Mio. CHF. Für grössere Anleihen ist dann die SIX die ideale Plattform.

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