Dr. Kurt Aeberhard, VRP Linde Holding: «Die Ärzte müssen mit dem gewählten Modell in Zukunft leben»

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Dr. Kurt Aeberhard, VRP der Linde Holding Biel AG, bleibt jetzt „neutral“. Bild: zvg

Es ist derzeit nicht ganz so einfach, den Überblick beim Bieterkampf um die Bieler Privatklinik Linde zu behalten. Erst schliesst der Verwaltungsrat der Linde Holding Biel AG, in dem auch die Mehrheitsaktionäre vertreten sind, eine Transaktionsvereinbarung mit dem zur AEVIS-Victoria-Gruppe gehörenden Swiss Medical Network (SMN) ab. Dann kommt die Zürcher Klinikgruppe Hirslanden mit einem Gegenangebot. Obwohl die SMN ihr Angebot aufbessert und mindestens die gleichen Konditionen bietet, sprechen sich die Belegärzte plötzlich für die Offerte der Hirslanden-Gruppe aus. So berichtet es jedenfalls das Bieler Tageblatt (Online-Ausgabe vom 20.6.; bezahlpflichtig). Für einen Aussenstehenden ist dieses «Hüst und Hott» nicht ganz nachvollziehbar. Denn der Verwaltungsrat, der sich bisher für die Offerte von AEVIS ausgesprochen hatte, verhält sich nun plötzlich «neutral». Auf Nachfrage von schweizeraktien.net erklärt Verwaltungsratspräsident Dr. Kurt Aeberhard, warum der VR nun eine neutrale Haltung eingenommen hat. In einem Beitrag im Bieler Tagblatt hatte er schon dementiert, dass es einen Graben innerhalb der Aktionäre gäbe.

Welche Bedeutung hat die Transaktionsvereinbarung mit AEVIS/SMN? Ist der Verwaltungsrat, der auch die Mehrheitsaktionäre vertritt, nicht mehr an diese und damit auch an die Offerte von AEVIS/SMN gebunden?

Der Verwaltungsrat und die Linde Holding halten sich an Verträge. Das gilt auch für den Transaktionsvertrag mit AEVIS – wir haben das darin vorgesehene Prozedere für Konkurrenzangebote genau eingehalten. Und gemäss unseren Treueverpflichtungen gegenüber den Aktionären mussten wir sogar auf «neutral» schalten. Das heisst nicht, dass wir uns von AEVIS/SMN abwenden. Neutral ist neutral.

Wie unterscheiden sich die zwei Modelle der Bieter, und warum spricht sich die Mehrheit der Belegärzte offenbar für das Modell der Hirslanden-Gruppe aus?

Beide Modelle sind Top-Brands, beide Konzepte haben Vorteile für gewisse Ärzte – darum soll auch die Mehrheit der Ärzte entscheiden. Denn die Ärzte müssen mit dem gewählten Modell in Zukunft leben. Für den Verwaltungsrat der Linde ist wichtig, dass die erfolgreiche Strategie fortgeführt werden kann und die Klinik in zwei Jahren noch erfolgreicher dasteht als im «stand alone». Der gebotene Preis gibt dem Verwaltungsrat recht, dass die Klinik strategisch und wirtschaftlich hervorragend aufgestellt ist.

Warum ist der Verwaltungsrat der Linde Holding Biel AG nicht von Anfang an auf Hirslanden zugegangen, wenn die Ärzte nun auf einmal das Hirslanden-Modell attraktiver finden?

Ich kann nur wiederholen: Der Verwaltungsrat ist neutral und daher nicht für ein Modell. Und uns war und ist in erster Linie wichtig, dass es einen gut positionierten Partner für Linde gibt. Dies sind beide Gruppen. SMN/AEVIS ist auf Linde zugekommen, und es war für uns von Anfang an klar, dass wir nicht ein Heraufschaukeln wollten, sondern eine strategisch gute Lösung. Wir sind aber nicht naiv und mussten mit einem Konkurrenzangebot – von wem auch immer – rechnen. Deshalb haben wir im Transaktionsvertrag das Prozedere festgelegt und uns daran gehalten.

Wie lautet die aktuelle Empfehlung des Verwaltungsrates für die Kleinaktionäre, die nicht Belegärzte sind?

Bei unserer Haltung haben wir und mussten wir auch die Kleinaktionäre in Betracht ziehen, weil auch in Bezug auf diese Aktionärsgruppe die Angebote gleichwertig sind. Darum gilt auch hier: neutrale Haltung.

Der Aktienkurs auf OTC-X ist zwischenzeitlich auf 3’100 CHF gestiegen. Damit werden ausserbörslich die gleichen Preise bezahlt wie von den beiden Bietern. Allerdings fallen beim Verkauf über die Banken Transaktionskosten an. Bis zum morgigen 22. Juni haben die Aktionäre noch Zeit, sich für ein Angebot zu entscheiden. Die Nachfrist läuft anschliessend bis zum 12. Juli, so dass auch ein späteres Andienen nicht zum Nachteil führt. Während für die Belegärzte die Wahl des neuen Eigentümers sehr wichtig ist – schliesslich müssen sie mit diesem künftig zusammenarbeiten, er akquiriert ihre Patienten und handelt schlussendlich auch die Konditionen aus –, spielt dies für die übrigen Aktionäre keine grosse Rolle. Wer an das künftige Potenzial der börsenkotierten AEVIS-Victoria-Gruppe glaubt, kann zu besseren Konditionen seine Linde-Aktien in AEVIS-Titel tauschen. Diese sind allerdings bis Jahresende gesperrt, so dass er für diesen Zeitraum auch das Risiko von Kursrückgängen trägt.

Insgesamt ist die Linde Holding bei Preisen von 3’100 CHF für eine Aktie mit 108.5 Mio. CHF stattlich bewertet. Aktionäre, die schon länger dabei sind, können sich über einen schönen Kursgewinn freuen.

1 Kommentar

  1. Die Hirslanden-Gruppe hat den Übernahmekampf gewonnen. Wie die Linde Holding AG am heutigen 23. Juni in einer Medienmitteilung bekannt gab, wurden der Zürcher Privatklinik Hirslanden 64% der Aktien angedient. Das zur AEVIS Victoria-Gruppe gehörende Swiss Medical Network hat nur 28% der Aktien erhalten. Ziel von beiden Bietern war es, mindestens 50% der Anteile zu bekommen. Für alle Aktionäre, die bisher nicht angedient haben, läuft die Nachfrist noch bis zum 12. Juli. Sie sollen laut der Mitteilung auch nochmals separat angeschrieben werden.

    Zur Medienmitteilung: https://files.static-nzz.ch/2017/6/23/0cb1def3-957a-4acc-a3d8-c694708217b3.pdf

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