Daniel Antille, CEO SSE Holding: „Kauf der Orica-Firmen bringt uns die Marktführerschaft in Zentraleuropa“

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Daniel Antille, CEO der SSE Holding. Quelle: zvg
Daniel Antille, CEO der SSE Holding. Quelle: zvg

Der Walliser Sprengstoff- und Chemiehersteller SSE Holding AG vermeldete vor wenigen Tagen eine weitere Akquisition. Nachdem das Unternehmen bereits im 2013 eine grössere Übernahme im Ausland durchführte, folgt nun der nächste Expansionsschritt. Im Rahmen der Transaktion werden alle Gesellschaften und Aktivitäten von der international tätigen Orica-Gruppe in Deutschland, einschliesslich des Standorts Würgendorf, Polen, Tschechien und der Slowakei an die SSE übertragen.

Bei der Orica-Gruppe handelt es sich nach Firmenangaben um den weltweit grössten Hersteller für kommerzielle Sprengstoffe und Zündsysteme für Bergbau und Infrastruktur. Weltweit führend ist Orica auch als Anbieter von Produkten für den Berg- und Tunnelbau sowie von Natriumcyanid für die Goldgewinnung. Die Aktien der Orica AG sind an der australischen Börse kotiert. Orica ist gemäss den Aussagen des Regionaldirektors für Europa, Richard Brown, überzeugt, „dass die SSE zur Weiterentwicklung und zum Ausbau des mitteleuropäischen Geschäfts bestens gerüstet ist“. Orica will die SSE in ihrer europäischen Weiterentwicklung als sicherer und zuverlässiger Lieferant von Zündern, Emulsionsmitteln und Emulsionssprengstoffen unterstützen.

Eine Gefahr, dass der Kauf durch die Wettbewerbsbehörden blockiert wird, besteht nicht. Die Bezahlung des Kaufpreises erfolgt in cash. Auch wenn die Gesellschaft über genügend liquide Mittel respektive Kreditlinien verfügt, ist eine weitere Kapitalerhöhung „sehr wahrscheinlich“, wie Firmenchef Daniel Antille im Interview mit schweizeraktien.net sagte. Mit der Übernahme der Orica sind die Wachstumspläne der SSE noch nicht zu Ende, so Antille weiter. Für diese will sich die SSE mit der Kapitalerhöhung die entsprechende Flexibilität verschaffen.

Herr Antille, mit dem Kauf des Sprengstoffgeschäfts der Orica-Gruppe setzen Sie die Expansion ins europäische Ausland fort. Die Orica verfügt über einen Produktionsstandort in Würgendorf. Welche Produkte werden dort hergestellt?

In Würgendorf wird vor allem Dynamit produziert. Die Produktionsstätte ist eine der drei grössten in Europa. Weitere dort hergestellte Produkte sind Emulsionssprengstoffe.

Können Sie uns detailliertere Angaben zu den gekauften Gesellschaften machen?

Die erworbenen Gesellschaften sind vor allem im Bereich der Herstellung und des Verkaufs von Sprengstoffen tätig und verfügen über ein hervorragendes Vertriebsnetz. Sie werden die bisherigen Aktivitäten in den Bereichen Bohren und Minenbau ergänzen. Durch diese Angebotsausweitung wird SSE ein Marktführer in diesen Regionen.

Besteht das Risiko, dass der Kauf durch die Wettbewerbsbehörden abgelehnt wird?

Nein. Wir besitzen bislang in Deutschland keine Produktionsstandorte, so dass die Wettbewerbsbehörden nicht aktiv werden.

Wird durch die Übernahme der Produktionsstätte in Würgendorf der Standort Gamsen weniger wichtig für die SSE?

Unser Standort in Gamsen wird weiterhin mit Abstand der wichtigste Standort bleiben. In Gamsen wird unsere gesamte Produktpalette von den Sprengstoffen über Pharmaprodukte bis hin zu den zusätzlichen Stoffen hergestellt. Dies wird auch zukünftig so bleiben.

