Luftseilbahn Corviglia-Piz Nair: „Bergtausch“ und Umfirmierung in Diavolezza Lagalb AG, schwarze Zahlen im schwierigen Geschäftsjahr 2015/2016 – Erfolgreiche Kapitalerhöhung

0
4020
Engadiner „Bergtausch“: Die Diavolezza-Bahn gehört mit der Lagalb-Bahn künftig der heutigen AG Luftseilbahn Corviglia-Piz Nair, die in Diavolezza Lagalb AG umbenannt wird. (Bildquelle/Foto: Engadin St. Moritz Mountains – Andrea Badrutt)

Das am 31. Oktober 2016 beendete Geschäftsjahr 2015/2016 war für die nur selten ausserbörslich auf OTC-X gehandelte AG Luftseilbahn Corviglia-Piz Nair („Piz Nair-Bahn“) aufgrund der prekären Schneeverhältnisse eines der „schwierigsten der letzten 20 Jahre“ (Geschäftsbericht 2015/2016, S. 4). Die Frequenzen der Luftseilbahn waren im Vergleich zum Vorjahr um etwa 18% auf 195‘456 Personen rückläufig. Erstmals seit langer Zeit rutschte die Kennzahl „Frequenzen“ wieder unter die Marke von 200‘000 Personen. In den letzten 20 Jahren war bei den gemessenen Frequenzen – bezogen auf das gesamte Geschäftsjahr – nur das Geschäftsjahr 1996/1997 noch schlechter, als die Luftseilbahn insgesamt 176‘836 Personen transportierte. Bei einer isolierten Betrachtung der reinen Winterfrequenzen war 2015/2016 sogar noch deutlich schwächer als das bisherige „Annus Horribilis“ 1996/1997. Im Vergleich zum Vorjahr 2014/2015 lag der Winter-Rückgang sogar bei mehr als 27%, und nur ein etwas besseres Sommergeschäft (+9%) konnte von tiefer Basis aus noch Schlimmeres verhindern. Strukturell sind die Sommereinnahmen aufgrund ihres geringen Anteils von nur gut 14% (Vj. 11%) am gesamten Transportertrag von zuletzt 2.05 Mio. CHF nicht in der Lage, ein schwaches Wintergeschäft zu kompensieren. Die anhaltend schwierige Wechselkurssituation im Verhältnis zum Euro – das Engadin spürt den Gästeschwund aus Deutschland und Italien, aber auch das Abwandern Schweizer Gäste ins nahe Österreich besonders stark – kam zur ungünstigen Wettersituation mit dem späten Schneefall erschwerend hinzu.

Ergebnis dennoch positiv, aber wegen Neuausrichtung ohne Aussagekraft für die Zukunft

Ungeachtet dieser alles andere als einfachen Rahmenbedingungen: Der Verwaltung ist es bei einem um 13% auf 3.138 Mio. CHF rückläufigen Gesamtertrag dank umsichtiger Führung, Flexibilität und strikter Kostendisziplin erneut gelungen, auf allen Stufen der Erfolgsrechnung – EBITDA, EBIT, EBT und sogar beim Reingewinn – positive Zahlen zu erwirtschaften. Angesichts der erwähnten meteorologischen und makroökonomischen Widrigkeiten ist dies aus unserer Perspektive aufgrund des hohen Fixkostenanteils des sehr saisonalen Geschäfts mit Blick auch auf den Wettbewerb nicht selbstverständlich.

Das EBITDA lag 2015/2016 bei 815‘951 CHF, ein Rückgang um fast 20%. Beim EBIT fiel der Rückgang mit 28% auf 346‘665 CHF noch tiefer aus, blieb aber im positiven Bereich. Das gleiche gilt für das Betriebsergebnis vor Steuern (+42‘501 CHF, -45%) und den ausgewiesenen Reingewinn von +4‘214 CHF (-89%). Mit 491‘309 CHF war der operative Cashflow auch 2015/2016 deutlich positiv und im Vergleich zum Vorjahr nur um etwa 7% rückläufig. Allerdings war das schwierige Geschäftsjahr 2015/2016 zugleich das letzte Geschäftsjahr der „alten“ Piz Nair-Bahn. Die Zahlen haben damit für die Zukunft keinerlei Aussagekraft mehr.

