Harderbahn/BB Lauterbrunnen-Mürren: Warten auf die Übernahmeofferte der Jungfraubahn

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Die Harderbahn in Interlaken gehört schon bald zu 100% der börsenkotierten Jungfraubahnen-Gruppe. Bild: www.jungfrau.ch
Die Harderbahn in Interlaken gehört schon bald zu 100% der börsenkotierten Jungfraubahnen-Gruppe. Bild: www.jungfrau.ch

Anfang Dezember gab die börsenkotierte Jungfraubahnen-Gruppe bekannt, dass sie den Minderheitsaktionären der beiden Bahnunternehmen Harderbahn AG und Bergbahn Lauterbrunnen-Mürren AG eine Übernahmeofferte unterbreiten wolle. Ziel sei es, so die Unternehmensstruktur zu vereinfachen. Zudem reagiere man so auf die neuen Vorschriften für die Registrierung von Inhaberaktien (siehe hierzu auch unsere Blogbeiträge vom 11. Juni 2015 und 11. November 2015). Seit Bekanntgabe dieser Mitteilung machten die Kurse der auf OTC-X gehandelten Harderbahn- und BB Lauterbrunnen-Mürren-Aktien einen Sprung um mehr als 30% bzw. 50% – dies allerdings bei sehr geringem Volumen. Denn die Jungfraubahn Holding hält heute schon 69% an der Harderbahn und 80% an der BB Lauterbrunnen-Mürren. Die übrigen Aktien befinden sich im Streubesitz. In der Medienmitteilung hiess es, dass die Aktionäre im Januar 2016 eine Offerte erhalten würden. Auf Nachfrage erklärte die Jungfraubahnen-Gruppe, dass derzeit eine Second-Opinion erstellt werde und anschliessend – frühestens Anfang Februar- mit einem Angebot zu rechnen sei.

Bei der Harderbahn läuft das Geschäft rund – marginaler Gewinnausweis

Offenbar macht es sich die Geschäftsleitung des grössten Schweizer Bergbahnunternehmens nicht zu leicht, einen fairen Angebotspreis festzulegen. Dies überrascht wenig, da die Umstände auch nicht ganz einfach sind. Denn die Harderbahn konnte in den letzten Jahren kräftig zulegen. Die Frequenzen erhöhten sich seit 2012 um mehr als 35% auf 267’581. Mit den gesteigerten Frequenzen kletterte der Verkehrsertrag seit 2012 von 1.366 Mio. CHF auf 1.944 Mio. CHF in 2014 – ein sattes Plus von über 40% in nur drei Jahren. 2014 erzielte die Bahn am Interlakener Hausberg einen Umsatz von 2.266 Mio. CHF (plus 12%). Auch das Betriebsergebnis (EBITDA) legte binnen Dreijahresfrist um fast 40% auf 1.239 Mio. CHF zu. Als Grund für diesen guten Lauf nennt die Harderbahn vor allen Dingen die zunehmende Beliebtheit bei Ausflugsgästen und Gruppenreisenden. Insbesondere im Asien-Geschäft profitiert der Harder vom Cross-Marketing mit der Jungfraubahn-Gruppe, deren Geschäftsleitungsmitglieder Urs Kessler, Christoph Seiler und Christoph Schläppi auch den grössten Teil von VR und GL der Harderbahn AG stellen. Interessant an der Erfolgsrechnung der Harderbahn ist allerdings, dass diese in den letzten beiden Geschäftsjahren nur einen marginalen Gewinn von 30’000 (2013) bzw. 61’000 CHF (2014) auswies, obwohl das Betriebsergebnis deutlich besser ausfiel. Grund dafür sind Rückstellungen für „künftige Investitionen am Berg“ in Höhe von jeweils 800’000 CHF. Ohne diese vorsorgliche Rückstellungen hätte der Gewinn bei 830’000 bzw. 861’000 CHF gelegen und sogar eine Ausschüttung ermöglicht. Die Jungfraubahn Holding AG selbst schreibt in ihrem Geschäftsbericht 2014 (S. 32) übrigens, dass die Harderbahn 2014 „ein weiteres Rekordergebnis mit einem Gewinn von 823’000 CHF“ erwirtschaftet hat. Gemäss Legende stellt die Jungfraubahn hierbei auf „betriebswirtschaftliche Werte“ und nicht auf bilanzielle Werte ab.

