Im Brennpunkt: Abstimmung zum neuen Geldspielgesetz am 10. Juni – Pro und Contra

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Netzsperren vs. Prinzip der Freiheit im Netz. Wird durch die Sperrung ausländischer Online-Casinos, wie es das neue Geldspielgesetz vorsieht, ein inländisches Kartell geschaffen? Bild: tlists.com

Am 10. Juni ist das Schweizer Stimmvolk aufgerufen, über eine nun doch kontrovers erscheinende Gesetzesvorlage abzustimmen. Bis vor kurzem schien die mehrheitliche Zustimmung zum jahrelang vorbereiteten und diskutierten neuen Geldspielgesetz nur eine Formsache. Weil es aber auch um Grundsätzliches wie die freie Marktwirtschaft und die Freiheit des Netzes geht, haben die Gegner zuletzt mit ihren Informations- und Überzeugungskampagnen noch einmal starke Zweifel gesät. Die öffentliche Diskussion ist erneut entbrannt – mit guten Argumenten auf beiden Seiten.

Worum geht es eigentlich? Warum braucht die Schweiz ein neues Gesetz zur Regelung der Glücksspielindustrie, und was soll es bringen? Um hierzu ein wenig klarer zu sehen, empfiehlt es sich, einen Schritt zurückzutreten und den Sachverhalt bar der aktuellen Aufgeregtheiten mit einem distanzierten Blick zu prüfen.

Die wichtigsten Argumente

Eines der Hauptargumente der Befürworter besteht darin, dass jährlich rund 250 Mio. Franken aus der Schweiz an ausländische Anbieter von Online-Casinos fliessen, die weder den Schweizer Gesetzen unterworfen sind noch Abgaben oder Steuern bezahlen. Den Schweizer Casino-Betrieben dagegen ist es bislang verboten, Online-Glückspielangebote zu machen, was offensichtlich ein unebenes Spielfeld im noch jungen Digital-Zeitalter entstehen liess.

Die Gesetzesvorlage

Die Summe von 250 Mio. Franken und auch die Begründung für die Neuerungen des Geldspielgesetzes finden sich auch in den Dokumentationen von Bundesrat und Justizministerium. Alle Beteiligten haben sich lange und gründlich mit der Abwägung, Erarbeitung und Ausformulierung der Gesetzesvorlage beschäftigt. Augenscheinlich wurden in dem langen Prozess seit 2010 alle Argumente angehört und geprüft sowie Erfahrungswerte in anderen Ländern hinreichend gewürdigt. Bundesrat und Parlament empfehlen die Annahme des neuen Gesetzes. Der Nationalrat hat das Bundesgesetz mit 124:61 Stimmen bei neun Enthaltungen angenommen. Der Ständerat stimmte mit 43:1 ohne Enthaltungen ab.

Netzsperren vs. Prinzip der Freiheit im Netz

Woran sich nun die Gegner vor allem stören, ist die Tatsache, dass mit den vorgesehenen Netzsperren für ausländische Anbieter von Online-Glücksspielen die Freiheit des Netzes eingeschränkt wird und ferner ein Kartell der inländischen Casino-Betriebe errichtet wird, und das ohne jede Not. Den Schweizer Casino-Unternehmen wird von den Gegnern des neuen Geldspielgesetzes sogar vorgeworfen, langfristig durch ihre fortgesetzte Lobbyarbeit darauf hingewirkt zu haben, Wettbewerber aus dem Ausland systematisch auszusperren.

Bewerbungen um Konzessionen schaffen Wettbewerb

Tatsache ist jedoch, dass sich ausländische Casino-Betreiber ebenso wie schweizerische um Konzessionen bewerben können, die alle sechs Jahre neu ausgeschrieben werden. Allerdings geht das nicht aus dem Ausland, sondern entweder durch eine Tochtergesellschaft in der Schweiz, die den Gesetzesrahmen zu respektieren hat und auch Steuern und Abgaben bezahlt, oder durch eine Kooperation mit Schweizer Casino-Gesellschaften, wie es sie ja auch schon gibt.