Gesellschaft übernimmt Diavolezza- und Lagalb-Bahn und firmiert künftig als Diavolezza Lagalb AG

Die Piz Nair-Bahn steht in den kommenden Wochen vor einer Umfirmierung und einer damit verbundenen „geografischen Neuausrichtung“. Damit beginnt in Kürze eine neue Ära der Unternehmensgeschichte. Hintergrund ist ein auf Initiative der seit Generationen mit dem Engadin verbundenen Reeder-Familie Niarchos initiierter faktischer „Bergtausch“ respektive „Bahnentausch“ mit der ebenfalls in der Region tätigen Engadin St. Moritz Mountains AG. Bereits Ende Juni 2016 hatten wir auf www.schweizeraktien.net über diese Transaktionspläne berichtet (vgl. Blog-Beitrag vom 28. Juni 2016).

Der Plan sieht vor, dass die ebenfalls auf OTC-X gehandelte Engadin St. Moritz Mountains AG zum Vollzugsstichtag 1. Juni 2017 die heutigen Piz Nair-Anlagen im Rahmen eines „Assetdeals mit Aufpreiszahlung“ von der heutigen AG Luftseilbahn Corviglia-Piz Nair erwirbt. Im Gegenzug übernimmt die heutige Piz Nair-Bahn von der Engadin St. Moritz Mountains AG die Diavolezza-Bahn sowie die einst im Jahr 2007 – über die ehemalige Diavolezza-Bahn AG – in die Engadin St. Moritz Mountains AG (vorm. Bergbahnen Engadin St. Moritz AG) fusionierte Lagalb-Bahn sowie weitere mit diesen beiden Bahnen verbundene Nebengeschäfte im Rahmen eines „Assetdeals“.Damit wächst in St. Moritz auch zusammen, was geografisch schon länger zusammengehört: Die Piz Nair-Bahn liegt mitten im Gebiet Corviglia Marguns, das von der Engadin St. Moritz Mountains AG betrieben wird. Die Engadin St. Moritz Mountains AG ist ihrerseits historisch 2007 aus mehreren Bergbahn-Fusionen entstanden und hat ihre „gesellschaftsrechtliche DNA“ in der früheren Celeriner Bergbahnen AG. Über die genauen Konditionen dieser „Tauschgeschäfte“ haben die Parteien gemäss einer früheren Medienmitteilung vom Juni 2016 Stillschweigen vereinbart, was zumindest aus Sicht der an beiden Bahnen beteiligten Minderheitsaktionäre nicht besonders glücklich ist. Allerdings gehen wir davon aus, dass sich zumindest einzelne finanzielle Eckdaten der Transaktionen aus den kommenden Jahresabschlüssen beider Bahnen ableiten lassen.

Anlässlich der kommenden Generalversammlung vom 21. April 2017 soll die AG Luftseilbahn Corviglia-Piz Nair schliesslich in Diavolezza Lagalb AG (Traktandum 5 der Einladung) umbenannt und der Sitz von Silvaplana nach Pontresina verlegt werden, um so die eingetretene Veränderung sowohl im Namen als auch beim Gesellschaftssitz zu dokumentieren. Für die betroffenen Mitarbeiter ändert sich nur der Arbeitgeber: Alle Arbeitsverhältnisse werden mit den Bahnen gegenseitig vom jeweils anderen Partner übernommen. Mit dieser strategischen Weichenstellung für den Wintersport im Oberengadin – und einer erfolgreichen Kapitalerhöhung – ist auch der Weiterbetrieb der lange Zeit umstrittenen Lagalb-Bahn bis auf Weiteres sichergestellt.

