Im Brennpunkt: Wie Schweizer Pensionskassen durch die Tiefzinsphase kommen und warum Alternative Anlagen wichtiger werden (sollten)

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Negativzinsen bedrohen das Vorsorgekapital und setzen die Pensionskassen unter Druck. Bild: Fotolia
Negativzinsen bedrohen das Vorsorgekapital und setzen die Pensionskassen unter Druck. Bild: Fotolia

Fast 800 Mrd. CHF beträgt das Anlagevermögen der 1’866 Pensionskassen in der Schweiz. Sie repräsentieren eine der drei Säulen, auf denen die Alters- und Hinterbliebenenversorgung beruhen. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Anlagepolitik von jeher langfristig ausgerichtet ist und unnötige Risiken zu vermeiden versucht. Doch angesichts niedriger bis negativer Zinsen sind die Pensionsverpflichtungen kaum noch mit Obligationen zu erreichen. Diverse Studien werfen ein Licht auf die veränderten Marktbedingungen und wie die Pensionskassen damit umgehen. Das ist auch für die über 5 Mio. Destinäre lehrreich und wissenswert, denn es ist ihr künftiger Lebensstandard, um den es geht.

Die grossen Kapitalsammelstellen wie Versicherungen und Pensionskassen agieren in aller Regel still und leise. Obwohl sie transparent über ihre Anlagestrategien und Asset-Allocation berichten, werden nur grosse Investments im Immobilienbereich oder bei privaten Anlagen in der Öffentlichkeit bekannt. Eine solche Schlagzeile lieferten die sonst eher ruhigen Pensionskassen, als der von UBS aufgelegte CEIS-Fonds 400 Mio. CHF von inzwischen 38 institutionellen Anlegern, vornehmlich Pensionskassen, einsammelte, um diese in Erneuerbare Energien ausserhalb des börsenkotierten Universums anzulegen.

Ausserbörsliche Investments in Erneuerbare Energien

Unter anderem erwarb der CEIS-Fonds bei einer Umplatzierung 8.7% an der im ausserbörslichen OTC-X Markt der Berner Kantonalbank (BEKB) gehandelten Wasserwerke Zug (WWZ). Für die zuvor an der SIX kotierte Repower war die Teilnahme des Fonds an einer notwendigen Kapitalerhöhung im Volumen von 60 Mio. CHF äusserst hilfreich, um Vertrauen für die 170 Mio. CHF Kapitalmassnahme zu bilden, denn die Altaktionäre waren nach den erlittenen Kursverlusten nur in geringem Masse bereit, frisches Kapital nachzuschiessen. Möglich war die Investition nur, weil zeitgleich die Entscheidung zur Dekotierung an der SIX getroffen worden war. Die Repower-Aktie wird seitdem ebenfalls auf OTC-X gehandelt. Beide Aktien haben seit dem Engagement um gut 20% zugelegt, allerdings in einem Umfeld, in dem Versorgeraktien erstmals seit Jahren wieder eine leichte Aufwärtstendenz zeigten. Wegen der Strompreiskrise denken auch etliche Versorger über den Teilverkauf ihrer defizitären Wasserwerke an institutionelle Investoren nach. Die sind interessiert, denn mit ihrer langfristigen Perspektive sehen sie, dass nach dem Abbau der Überkapazitäten am Strommarkt mit einer Normalisierung der Preise zu rechnen ist. Auch wenn die Renditen dann im einstelligen Prozentbereich liegen, tragen diese Aktivitäten doch langfristig zur Erzielung einer positiven Rendite bei und sichern so die Pensionsverpflichtungen.

Hoch gewichtete Obligationen mit negativer Renditeerwartung

Mit inländischen Obligationen guter Bonität ist schon seit Jahren keine positive Rendite mehr möglich. Selbst Unternehmen begeben Nullzinsanleihen. Dennoch erlauben es die Anlagerichtlinien nicht, Schweizer Anleihen auf null zu reduzieren. Mit 22.9% Gewichtung per Ende 2015 bei den an der Swisscanto-Umfrage teilnehmenden Pensionskassen liegt der Anteil Schweizer Obligationen allerdings auf historisch niedrigem Niveau. In der Swisscanto-Umfrage wird auch die Renditeerwartung für die nächsten 5 Jahre erforscht, und die liegt bei minus 1.5%. Nur wenig mehr wird von Fremdwährungsanleihen erwartet, ganze 0.3% in der 5-Jahresprognose. Fremdwährungsanleihen sind mit 10.4% gewichtet. Die höchste Renditeerwartung auf 5-Jahressicht betrifft Aktien Ausland mit 5.9%, gefolgt von Aktien Inland mit 5.0%. Ausländische Aktien sind in den Portfolios durchschnittlich mit 16.8% gewichtet, inländische mit 13.4%. Auf Obligationen entfallen somit 33.3%, auf Aktien 30.2%. 2005 hatte die Obligationenquote noch 38% betragen, während die Aktienquote sich kaum verändert hat. Die gewichtete Renditeerwartung für annähernd zwei Drittel des Anlagevermögens liegt somit im niedrigen einstelligen Prozentbereich, zu wenig um die Pensionsverpflichtungen langfristig erfüllen zu können.