Scheinargumente und Realitäten

Tatsächlich ist die Schweizer Casino-Branche bereits seit langem stark mit ausländischen Anbietern verflochten. Laut SRF sind 9 der 21 konzessionierten Casino-Betreiber der Schweiz mehrheitlich im Besitz ausländischer Unternehmen und Investoren, und wenn man nach den erzielten Gewinnen geht, sind es sogar 60%. Doch Groupe Partouche und Barrière aus Frankreich sowie Casinos Austria und der Spielautomaten-Hersteller Novomatic aus Österreich sind schon seit Beginn der erst nach der Jahrtausendwende einsetzenden Casinogeschichte in der Schweiz engagiert. Ziel der von Schweizer Seite gewünschten Kooperationen war die Akquise von Know-how und Expertise.

Gute Erfahrungen mit Netzsperren im Glücksspielmarkt

Wie die NZZ hervorhebt, ist die aktuelle Debatte hauptsächlich auf die Netzsperren fokussiert. Diese stellen tatsächlich ein Novum in der liberalen Schweiz dar. Allerdings haben viele Länder, darunter Frankreich, Italien und Dänemark genau damit beste Erfahrungen gemacht und ihre Politik in Sachen Glücksspiel erfolgreich durchgesetzt. Denn es geht bei dem gesellschaftlich kontroversen Thema Glücksspiel auch um übergeordnete Ziele wie die Vermeidung von Betrug, Geldwäsche und nicht zuletzt Spielsucht.

Das Gemeinwohl

Der Hauptgrund, warum wohl dennoch die Mehrheit derjenigen Schweizer, die abstimmen werden, dem Geldspielgesetz zustimmen, ist aber ein anderer. Die Altersversorgung AHV sowie die Invalidenversicherung erhalten Jahr für Jahr beachtliche Mittel aus der Spielbankabgabe, die jedoch nur von Schweizer Casino-Gesellschaften entrichtet wird – und nicht von ausländischen Anbietern. Es ist ein nicht zu vernachlässigender Teil des nationalen Konsenses, dass die Schattenseiten des Glücksspiels, die mit erheblichen Kosten für die Gesellschaft einhergehen, durch die Abgaben für das Gemeinwohl zumindest zum Teil kompensiert werden. Und das dürfte bei nüchterner Betrachtung für das Stimmvolk in der Schweiz am Ende schwerer wiegen als blind dem Prinzip zu folgen, das Netz für alle Glücksspielanbieter gleichermassen zu öffnen.

Verzerrter Wettbewerb

Es leuchtet wohl den meisten Stimmberechtigten intuitiv ein, dass es keine fairen Wettbewerbsbedingungen sein können, wenn ausländische Online-Casinos den vollen Gewinn bei ihren Aktivitäten in der Schweiz einfahren, sich nicht um Vermeidung von Spielsucht und kriminelle Aktivitäten bemühen müssen und auch keine Abgaben zur Kompensation der schädlichen Effekte leisten.

Fortschritte durch das Geldspielgesetz

Zudem ist es nach dem geltenden Spielbankengesetz bislang illegal, in der Schweiz Online-Glücksspiele anzubieten, allerdings gibt es auch keine Handhabe, Anbieter mit Sitz jenseits der Landesgrenzen zu sanktionieren. Insofern bringt das neue Geldspielgesetz Fortschritte für alle:

1. Die in der Schweiz konzessionierten Casino-Gesellschaften können bei Annahme der Gesetzesvorlage zukünftig auch Online-Angebote machen, womit der Anreiz für die Spieler, sich illegalen Anbietern zuzuwenden, wegfällt. Die Rechtssicherheit für die Spieler nimmt dadurch ebenfalls zu.

2. Durch die dadurch zu erwartenden höheren Umsätze im Land steigen auch die Abgaben an AHV und Invalidenversicherung sowie an die Kantone. Die Steuereinnahmen steigen ebenfalls. Weiterhin werden, wenn auch in bescheidenem Ausmass, neue Arbeitsplätze in der Schweiz geschaffen.

3. Der lokale Schwarzmarkt – Spielhöhlen in Hinterzimmern – wird durch das legale Angebot von Online-Casinos tendenziell ausgetrocknet.

4. Die Spieler in der Schweiz können sich erstmals frei und legal in der digitalen Glücksspielwelt bewegen und geniessen darüber hinaus mehr Rechte und Sicherheiten als bisher.

