Börsengänge Schweiz: Erfolgreicher IPO-Jahresauftakt – VAT Rekord-Platzierung von 540 Mio. CHF, Aktie steigt zweistellig

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VAT ist ein internationaler Hersteller von Vakuumpumpen. Bild: www.vat.ch
VAT ist ein internationaler Hersteller von Vakuumventilen. Bild: www.vatvalve.com

Nach einem absolut stillen ersten Quartal im Primärmarkt der Schweizer Börsen sorgte die überzeichnete und auch bei internationalen Investoren begehrte VAT-Aktie zuletzt für eine deutliche Aufhellung der Stimmung. Vor allem begeisterten die klare Marktführerschaft im Bereich der technischen Vakuumventile, ein Wachstumsmarkt, sowie die starke Performance der Aktie im after-market. Damit ist das erste von den 5 bis 6 IPOs in der Schweiz erfolgt, welche die befragten Experten der Schweizer konsortialführenden Banken im Januar für 2016 erwartet haben.

VAT IPO setzt Massstäbe

Die Konsortialführer UBS und CS platzierten mit Unterstützung durch JP Morgan, Bank Vontobel und Berenberg insgesamt 13.8 Mio. Aktien inkl. Green Shoe zu 45 CHF je Aktie, am oberen Rand der Preisspanne. Daraus errechnet sich ein Emissionserlös von 540 Mio. CHF – oder umgerechnet 621 Mio. Euro. Und damit ist die VAT-Emission die volumenmässig höchste in ganz Europa in diesem Jahr, bis zum jetzigen Zeitpunkt! Die Börsenbewertung auf dieser Basis lag somit zum Börsengang bei 1.35 Mrd. CHF, etwas niedriger als die zuvor zirkulierten Zahlen von 1.5 Mrd. CHF. Auf Basis des Eröffnungskurses von 52 CHF stellte sich die Bewertung allerdings bei 1.56 Mrd. CHF ein. Eine kluge Emissionsstrategie, die auch die Erstzeichner glücklich macht und damit eine fortgesetzt gute Aktienperformance ermöglicht. Die Aktie wurde auch in den SPI-Index aufgenommen, letzte Notierung war 55.20 CHF. 2015 war der Umsatz von VAT um 13% auf 411 Mio. CHF gestiegen. Hohe Marktanteile sowie eine kontinuierliche Nachfrage der Industriekunden führen zu einer weiterhin guten Prognose. Solche „Hidden Champions“ braucht die Schweizer Börse.

Cybersecurity-Aktie WiSeKey-Listing bereichert Kurszettel

Seit dem 31. März ist auch die Aktie des Cybersecurity-Unternehmen WiSeKey durch ein Listing an der SIX kotiert. Der Eröffnungskurs lag bei 12 CHF, entsprechend einer Marktkapitalisierung von 176 Mio. CHF. Doch diesen Kurs sah die Aktie nur ein Mal. Zwischenzeitlich ist der Kurs bis auf 4.26 CHF durchgesackt. Dies ist auch insofern relevant als der Titel gleich in den SPI aufgenommen worden war, wenngleich mit niedriger Gewichtung. Nachdem das Unternehmen nun börsennotiert ist, sollen 60 Mio. CHF durch nicht näher spezifizierte „hochkarätige institutionelle Investoren“ als Eigenkapital in das weitere Wachstum investiert werden.

Schweizer IPO-Markt im globalen Umfeld

Wie sich bereits in der Analyse der Quartalssequenzen 2015 gezeigt hat, ist der IPO-Markt von den USA ausgehend bereits seit Mitte 2015 stark rückläufig. In Europa war Q IV 2015 noch relativ stark, doch ist Anzahl wie Volumen der Börsengänge in Q I 2016 ebenfalls im freien Fall. Wie die ZKB in ihrem IPO Newsletter aufzeigt, gab es in Q I 2016 in Europa nur 28 IPOs, der schwächste Wert seit 2009, mit einem Volumen von gerade noch 4 Mrd. Euro. Der Vorjahreswert lag noch bei 17 Mrd. Euro. An der trendbestimmenden Wall Street waren es nur 24 IPOs, das Volumen lag mit 1,4 Mrd. US-Dollar sogar unter dem europäischen Niveau!