Eine Preisfindung für die Harderbahn-Aktien dürfte sich daher wohl eher an diesem tatsächlichen Gewinn bzw. am erzielten Cashflow orientieren. Dass es in Zukunft am Harder weiterhin gut läuft und schon 2015 die Rekordzahlen übertroffen werden könnten, daran liessen die Verantwortlichen der Harderbahn bisher jedenfalls keinen Zweifel aufkommen.

Hohe Abgeltungen der öffentlichen Hand bei der BB Lauterbrunnen-Mürren

Die Preisfindung für die Aktien der BB Lauterbrunnen-Mürren AG dürfte hingegen weitaus schwieriger werden. Bei einem Betriebsertrag von 6.424 Mio. CHF in 2014 (Vorjahr: 6.142 Mio. CHF) erwirtschaftete die Bahn ein Betriebsergebnis von (EBITDA) von 1.263 Mio. CHF (Vorjahr: 1.076 Mio. CHF). Unter dem Strich resultierte 2014 ein bilanzieller Gewinn von 210’639 (Vorjahresverlust: 21’058 CHF). Weil die Bahn auch zur Erschliessung des autofreien Ortes Mürren dient, erhält das Unternehmen Abgeltungen durch die öffentliche Hand in Höhe von jährlich fast 2.3 Mio. CHF. Ohne diese Abgeltung wäre ein rentabler Betrieb der Bahn wohl kaum möglich. Diese Faktoren dürften bei der Bewertung eine wichtige Rolle spielen, auch wenn die Substanz der Bahngesellschaft oberhalb der zuletzt auf OTC-X gestellten Geldkurse von 405 CHF liegt. Auf dieser Kursbasis beträgt die Marktkapitalisierung lediglich 1.6 Mio. CHF und ist damit erheblich unter dem in der Bilanz per 31.12.2014 ausgewiesenen Eigenkapital von 7.2 Mio. CHF.

Aus Sicht der Minderheitsaktionäre ist die komplette Übernahme der Harderbahn AG und der Bergbahnen Lauterbrunnen-Mürren AG durch die Jungfraubahn-Gruppe möglicherweise aus sentimentalen Gründen wenig wünschenswert. Strategisch und aus einer betriebswirtschaftlichen Perspektive erscheint dieser Schritt jedoch folgerichtig und sinnvoll. Denn so lassen sich kostspielige Doppelspurigkeiten in der Verwaltung, darunter auch die Generalversammlungen der Gesellschaften, vermeiden. Hinzu kommt, dass die aufwendige Registrierung der Inhaberaktionäre möglicherweise entfällt.

Es ist denkbar, dass die Aktionäre beider Gesellschaften im Rahmen eines Übernahmeangebotes nicht (nur) Bargeld erhalten, sondern auch Aktien der Jungfraubahn Holding AG. So könnten sie weiterhin indirekt an „ihrer“ Bahn beteiligt bleiben. Entscheidend ist, dass es am Ende des Weges eine faire Übernahmeofferte sowohl für die Aktionäre von Harderbahn AG als auch Bergbahnen Lauterbrunnen-Mürren AG gibt.

Die Bergbahn Lauterbrunnen-Mürren AG hat 4’000 Inhaberaktien zu nominal 450 CHF im Umlauf. Bei der Harderbahn AG ist die historisch gewachsene, zweigleisige Kapitalstruktur mit unterschiedlichen Nennwerten der Aktiengattungen noch aus der Gründungszeit der Gesellschaft ungleich komplizierter. Das ursprüngliche Gründungskapital der als „Société du Chemin de Fer Funiculaire d’Interlaken au Harder“ im Jahr 1905 gegründeten Gesellschaft lag bei 700’000 CHF, zunächst eingeteilt in 1’400 Inhaberaktien à 500 CHF. Später folgten in separaten Emissionen weitere Kapitalerhöhungen zum Ausbau der Gesellschaft. Durch GV-Beschlüsse in den Jahren 1928 und 1940 wurde das Gesellschaftskapital in zwei Schritten herabgesetzt. Der Aktiennennwert der Gründungsemission reduzierte sich in zwei Schritten von 500 CHF über 100 CHF (1928) auf nur noch 5 CHF (1940). Die Stückzahl von 1’400 Aktien dieser Gründungsemission ist jedoch geblieben – bis heute. Heute ist das Aktienkapital der Harderbahn eingeteilt in 1’400 Inhaberaktien zu nominal 5 CHF – entsprechend der Gründeraktien – sowie 13’960 Inhaberaktien zu nominal 50 CHF aus späteren Kapitalerhöhungen. Insbesondere die kleinen „Gründeraktien“ à 5 CHF nominal sind auch extrem illiquide: Seit 2006 (!) wurden auf OTC-X gerade einmal 52 (!) Aktien im Gesamtwert von knapp 1’000 CHF (!) „gehandelt“. 