5. Die Schweiz als Ganzes gewinnt an Wettbewerbsfähigkeit, Sicherheit und auch an beträchtlichen Mitteln für das Gemeinwohl, die bisher an ausländische Anbieter ohne Gegenleistung geflossen sind.

Konsequenzen der Abstimmung

Dennoch ist bei einer Abstimmung grundsätzlich alles möglich. Daher sind Anleger gut beraten, die Folgen der beiden möglichen Ergebnisse zu bedenken. Sollte das Geldspielgesetz abgelehnt werden, ist zu erwarten, dass der Geschäftsgang der Casino-Gesellschaften weiterhin schleppend verlaufen wird. Eine Verbesserung ist zwar möglich, doch die dürfte nicht kräftig ausfallen, da sich an der Wettbewerbssituation nichts ändert. Die Schweizer Casino-Gesellschaften dürfen dann keine Online-Angebote machen, und die ausländischen Konkurrenten werden weiterhin ein beträchtliches Stück des Glücksspielkuchens unter sich verteilen, wahrscheinlich sogar in wachsendem Ausmass, da der Trend zum digitalen Zeitvertreib stetig zunimmt. Bei einer Ablehnung werden die Aktien trotz der moderaten Bewertungen wohl einen weiteren Dämpfer erhalten, und die Aussichten für steigende Erträge und Gewinne bleiben eingetrübt.

Performance der in OTC-X gelisteten Casinounternehmen

Unternehmen Aktienkurs Geld (5.6.) Kapitalisierung KGV KBV Dividendenrendite
Casino de Montreux 2’900 202.5 17.0 7.9 5.96%
Grand Resort Bad Ragaz (2016) 5 150 122 20.7 0.96 n.a.
Kursaal Casino Luzern 325 21.8 16.5 0.91 n.a.
Stadtcasino Baden 600 60 11.3 1.04 3.90%
Congress Centre Kursaal Interlaken 400 10.4 39.2 0.34 n.a.
Kongress- und Kursaal AG Bern 515 42 8.9 0.53 0.97%
Quelle: otc-x.ch

Bei einer Zustimmung dagegen wirkt der Hebel in die andere Richtung. Nach vielen Jahren mit rückläufigem oder stagnierendem Geschäftsgang bewegen sich die Bewertungen der ausserbörslich gehandelten Casino-Aktien seit geraumer Zeit auf stark ermässigtem Niveau. Die Aussicht auf eine Belebung durch die Expansion in die Online-Glücksspielwelt bei gleichzeitiger Reduzierung des illegalen Wettbewerbs ausländischer Anbieter verspricht zumindest einen kräftigen Einmaleffekt auf ein deutlich höheres Ertragsniveau, wobei die Gewinne sich in diesem Fall überproportional verbessern sollten. Im „best case“ könnten die neuen, verbesserten Rahmenbedingungen auch eine Wachstums-Phase begründen, da bisherige Bedenken der Spieler gegenstandslos werden und sich eine verbreiterte Akzeptanz einstellen könnte. Die Aktien der Casino-Gesellschaften wären in diesem Fall eine durchaus attraktive Anlage, da die Psychologie der Investoren von negativ auf positiv drehen wird. Zudem könnten die neuen und bestandsfesten Rahmenbedingungen auch zu einem verstärkten Interesse ausländischer Casino-Unternehmen führen, sich hierzulande einzukaufen.

Konklusion

Trotz der Kampagnen der Gegner, die vorwiegend die Freiheit des Netzes thematisieren, scheinen bei nüchterner Abwägung die Argumente für eine Zustimmung zum Geldspielgesetz klar zu überwiegen. Allerdings ist zu befürchten, dass ohne die Komponente „Beitrag zum Gemeinwohl“ vielleicht, ganz im Geist der Zeit, die falsch verstandene Freiheit des Netzes doch schwerer wiegen könnte. Die Gefahr dieser Tendenz, blind allen technologischen Fortschritt zu akzeptieren und unterstützen, selbst wenn offensichtlich gegen Gesetze verstossen wird und zivilisatorische Errungenschaften unterminiert werden, ist jedoch langfristig nicht zu unterschätzen.

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