Direct Lending in der Schweiz: B2B-Kredite sparen Banken aus – Neue Anbieter am Markt

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Finanzieren und Investieren über die Crowd wird auch in der Schweiz immer beliebter. Bild: fotolia.de
Finanzieren und Investieren über die Crowd wird auch in der Schweiz immer beliebter. Bild: fotolia.de

Der technologische Wandel hat inzwischen auch den Kreditmarkt erfasst. Neue Fintech getriebene Angebote erreichen KMU und Investoren. Und wie sich zeigt, führt die Umgehung des traditionellen Intermediärs, der Kreditbanken, nicht nur in der Theorie zu mehr Transparenz und auch Effizienz.

Bei der Kreditvergabe an KMU durch Banken spielen viele Faktoren eine Rolle. Und viele dieser Faktoren haben wenig mit Marktwirtschaft zu tun, sondern vielmehr mit der Regulation. Zugegeben, es ist nicht einfach und auch kostenintensiv für die Banken, mit der Flut an Vorschriften, Gesetzen und Richtlinien zurechtzukommen. Es ist nur zu verständlich, dass ihre Kreditvergabepolitik die ihnen auferlegten Restriktionen widerspiegeln. Die für dieses Szenario Verantwortlichen, also die Zentralbanken, die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) und Legislativen müssen sich schon fragen (lassen), ob die Überregulierung wirklich den jeweiligen Volkswirtschaften mit den KMU als Rückgrat zum Vorteil gereicht oder nicht vielmehr einigen wenigen multinationalen Konzernen und deren Besitzern, den berühmten 1%, die mittlerweile weit mehr als die Hälfte der weltweiten Finanzaktiva unter ihre Kontrolle gebracht haben.

Auftritt der Fin-Techs im Kreditbereich

Unterhalb des Sammelbegriffes Fin-Tech findet sich als besonders wichtiges Segment der Kreditbereich. Die innovativen technologiebasierten Fin-Tech Start-ups schaffen Lösungen, die sehr viel kostengünstiger, automatisiert und transparent sind. In der teilweise hitzigen öffentlichen Diskussion wurde die Fin-Tech Revolution erst bagatellisiert, dann dramatisiert, und gegenwärtig lautet der Konsens, dass die Banken die Fin-Tech Unternehmen schlucken werden. Doch die Realität ist immer vielfältig und auch voller Überraschungen. Und wie schon Darwin wusste: Es sind nicht die Grössten, die überleben werden, sondern die Anpassungsfähigsten.

Marktakzeptanz als kritischer Faktor

Während es beträchtliches Kapital erfordert und zahlreiche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um mit einer neuen Bank zu starten, sind die Eintrittsbarrieren für Fin-Tech-Unternehmen denkbar niedrig. Wird die angebotene Lösung von vielen Konsumenten oder Marktteilnehmern rasch akzeptiert, weil sie Zeit und Geld spart, kann sich das Unternehmen auch schnell etablieren.

Swisspeers – Neuer Marktplatz für KMU-Kredite

Mit dem Markteintritt von Swisspeers im Juni 2016 kommt nun frischer Wind in den Schweizer KMU-Kreditmarkt. Nach kurzer Vorbereitungszeit sind schon erste Kreditgesuche online. Ziel ist es, den KMU Kredite durch andere Unternehmer oder institutionelle Investoren zu vermitteln, was in der zeitgemässen Terminologie Peer-to-Pee-Lending oder P2P genannt wird, obschon es sich streng genommen bei Swisspeers um Business-to-Business-Lending oder B2B handelt.

Auktionsbasiertes Verfahren

Swisspeers setzt auf eine Bonitätsanalyse und vergibt eigene Ratings. Quelle: www.swisspeers.ch
Swisspeers setzt auf eine Bonitätsanalyse und vergibt eigene Ratings. Quelle: www.swisspeers.ch

Dabei kommt bei Swisspeers eine auktionsbasierte Ermittlung des jeweiligen Zinssatzes zur Anwendung, womit der marktwirtschaftliche Gedanke im Kreditmarkt wiederbelebt wird. Ein Unternehmen sucht beispielsweise 100‘000 CHF für ein Jahr und legt den potenziellen registrierten Kreditgebern die für die Bonitätsprüfung erforderlichen Zahlen und Fakten offen. Diese geben dann Gebote über Teilbeträge von mindestens 5’000 CHF ab. Die für den Kreditnehmer günstigsten Gebote werden dann so gebündelt, dass das Kreditvolumen erfüllt wird. Allerdings ist der Kreis der Anleger auf maximal 20 pro Kreditgesuch begrenzt. Das ist der gesetzliche Schwellenwert, um nicht unter die strengen Regelungen des Obligationengesetzes zu fallen. Der Zinssatz wird entsprechend dem höchsten berücksichtigten Angebot festgesetzt. Das ist ein Marktzins, der diesen Namen auch verdient. Je nach Ratingklasse ist eine indikative Spanne vorgegeben, z.B. 2,75% bis 3,75% p.a. bei A oder 7% bis 9% bei C. Dies beinhaltet die 0,5% Administrationsgebühr p.a., die Swisspeers berechnet. Dazu kommen noch einmalig 2‘000 CHF Bearbeitungsgebühr, unabhängig von der Höhe des Kredits. Die Gebühr ist bei erfolgreicher Vermittlung fällig und wird vom Auszahlungsbetrag abgezogen, also beispielsweise 148‘000 CHF bei 150‘000 CHF Kreditvolumen. Es handelt sich ausschliesslich um zu amortisierende Kredite, d.h. die Schuld wird über die Laufzeit sukzessive in Raten zurückgezahlt. Alle Details sind klar und verständlich auf der Swisspeers-Website dargestellt und erklärt.