Legt man bei der Harderbahn AG ein moderates Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) von nur 12 und einen Gewinn pro Aktie von 58 CHF (auf Basis eines „betriebswirtschaftlichen Jahresgewinns“ von 823’000 CHF analog zum Ausweis im Jungfraubahn-Geschäftsbericht 2014) zugrunde, so könnte der Preis für eine Inhaberaktie zu nominal 50 CHF etwa 700 CHF betragen. Unterstellt, dass die Harderbahn auch in den nächsten Jahren dynamisch wächst und so zum Erfolg der Jungfraubahn-Gruppe beiträgt, könnte der Preis sogar noch darüber liegen. Angesichts eines künftig zu erwartenden besseren Geschäftsverlaufes wären durchaus auch höhere Werte als 700 CHF denkbar. Zum Vergleich: Die Aktien der Jungfraubahn-Gruppe werden bei Kursen um die 92 CHF – auf Basis des 2014er Gewinns von 5.20 CHF je Aktie – mit einem KGV von immerhin 17 gehandelt.

Aktionäre sollten daher bei Kursen von 356 CHF (OTC-X-Geldkurs vom 22.01.2016) keinesfalls verkaufen, sondern das Angebot abwarten. Wir rechnen damit, dass dieses im Bereich von 600 bis 800 CHF je Inhaberaktie zu nominal 50 CHF (bzw. 60 bis 80 CHF je 5 CHF nominal) liegen könnte.

Nicht ganz so gut schätzbar ist ein möglicher Wert für die Aktien der BB Lauterbrunnen-Mürren. Hier könnte die Bewertungsmethode ausschlaggebend sein: Gemessen an der Substanz dürfte ein möglicher Übernahmepreis bei etwa dem 1-fachen des Eigenkapitals liegen – und damit bei 1’800 CHF je Inhaberaktie. Wir erwarten allerdings hier einen tieferen Übernahmepreis, da bei der Berechnung des Ertragswertes die Abgeltung durch die öffentliche Hand einen wichtigen Einfluss auf die Ertragslage hat. Dennoch sollten Aktionäre ihre Titel bei Kursen von 405 CHF, die derzeit auf OTC-X geboten werden, keinesfalls verkaufen, sondern das Angebot abwarten. Wir werden bei Vorlage des Angebotes noch eine Einschätzung abgeben.

1 Kommentar

  1. Die Harderbahn AG ist eine sehr attraktive Gesellschaft. Eine fairer Übernahmepreis müsste klar über 800 CHF liegen, vermutlich etwa um 1000 CHF pro Aktie. Dies aus folgenden Gründen:

    -sehr gute Lage der Bahn in Interlaken (kurze Anreise und maximale Aussicht)

    -nur Sommerbetrieb, kein kostenintensives und risikoreiches Wintergeschäft

    -Darlehen von 3,2 Mio. CHF (Bilanz 31.12.2014) an JBH Holding nicht betriebsnotwendig, flüssige Mittel

    -Grund und Boden vollständig im Besitz der Bahn (keine Ausgaben für Überfahrrechte, höhere Marge)

    -künftige Investitionen von je 800’000 CHF in den letzten Jahren bereits der Erfolgsrechnung belastet, erhöht zukünftigen Gewinn, steuerlich wurden die Aufwände nicht akzeptiert (243’828 CHF Steueraufwand bei 61’381 CHF Jahresgewinn gemäss Erfolgsrechnung 31.12.2014 im Geschäftsbericht der Harderbahn AG).

    Bei einem KGV von 12 (Annahme Gewinn 900’000 CHF, KGV könnte auch höher sein aufgrund des sehr guten Risikoprofils / Vergleich JBH Holding AG) und unter Berücksichtigung der nicht betriebsnotwendigen Mittel und wohl vorhandenen stillen Reserven wäre ein Unternehmenswert von 14-15 Mio. CHF realistisch, entsprechend ca. 1’000 Franken pro Aktie.

    Interessant wird in diesem Zusammenhang auch sein, ob Aktionäre von Art. 105 FusG Gebrauch machen.

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