Kapitalerhöhung zur Rettung der Lagalb über avisierte 1.43 Mio. CHF war überzeichnet – zweite Tranche über 870‘000 CHF soll zusätzliche Zeichnungswünsche bedienen

Voraussetzung für den Erfolg dieser Transaktionen war auch, dass sich im Publikum ausreichend neue Aktionäre finden, die bereit sind, sich ihrerseits im Rahmen einer Kapitalerhöhung an der „Rettung“ der Lagalb-Bahn im Verbund mit der Diavolezza-Bahn zu beteiligen. Der Verein Pro Lagalb hat sich hier besonders engagiert. Mit Beschluss vom 8. Dezember 2016 hatte der Verwaltungsrat der AG Luftseilbahn Corviglia-Piz Nair deshalb beschlossen, eine Kapitalerhöhung über 1.43 Mio. CHF zu lancieren und bis Ende Februar 2017 2‘860 neue Aktien zu je 500 CHF im Publikum zur Zeichnung anzubieten. Der Erfolg war dabei grösser als gedacht, wurden doch bis zum Ende der Zeichnungsfrist Aktien für 1.8 Mio. CHF gezeichnet. Um alle Zeichnungswünsche über die zunächst geplanten 1.43 Mio. CHF hinaus und auch weitere noch kommende Zeichnungswünsche zu bedienen, hat der Verwaltungsrat eine zweite Kapitalerhöhung über zusätzliche 870‘000 CHF beschlossen. In Summe soll das Aktienkapital in zwei Tranchen um insgesamt 2.3 Mio. CHF durch die Ausgabe von 4‘600 neuen Aktien erhöht werden, wovon ein Grossteil bereits fest gezeichnet ist.

Der Vollzug beider Kapitalerhöhungen steht unter dem Vorbehalt der Zustimmung der kommenden ordentlichen Generalversammlung vom 21. April 2017, bei der die Kapitalerhöhungen über 1.43 Mio. CHF (Traktandum 5.3) und 0.87 Mio. CHF (Traktandum 5.4) formell traktandiert sind. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse ist von der Zustimmung der Aktionäre auszugehen.

Ergänzungswahlen für den Verwaltungsrat – Erweiterung um lokale Persönlichkeiten

Anlässlich der Generalversammlung stehen mit der Neuausrichtung auch Ergänzungswahlen für den Verwaltungsrat an. Das Gremium soll von aktuell vier Personen auf künftig sechs Personen ausgeweitet werden. Markus Moser scheidet aus dem Verwaltungsrat aus. Die Herren Tramèr, Jurt und Klemm bleiben auch künftig im Verwaltungsrat vertreten. Hinzugewählt werden sollen mit Roland Hinzer, Suzanne Reber-Hürlimann sowie Thomas Christian Walther Persönlichkeiten mit einem engen Bezug zu Pontresina und zum Oberengadin.