Anzahl Börsengänge in Europa und den USA. Quelle: IPO-Newsletter Q1 2016

Bei der von Ernst & Young angestellten globalen Betrachtung wurden für Q I 2016 insgesamt 167 IPO-Transaktionen (-39%) erfasst. Das Volumen bewegte sich bei 12,1 Mrd. US-Dollar (-70%). Asien ist das neue Zentrum der IPO-Aktivität, 54% des globalen IPO-Volumens und 61% der Transaktionen entfallen auf den bevölkerungsreichsten Kontinent.

Sprache der Märkte

Der Start ins Börsenjahr 2016 war schwierig. Die Baisse bei Öl und Rohstoffen, Befürchtungen über die wirtschaftliche Abschwächung in China, Verwerfungen an den Devisenmärkten, der Bankencrash und brutale Verkaufswellen bei Aktien hatten alle wichtigen internationalen Aktienindizes kräftig ins Minus gedrückt. Das ist kein ideales Umfeld für Börsengänge, sodass der schwache Auftakt an den europäischen IPO-Märkten zu einem Teil auch einfach auf die schlechte Börsenstimmung zurückzuführen ist. Umso aussagekräftiger ist eine genauere Betrachtung der Sektoren, die trotzdem den Weg an die Börse gefunden haben. Zwei Drittel der IPOs an den europäischen Börsenplätzen kommen in der Volumenbetrachtung aus nur zwei Industrien. In einer Fortsetzung des Trends seit Q II 2015 entfallen mit 1.4 Mrd. Euro 37.8% des Emissionsvolumens auf Finanzwerte. Das Volumen von 1.1 Mrd. Euro bei den Industrieunternehmen stellt dagegen eine starke prozentuale Steigerung auf 30.3% dar, gegenüber 18.7% im Schnitt der vorherigen Quartale. An Bedeutung verloren haben insbesondere das Gesundheitswesen mit 1.1% und Telekommunikation mit 0.3%. Auf Technologie entfallen übrigens fast unverändert lediglich 5% Volumenanteil, was den angeblichen Technologieboom ziemlich entmystifizieren dürfte. Die eigentliche Botschaft ist aber, dass der Börsenzyklus bereits weit vorangeschritten ist, denn ein so hoher Anteil an Finanzwerten bei den IPOs ist das spätzyklische Symptom schlechthin. Das Bild in den USA ist abweichend davon, sowohl Technologie als auch Gesundheitswesen spielen hier unverändert eine Führungsrolle am geschrumpften IPO-Markt.

Zeit der Finanzinvestoren

Vom VAT-Börsengang profitieren in erster Linie die Mehrheitsaktionäre, die beiden Schweizer Private Equity Investoren CapVis und Partners Group. Die anderen grösseren Börsengänge in Europa zeigen ein ähnliches Bild. Die britische Metro Bank war von dem Real Estate Developer Vernon Hill und Freunden erst 2010 gegründet worden, als Reaktion darauf, dass die etablierten Banken infolge der Finanz- und Bankenkrise viele Niederlassungen schliessen mussten. Clydesdale and Yorkshire Bank Chains (CYBG), ein weiteres IPO in London, war vor allem für die Muttergesellschaft National Australia Bank (NAB) vorteilhaft. CMC Markets, die „spread-betting company“ des London Tycoons Peter Cruddas, ging ebenfalls in London an die Börse und machte den Ex-Treasurer der konservativen Partei um einige hundert Millionen Pfund Sterling reicher.

Ausblick

Wie üblich am Primärmarkt mit all seinen Reglementierungen und Restriktionen, es ist nichts Neues über Börsenkandidaten in der Schweiz bekannt geworden. Zur Erinnerung: Auch das jetzt zelebrierte VAT-IPO war noch am Jahresanfang für die Öffentlichkeit gänzlich unbekannt, die Gesellschaft sowieso. Ob Ernst & Young, PwC oder die Banken in der Schweiz, die Prognosen zum helvetischen IPO-Markt sind verhalten. 5 bis 6 könnten es werden, so der Konsens der Experten. Finanz- und Immobilienwerte dürften bestimmt vertreten sein, vielleicht auch Biotechnologie und Fintech/Cybersecurity/Robotik, auf jeden Fall Industrien, die bei Investoren „in“ sind. Gut möglich ist allerdings auch, dass VAT aus Sicht der Erstzeichner schon der Höhepunkt des Jahres gewesen ist.

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