Walter Oberhänsli, CEO Zur Rose Group: „Fällt das Rabattverbot, würde dies dem Geschäft starken Auftrieb geben“

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Walter Oberhänsli, CEO der Zur Rose Group AG. Bild: zvg
Walter Oberhänsli, CEO der Zur Rose Group AG. Bild: zvg

Nach mehrmonatiger Investorensuche hat die Zur Rose Group vor zehn Tagen bekannt gegeben, dass sich die in Zug ansässige Corisol Holding der Familie Frey an dem Medikamentenversandhändler beteiligen wird. Corisol ist in der Schweiz an kotierten Firmen wie Schweiter, Inficon sowie Datacolor und Comet beteiligt. Ausserdem ist das von Vanessa Frey geführte Family Office auch in Vietnam sowie nichtkotierten Firmen und Start-ups beteiligt. Zur Rose-CEO Walter Oberhänsli sagt im Interview mit schweizeraktien.net, dass der Investitionsansatz von Corisol mit der langfristigen Wertorientierung von Zur Rose übereinstimme. Ausserdem erläutert er den Fahrplan für die Kapitalerhöhung und spricht über das Potenzial, das sich für DocMorris ergibt, wenn das Rabattverbot für rezeptpflichtige Medikamente (RX) im EU-Raum fällt.

Herr Oberhänsli, im Januar haben Sie in einer Medienmitteilung bekannt gegeben, dass Sie einen Investor suchen. Warum hat sich die Suche nun so lange hingezogen?

Für uns war es wichtig, einen Ankeraktionär an Bord zu haben, der zu unserer Unternehmensphilosophie passt und sich langfristig engagiert. Ein solcher Evaluationsprozess ist erfahrungsgemäss zeitintensiv. Mit Corisol haben wir den richtigen Investor gefunden, der unsere Wachstumsstrategie und die Ärzteverankerung unterstützt.

Ursprünglich war geplant, bereits an der Generalversammlung vom 9. Juni die Stimmrechtsbeschränkung aufzuheben. Warum wurde dieses Traktandum kurzfristig zurückgezogen, wenn Sie doch eine Woche später schon Details zur Transaktion bekannt geben konnten?

Diese Statutenänderung ohne die Bekanntgabe des Ankeraktionärs zu beantragen, wäre wenig sinnvoll gewesen. Wir haben das Traktandum deshalb auf die ausserordentliche Generalversammlung vom 1. September verschoben.

Mit welcher Art Investoren haben Sie noch gesprochen, und was hat den Ausschlag dafür gegeben, dass Sie sich für Corisol entschieden haben?

Der Investitionsansatz von Corisol stimmt mit unserer langfristigen Wertorientierung überein. Überdies ist Corisol um die Familie Frey ein unternehmerisch denkender Investor, der durch seine breit diversifizierten Beteiligungen auch entsprechende Erfahrungen mitbringt. Diese Gründe waren ein wichtiger Faktor, weshalb wir uns für Corisol entschieden haben. Gespräche führten wir im Vorfeld auch mit anderen Finanz- und strategischen Investoren.

Die erste Tranche der Kapitalerhöhung bringt nun 20 Mio. CHF. Wie sieht hier der Fahrplan bezüglich der Kapitalerhöhung aus?

Die Kapitalerhöhung wird nach der Aufhebung der Stimmrechtsbeschränkung von heute 3% und der Anpassung der Vinkulierungsbestimmungen vollzogen. Für diese Statutenänderung findet am 1. September 2016 eine ausserordentliche Generalversammlung statt. An dieser wird zudem Vanessa Frey, CEO und Verwaltungsratsmitglied der Corisol Holding AG, als neues Mitglied für den Verwaltungsrat der Zur Rose Group AG vorgeschlagen.

Bis wann soll die 2. Tranche gelöst werden, und können Sie konkrete Angaben zu den Meilensteinen machen?

Darüber haben wir mit Corisol Stillschweigen vereinbart.

Wie werden Sie das Kapital verwenden?

Erstens möchten wir die Marktführerschaft im Segment der rezeptpflichtigen Arzneimittel in Deutschland mit geeigneten Marketingaktivitäten weiter ausbauen. Zweitens beabsichtigen wir, das Wachstum der rezeptfreien Medikamente (OTC) in Deutschland durch gezieltes Onlinemarketing zu beschleunigen. In diesem Geschäftsfeld findet eine starke Marktdynamik statt, was sich auch am starken OTC-Wachstum von DocMorris von über 30 Prozent seit Anfang Jahr zeigt. Und drittens steht in der Schweiz die Omnichannel-Strategie durch die Verknüpfung von Versand- und stationärem Geschäft im Fokus der Wachstumspläne.

Im nächsten Jahr wird auch die Obligationenanleihe fällig. Werden Sie eine neue auflegen, was ja angesichts der tiefen Zinsen interessant sein dürfte?

Zur Obligationenanleihe möchten wir zum heutigen Zeitpunkt nicht spekulieren. Aber wir werden die Möglichkeit der Refinanzierung durch die Ausgabe einer neuen Anleihe angesichts der derzeit tiefen Zinsen mit Sicherheit prüfen.

Der EU-Generalanwalt Maciej Szpunar hat gesagt, dass seiner Ansicht nach Boni auf rezeptpflichtige Arzneimittel zulässig sein sollten. Bis wann rechnen Sie mit einem definitiven Urteil, und wie sehen die Folgen für DocMorris aus, wenn Sie künftig wieder Arzneimittel mit Boni versenden dürfen?