Durchschnittliche Portfolio-Gewichtung Ende 2015, kombiniert mit erwarteten Renditen. Quelle: Swisscanto, Schweizer Pensionskassenstudie 2016

Zielrenditen werden nicht erreicht

Rechnet man noch die Immobilienanlagen hinzu, 20.2% Gewichtung für inländische und 1.7% für ausländische, mit 5-Jahresrenditeerwartungen von 2.1% und 3.7%, so wird offensichtlich, dass 94% der Anlagen im Wertpapierbereich und bei Immobilien gebündelt sind. Nur 5.3% entfallen auf Alternative Anlagen wie Private Equity, Hedge Fonds, Forstwirtschaft, dazu kommen 0.8% in Edelmetallen und Rohstoffen sowie 1.1% in Hypotheken. Insgesamt beträgt die auf Modellrechnungen basierende erzielbare Rendite auf Portfolio-Ebene 2.0%. Demgegenüber beträgt die Zielrendite 3.4%. Diese trägt dem Tiefzinsumfeld bereits Rechnung, noch im Vorjahr lag die Zielrendite bei 3.9%. 2006 hatte sie noch 5% betragen, seitdem wurde sie fortlaufend nach unten angepasst.

Zwang zu mehr Risiko, um Zielrendite zu erreichen, Quelle: Swisscanto, Schweizer Pensionskassenstudie 2016

Alternative Anlagen unterrepräsentiert

Bei nüchterner Betrachtung liegt die Quote der Alternativen Anlagen mit ca. 6% am Rande der statistischen Signifikanz. Selbst ein ausserordentlich gutes Abschneiden würde die Gesamtperformance kaum beeinflussen. 74% der Pensionskassen, die an der repräsentativen Umfrage von Swisscanto teilgenommen haben, investieren in Alternative Anlagen, durchaus mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Im Durchschnitt entfallen 0.8% auf Private Equity, 1.4% auf Hedge Funds, 0.2% auf Infrastruktur. 22% der Pensionskassen wollen die Gewichtung der Alternativen Anlagen in den kommenden Jahren erhöhen.

Anlageklassen 2014–2015. Quelle: Swisscanto, Schweizer Pensionskassenstudie 2016

 

Warum Harvard und Yale Traumrenditen erzielen

Doch vor 20 und auch vor 10 Jahren war das Bild nicht wesentlich anders. Die Quote war etwas niedriger, und es waren auch weniger Pensionskassen, die in Alternative Anlagen investierten. Damals wurden der globalen Pensionsfonds-Industrie die Augen dafür geöffnet, was mit Private Equity und Hedge Fonds für institutionelle Anleger möglich ist, als die Anlage-Stiftungen der Harvard University, der Yale University und weiterer institutioneller Investoren ihre langfristigen Performancezahlen bekannt machten. Diese zeigten, dass eine Portfolio-Gewichtung der Alternative Assets selbst im niedrigen zweistelligen Prozentbereich die Gesamtperformance signifikant verbessert. Die genannten Institutionen erzielten oft sogar Performanceraten von über 20% p.a., obwohl sie bestimmt nicht spekulativer anlegen als die Schweizer Pendants. Heute sind bei Yale über 30% in Private Equity investiert, bei Harvard 20%.

Zugang zu Top-Fonds

Worauf es vor allem ankommt, ist der Zugang zu den Top-Fonds der langfristig erfolgreichen Investoren. Mag sein, dass es für Harvard und Yale einfacher ist, Zugang finden, weil viele der Finanzmagnaten dort einst studierten und über teils obskure Bruderschaften immer noch eng vernetzt sind. Dennoch ist es nicht unmöglich. Zudem sind Adressen wie die Schweizer Partners Group genau darauf spezialisiert, für institutionelle Investoren diesen Zugang zu den Top-Fonds zu schaffen. Bedenkt man, dass Alternative Anlagen bei den Schweizer Pensionskassen immer noch krass unterrepräsentiert sind und welche beeindruckende Performance die Partners Group in den letzten 10 Jahren lieferte, muss man kein Hellseher sein, um eine Fortsetzung des Trends auf absehbare Zeit zu prognostizieren.

Harvard und Yale sind stark in Private Equity investiert.