Werden dennoch – etwa aus Kostengründen – Teile der Produktion von Gamsen ins Ausland verlagert, und falls ja, welche?

Nein, es finden keine Verlagerungen statt. Sowohl in Gamsen als auch in Würgendorf wird die Produktionspalette vollständig erhalten bleiben. Von beiden Orten werden verschiedene Märkte beliefert mit anderen Produkten.

Besitzen Sie bereits andere Produktionsstandorte im Ausland, und wenn ja, wo?

Ja, wir besitzen kleinere Fabriken, die vor allem für die lokalen Märkte in Schweden und Polen produzieren.

Sie möchten die ausländischen Standorte zusammenführen, um so Doppelspurigkeiten zu eliminieren. Können Sie Angaben zu den erwarteten Kostensenkungen machen?

Wir haben diese Potenziale analysiert und bei der Kaufentscheidung berücksichtigt. Für mich sind diese aber nicht wichtig, da es nur sehr wenige Doppelspurigkeiten gibt. Viel bedeutender sind die Absatzmärkte, die Kunden und die Mitarbeiter, welche wir so erschliessen können. Wir konzentrieren uns hierbei auf die Erzielung eines langfristigen Mehrwerts für unsere Aktionäre zulasten der kurzfristigen Gewinnoptimierung.

Der Umsatz der neuen Gruppe beträgt rund 45 Mio. CHF. Können Sie Angaben zu der Profitabilität machen?

Die Gewinnmargen der neuen Gruppen sind aktuell tief. Ich gehe davon aus, dass wir die Margen bei Orica in den nächsten Jahren kontinuierlich steigern können.

Können Sie Angaben zum möglichen bezahlten Goodwill machen?

Der Goodwill ist für mich nicht wichtig. Wir werden durch die Akquisition zu einem Marktführer auf dem europäischen Markt mit einer Vorreiterrolle in Deutschland und einer wichtigen Stellung in Polen.

Sie informierten die Aktionäre darüber, dass als Folge der Übernahme möglicherweise eine Kapitalerhöhung stattfinden wird. Wäre es angesichts der aktuell tiefen Zinsen nicht günstiger, den Kauf über einen Kredit zu finanzieren?

Wir haben einen Teil des Kaufpreises über Kredite finanziert und den Rest aus unseren liquiden Mitteln bezahlt, die per Jahresende 2015 bei 28 Mio. CHF lagen. Die SSE ist eine Industriegruppe, die in den Jahren 2013 und 2016 jeweils Wachstumssprünge um 60% gemacht hat. Wir haben noch weitere Wachstumsprojekte, für welche wir uns eine finanzielle Reserve sichern möchten.

Hat die geplante Kapitalerhöhung einen Einfluss auf die Dividende der SSE Holding?

Die SSE hat in der Vergangenheit stets eine Dividende bezahlt. Hieran wird auch bei einer Kapitalerhöhung festgehalten.

Wie entwickelt sich das Geschäft der Sprengstoffe der SSE im 2016?

Das Sprengstoffgeschäft in der Schweiz ist, wie wir dies bereits ankündigten, rückläufig. Allerdings entwickelt sich der Export gut.

Wie ist die Situation bei der Chemiesparte im laufenden Jahr, die im letzten Jahr Sorgen gemacht hat?

Die Chemiesparte verzeichnet rückläufige Umsätze. Gleichzeitig haben wir enorme Fortschritte gemacht. So ist die Qualität unserer Aufträge und der neuen Produkte so hoch wie nie in den letzten zehn Jahren. Die Anzeichen für 2017 und 2018 sind gut. Wir haben den Tiefpunkt hinter uns.

Verläuft die Entwicklung bei Hamberger auch im 2016 ähnlich gut wie im 2015?