In Kürze beginnt mit der Übernahme der Diavolezza-Bahn und der Lagalb-Bahn von der Engadin St. Moritz Mountains AG und der Abgabe der eigenen Piz Nair-Bahn eine neue Ära für die „Niarchos-Bahn“. Das wirtschaftliche und geografische Profil der Bahn ändert sich damit fundamental, und es kann heute kaum seriös prognostiziert werden, wie sich das Diavolezza-Gebiet mit der langjährigen „Problem-Bahn“ Lagalb aus einer ökonomischen Perspektive unter neuer Leitung künftig entwickeln wird. Dieses touristisch interessante Projekt birgt einige Chancen, aber auch Risiken. In der Vergangenheit hat der Verwaltungsrat der Piz Nair-Bahn, der überwiegend an Bord bleibt, mit dem operativen Team viele Dinge in die richtige Richtung gelenkt, wie die letzten Jahresergebnisse trotz schwieriger Rahmenbedingungen zeigen. Das lässt hoffen für die Zukunft. Allerdings ist das Gebiet Diavolezza Lagalb bei allen Reizen und der Anbindung nach Pontresina vom Profil kaum mit der Marke „Corviglia-Piz Nair / St. Moritz“ vergleichbar, was sicherlich Herausforderungen im Tagesgeschäft mit sich bringen wird. Aber auch in dieser Konstellation liegen Chancen – für Diavolezza Lagalb genauso wie für die Destination Pontresina. Das ruhigere, familienfreundliche Pontresina steht – aus unserer Sicht mit Blick auf die umgebende Landschaft und den Charakter des Ortes nicht gerechtfertigt – immer etwas im Schatten des mondänen St. Moritz und kann nun möglicherweise bei einem Erfolg der neuen Strategien verstärkt aus diesem Schatten treten. Das „neue alte“ Skigebiet Diavolezza Lagalb kann dann auch wieder eigenständig im Markt positioniert werden und nicht mehr als „Anhängsel“ von St. Moritz.

Die Aktien der nur noch wenige Wochen als AG Luftseilbahn Corviglia-Piz Nair und nach Umsetzung der GV-Beschlüsse dann als Diavolezza Lagalb AG firmierenden Gesellschaft sind „extrem illiquide“. Zuletzt wurden die Aktien im Oktober 2016 zu 380 CHF (20.10.2016) mit nur einer Aktie auf OTC-X gehandelt. Seit 2013 (!) lag der Gesamtumsatz auf OTC-X bei unter 8‘000 CHF. Bereits diese Umsatzstatistik zeigt, dass es sich faktisch um eine „Liebhaberaktie“ handelt. Das aktuelle Aktienkapital von 4’471’000 CHF ist eingeteilt in lediglich 8’942 vinkulierte Namenaktien zu 500 CHF, wobei die überwiegende Mehrheit der Aktien von der ursprünglich aus Griechenland stammenden, bekannten Reeder-Familie Niarchos gehalten wird. Mit den skizzierten beiden Kapitalerhöhungen über insgesamt 2.3 Mio. CHF (4‘600 neue Aktien à 500 CHF) erhöht sich das Aktienkapital um mehr als 50% auf 6‘771‘000 CHF oder neu 13‘542 Aktien. Auch für die neuen Aktien ist eine Vinkulierung vorgesehen. Die Mehrheitsposition der Familie Niarchos dürfte mit der breiteren Streuung der neuen Aktien im mutmasslich überwiegend lokalen Publikum verwässert werden, aber grundsätzlich erhalten bleiben.

An der letztjährigen Generalversammlung vom 29. April 2016 waren lediglich 36 Aktionäre mit 7‘890 Aktienstimmen anwesend, entsprechend einer Präsenz von etwa 88%. Es ist davon auszugehen, dass auch die Anzahl vertretener Aktionäre mit der Streuung der Aktien unter „Lagalb-Fans“ durch die Kapitalerhöhungen zunehmen wird und solche „intimen Versammlungen“ künftig der Vergangenheit angehören. Die diesjährige Generalversammlung findet am 21. April 2017 um 10.00 Uhr in der Mittelstation Murtèl der Corvatsch AG in Silvaplana/Surlej statt. Die auch auf OTC-X gelistete Corvatsch AG gehört – wie die AG Luftseilbahn Corviglia-Piz Nair – mehrheitlich ebenfalls zum Beteiligungsimperium der Familie Niarchos und übernimmt für die Piznair-Bahn die Verwaltung.

Die künftigen Diavolezza Lagalb-Aktien eignen sich aufgrund der speziellen Struktur und den wohl auf längere Sicht fehlenden Bardividenden vor allem für Anleger mit Bezug zum (Ski-)Gebiet Diavolezza Lagalb und zu Pontresina.

Transparenzhinweis: Dem Autor nahestehende Personen sind Aktionäre der Gesellschaft.

Kommentar verfassen