Der demografische Faktor

Zwar können die Schweizer Pensionskassen unverkrampft mit der Situation umgehen, denn sie weisen, anders als viele angelsächsische Pension Funds, zum grossen Teil keine Unterdeckung aus (Ausnahme sind hier einige öffentlichen PKs) und haben auch die schwierigen Jahre abgesehen von 2008 durchwegs mit durchschnittlich positiven Performancezahlen geglänzt, wenngleich im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Dabei kommen auf die Pensionskassen zahlreiche Herausforderungen zu. Abgesehen vom schwierigen Zinsumfeld, das sich aber auch zum Besseren zu wenden scheint, ist es vor allem die demografische Entwicklung. Während noch 1948 auf einen Pensionär 6,2 Erwerbstätige kamen, sind es heut gerade noch 3,4, und in 20 Jahren werden es nur noch 2 sein. Zudem nimmt die Lebenserwartung ständig zu. Abgesehen von einer unrealistisch starken Zunahme der Performance bleiben zwei Stellschrauben: Kürzung der Leistungen wie z.B. durch die Reduktion des Umwandlungssatzes und Anhebung des Renteneintrittsalters. Beides ist problematisch und wird von einigen Parteien bekämpft.

Performancewerte 2005–2015. Quelle: Swisscanto, Schweizer Pensionskassenstudie 2016

Carbon-Risiken

Ein weiteres Problem besteht in den sogenannten Carbon-Risiken. Zwar hat das Bundesamt für Umwelt BAFU bereits Ende 2015 in einer eigenen Studie die Risiken für den Finanzplatz Schweiz erhoben, die allein für Investmentfonds auf 1 bis 6.75 Mrd. CHF beziffert werden, doch sind diese Risiken bei den weitaus meisten institutionellen Investoren noch gar nicht auf dem Radar. Zu recht kritisiert eine 2016 veröffentlichte Studie von WWF Schweiz und der britischen NGO ShareAction, dass es bei den Schweizer Pensionskassen beim verantwortungsvollen Investieren schwere Defizite gibt. Nach der eigenen Methodik gibt es keine Vorreiter und nur 5 Pensionskassen, die als Verfolger klassifiziert sind. Im oberen Mittelfeld sind es 8, im unteren 4. Befragt wurden 20 der grössten Adressen.

Kritikpunkt Dialogdefizite

Kritisiert wird, dass der Dialog mit den Unternehmen, in die investiert wurde, und mit den Mitgliedern zwar angestossen, aber in weiten Teilen unzureichend ist. Die Grundsätze zum verantwortungsvollen Investieren würden nur in wenigen Fällen publiziert. Zudem seien die konkreten Anlageentscheidungen überwiegend ausgelagert, und die Einhaltung der Richtlinien würde unzureichend geprüft. Bei Investmentstrategien wie Index-Tracking, was sehr verbreitet ist, werde trotz Ausschlusskriterien für einzelne Aktien passiv investiert.

Dennoch anerkennt die Studie das Interesse der Pensionskassen, die teilweise weitgehenden Selbstverpflichtungen und die angestossenen Prozesse zur besseren Implementierung trotz der Hindernisse bei der Umsetzung der Anlagerichtlinien für verantwortungsvolles Investieren.

Handlungs- und Änderungsbedarf

Trotz der relativ guten Position der Schweizer Pensionskassen ist ein Umdenken bei den Anlagestrategien genauso erforderlich wie im regulatorischen Regime. Sicherheit geht vor bei der Altersversorgung, doch was seit Jahrzehnten als sicher galt, Obligationen, ist heute ein Verlustgeschäft geworden, nicht zuletzt wegen der Liquiditätsschwemme durch die Notenbanken seit 2008. Mit Negativzinsen lässt sich die Altersversorgung der Schweizer jedenfalls nicht zufriedenstellend gewährleisten. Da auch Aktien und Immobilien inzwischen eine historisch hohe Bewertung erfahren, nicht zuletzt als Folge der Liquiditätsschöpfung, müssen Alternative Anlagen schon aus Sicherheitsgründen eine grössere Rolle spielen. Die in den letzten 20 Jahren gesammelten Erfahrungen in den Assetklassen Private Equity, Hedge Funds, Infrastruktur etc. sollten nun in kompetente Anlagestrategien umgesetzt werden, sollen die heutigen und zukünftigen Pensionäre nicht auf Lebensqualität verzichten müssen. Nachhaltiges Investment ist mehr als ein Schlagwort, die Pensionskassen als vielleicht wichtigste Anlegergruppe überhaupt sollten durch einen kultivierten Dialog mit Mitgliedern und Unternehmen den Verfassungsrang vermitteln, den der Ausgleich zwischen Naturverbrauch durch den Menschen und seine Massnahmen zu ihrer Regenerierung in der Schweiz hat.

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