Unsere Feuerwerkssparte ist nur ein kleines Geschäftsfeld, die rund 3% der Gruppenumsätze erzielt. Die Feuerwerksverkäufe werden allerdings im 2016 rückläufig sein. Unsere neue Organisationsstruktur und die Fokussierung auf margenstarke Produkte wird einen positiven Einfluss auf den Geschäftsgang der beiden nächsten Jahre haben. Zudem besteht ein Synergiepotenzial zwischen dem Standort Wimmis und Würgendorf, welches wir nutzen werden.

Die Aktien der SSE Group werden auf der ausserbörslichen Handelsplattform OTC-X der Berner Kantonalbank (BEKB) gehandelt. Auf der Basis des letztbezahlten Kurses von 2’800 CHF weisen die Aktien bei einer Ausschüttung von 70 CHF eine attraktive Nettorendite von 2.5% auf. Die Zahlungen erfolgen für Privatanleger mit einem Schweizer Wohnsitz steuerfrei aus den Kapitaleinlagereserven.

Eine Bewertung der Papiere auf der Basis des Reingewinns erscheint angesichts der hohen Abschreibungen, welche die Gesellschaft regelmässig vornimmt, wenig aussagekräftig. Zudem befindet sich das Unternehmen in einer massiven Expansionsphase, welche eine Bewertung auf der Basis der Zahlen des letzten vorliegenden Abschlusses obsolet erscheinen lässt. Erst wenn die Übernahme der Orica-Gesellschaften komplett abgeschlossen und in den Geschäftszahlen der SSE enthalten ist, können detaillierte Aussagen zum fairen Wert der Gesellschaft gemacht werden. Die Transaktion dürfte indessen für beide Seiten lohnend sein und eine klassische Win-Win-Situation darstellen. SSE hat sich in der Vergangenheit stets auf die Herstellung von Sprengstoffen fokussiert, während die Zünder jeweils zugekauft wurden. Selbst für den Schweizer Heimmarkt ist die SSE als Wiederverkäufer von Zündmitteln, die von der Orica in Schweden hergestellt werden, tätig. SSE sichert sich mit der Akquisition den Zugang zu den Zündern, und Orica kann weiterhin Sprengstoffe für die Märkte Deutschland, Polen, Tschechien und Slowakei liefern, ohne dort jedoch selbst einen aufwendigen Vertrieb unterhalten zu müssen. 

Das laufende Jahr wird ein Transformationsjahr mit einem weiter anhaltenden Margendruck in den Stammhäusern. Allerdings setzt sich die positive Entwicklung im Ausland fort, so dass unter dem Strich ein Jahresergebnis in Vorjahreshöhe zumindest nicht unwahrscheinlich ist. Ab 2017 dürfte sich die Integration von Orica positiv auf den Geschäftsgang auswirken, auch wenn die Margen noch deutlich tiefer ausfallen werden als in den bisherigen Betrieben. Zudem ist dann auch die Reorganisation der Chemiesparte abgeschlossen, die nach einem weiteren eher schwachen 2016 zumindest wieder bessere Margen erzielen dürfte.

Erst wenn sich die Margenverbesserung in den Geschäftszahlen niederschlägt und die Orica-Gruppe einen positiven Deckungsbeitrag zu den Zahlen beisteuert, dürfte sich eine Neubewertung der Valoren aufdrängen. Bis zu diesem Zeitpunkt dürften keine grossen Kurssprünge zu erwarten sein. Allerdings zeichnet sich auch ab, dass der Kurs auf dem aktuellen Niveau den Boden gefunden hat. Nicht übersehen werden darf auch der hohe Substanzwert, der den Buchwert erheblich übersteigen dürfte. Die Papiere eignen sich daher zur Anlage für langfristig agierende Investoren. Als wenig wahrscheinlich erscheint trotz der möglichen Kapitalerhöhung eine Kürzung der Dividende, so dass die Titel besonders für Privatanleger in der Schweiz eine attraktive Rendite von 2.5% nach Steuern aufweisen.

Transparenzhinweis: Der Autor ist Aktionär der Gesellschaft.

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