Erster Achtungserfolg bei der Marktakzeptanz

Doch ob das Angebot von Swisspeers wirklich genügend Kredit suchende Unternehmen und Anleger mobilisieren kann, muss sich erst noch erweisen. Kurz vor Ablauf der 20-Tages-Frist für die ersten drei Angebote ist eines voll finanziert, während zwei weitere nur zu 47% und 16% finanziert sind. Swisspeers kann die 20-Tages-Frist einmalig um weitere 20 Tage verlängern, aber ein Anspruch darauf besteht auf Seiten der Kreditsuchenden nicht. Bestimmt wird Swisspeers diese Option nutzen; immerhin dauert es seine Zeit, relevante Anleger zu erreichen und die anfänglich abwartende Haltung der meisten Marktakteure zu überwinden. Es wäre Swisspeers und dem Markt zu wünschen, dass die Plattform auch Akzeptanz findet und sich nachhaltig als Bereicherung für den Private Debt Markt etablieren kann.

Private Debt Markt gewinnt an Bedeutung

Auch der jüngste Remaco Direct Lending Report dokumentiert eine wachsende Bedeutung des privaten Kreditmarktes. Und innerhalb des Segments bevorzugen nach einer im Mai erhobenen Umfrage 64% der in diesem Bereich aktiven Investoren den Direct Lending Markt. Nach Einschätzung von Remaco birgt die Schweiz mit den vielen gut geführten und profitablen KMU ein grosses Potenzial, der Markt für Private Debt sei allerdings in den Vorjahren wegen der traditionell starken Bankenpräsenz nicht wirklich in Fahrt gekommen. Doch das könnte sich nun ändern, die Kreditvergabe an KMU sei auch in der Schweiz infolge der fortgesetzten Regulierungsinitiativen Basel III und Basel IV zunehmend restriktiver geworden, was sich wohl noch fortsetzen werde. Für Private Placements von Schuldtiteln spreche auch die geringere Ausfallwahrscheinlichkeit im Vergleich zu öffentlich platzierten Anleihen sowie die höhere Rendite.

Berater- und Vermittlermarkt expandiert

Mit der Smallbond AG ist ein weiterer Berater und Vermittler im Bereich Privatkredite an Schweizer KMU auf den Plan getreten. Neben den Privatdarlehen ab 5 Mio. CHF sind Mezzaninefinanzierungen und Exportfinanzierung weitere Schwerpunkte. Auch bei Smallbond werden die Privatdarlehen aus einem Kreis von maximal 20 Anlegern, vornehmlich Vermögensverwalter, finanziert. Laufzeiten sind 5-10 Jahre, wobei die Kredite endfällig sind. Je nach Bonitätsgrad und Laufzeit liegen die im Mai indizierten Zinssätze bei einem BBB- Rating bei 2,5% bis 4,1%.

Berater vs. Fin-Tech

Der Markt für Direct Lending wächst auch in der Schweiz. Allerdings entwickelt er sich doch anders, als zunächst erwartet und prognostiziert worden war. Das Crowdlending wächst durch den anfänglichen Basiseffekt zwar stark, doch das vermittelte Volumen 2015 betrug nur 7,9 Mio. CHF, wovon der grösste Teil auf Kredite an Privatpersonen entfällt. Daran mag jedoch auch die immer noch bestehende rechtliche Unsicherheit schuld sein, bekanntlich mögen ja Anleger nichts weniger als Unsicherheit, wie derzeit die Post-Brexit-Phase eindrücklich vor Augen führt. Die regulierungsbedingte Zurückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe an KMU ist dagegen, zumindest in der Schweiz, gar nicht so ausgeprägt, was vor allem daran liegt, dass mit Raiffeisenbanken, Regionalbanken und Kantonalbanken ein sehr dichtes Bankennetz gespannt ist, welches überwiegend im KMU-Bereich tätig ist (siehe auch Blog-Beitrag zum Branchentalk Regionalbanken). Dennoch gibt es sehr gute Gründe für Unternehmer, auf der Suche nach Finanzierungsalternativen auch neue Angebote und Innovationen zu prüfen und zu vergleichen. Nicht zuletzt ist auch der Zeitaufwand bei der Finanzierungssuche ein Faktor, der hohe Opportunitätskosten mit sich bringen kann. Ein guter Berater, der KMU und Anleger versteht und zusammenbringt, ist auch sein Geld wert. Die spannende Frage ist aber – weil vom technologischen Wandel getrieben -, ob sich Fin-Tech-Angebote, bei denen der Marktplatz weitgehend anonym bleibt und von Algorithmen gesteuert ist, im bisher stets von Personen und Persönlichkeiten dominierten Kreditgeschäft wird etablieren und durchsetzen können.

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