Das Urteil ist im zweiten Halbjahr zu erwarten. Falls das Rabattverbot fällt, würde dies diesem Geschäftsfeld sicherlich starken Auftrieb geben. Bis 2012, das heisst vor der Festpreisverordnung, ist DocMorris im Bereich der rezeptpflichtigen Arzneimittel um rund 10% im Jahr gewachsen.

Wie weit ist das elektronische Rezept in Deutschland? Das Thema ist aktueller denn je, und die Notwendigkeit und Dringlichkeit der Digitalisierung des Rezeptprozesses scheint nun auch auf höchster Ebene angekommen zu sein. Bundesgesundheitsminister Gröhe sprach sich im April für eine schnelle Einführung des elektronischen Rezepts aus, da es die Arzneimitteltherapiesicherheit erhöhen, für effizientere Arbeitsabläufe und Kostenersparnisse sorgen würde. Wir glauben, dass die Zeit in Deutschland jetzt reif ist. Und wir sind bereit.

In den letzten drei Jahren haben Sie immer wieder Rückschläge zu verzeichnen gehabt. Nun sieht es danach aus, dass Sie vorbereitet sind, um in den Wachstumsmodus schalten zu können. Wo sehen Sie in den kommenden Jahren die grössten Herausforderungen?

Die steigenden Kosten im Gesundheitswesen werden die grösste Herausforderung sein. Fakt ist: Die Menschen werden älter, immer mehr Patienten sind chronisch krank oder sogar multimorbid, so dass sie mehrere Arzneimittel parallel einnehmen müssen. Ich bin überzeugt, dass in der konsequenten Digitalisierung der Prozesse im Gesundheitswesen ein grosses Potenzial liegt. Man denke da an das elektronische Rezept, das neben der Erhöhung von Transparenz und Sicherheit auch erhebliche Convenience-Vorteile bietet. Wichtig ist, die Schnittstelle zwischen Arzt und Apotheker im Sinne eines Medikationsmanagements zu schliessen. Dann können auch Folgekosten, wie sie etwa durch Doppel- oder Falschverordnungen entstehen, vermieden werden.

Wie verlief der Start in das laufende Geschäftsjahr, und welches Ergebnis visieren Sie an?

Wir sind gut unterwegs, mehr möchte ich vor der Publikation des Halbjahresergebnisses im August nicht verraten.

Mit dem neuen Investor und dem frischen Kapital wollen Sie nun wichtige Wachstumsschritte finanzieren. Wird dies Auswirkungen auf Ihre Dividendenpolitik haben?

Die Ausschüttungen werden weiterhin direkt mit dem Gesamtergebnis korrelieren.

Obwohl die Bekanntgabe des neue Grossinvestors für die Zur Rose-Gruppe länger gedauert hat als erwartet, so ist die getroffene Wahl aus Sicht der bisherigen Aktionäre zu begrüssen. Mit Corisol steigt ein unternehmerisch denkender Investor ein, der unter Schweizer Nebenwerte-Investoren kein Unbekannter ist und daher eine entsprechende Expertise für dieses Marktsegment mitbringt. Zudem hat Corisol in den letzten Jahren unter der Führung von Vanessa Frey zahlreiche Erfahrungen mit Investments in Start-up-Unternehmen bzw. schnell wachsenden Firmen gesammelt. Hinzu kommt, dass der neue Investor zwar der grösste Einzelaktionär von Zur Rose sein wird, aber nicht die Mehrheit und damit die Kontrolle über die Gesellschaft übernimmt. Auch der Preis von 40 CHF pro Aktie, der im Rahmen der im September stattfindenden Kapitalerhöhung gezahlt werden soll, entspricht mit einen Unternehmenswert von über 160 Mio. CHF einer fairen Bewertung und liegt auch über unseren Erwartungen. Bei diesem Preis ist auch die Verwässerung für die Altaktionäre, sofern die Bezugsrechte wie laut den Statuten möglich vom Verwaltungsrat ausgeschlossen oder Dritten zugewiesen werden, nicht allzu gross. Das Investment der Corisol Holding ist gleichzeitig auch ein Indiz dafür, dass die erfahrene Unternehmerfamilie an eine erfolgreiche Zukunft von Zur Rose glaubt und hier bereit ist, in zwei Tranchen deutlich höhere Einstiegskurse als die bisher auf OTC-X gezahlten Preise zu bezahlen. Für längerfristig orientierte Investoren dürften daher auch Kurse um die 31 CHF, welche zuletzt auf OTC-X für Zur Rose-Aktien gezahlt wurden, noch einen interessanten Einstieg darstellen. Wer längerfristig investiert bleiben möchte, sollte diese unter dem Preis von 40 CHF liegenden Kurse auch nutzen, um durch Zukäufe eine Verwässerung seiner Beteiligung auszuschliessen. Allerdings muss ein Aktionär hier sicherlich einen Zeithorizont von zwei bis drei Jahren einkalkulieren, bis er z.B. bei einem möglichen Börsengang deutliche höhere Kurse sehen wird. In dieser Zeit kann er auch noch auf die Zahlung einer Dividende hoffen, sofern es das Unternehmensergebnis zulässt. Allerdings sind die Risiken angesichts der dünnen Margen in diesem Geschäft und des schwierigen regulatorischen Umfelds auch nicht zu unterschätzen. Wer einen längeren Investmenthorizont nicht mitbringt, für den dürfte sich bei wieder steigenden Kursen im Vorfeld der Kapitalerhöhung auch eine attraktive Ausstiegsmöglichkeit über den ausserbörslichen Markt ergeben.

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