Peter Schnürer, CEO daura AG: „Es muss schnell, einfach und günstig sein, Eigenkapital zu beschaffen.“

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Auch die Krypto-Welt wird langsam erwachsen. Während bei Krypto-Währungen und unspezifischen ICOs mangels konkreter Anwendungen in der Wirtschaftswelt allmählich Ernüchterung einkehrt, überrascht das Schweizer Start-up daura mit einer innovativen und auf der Blockchain-Technologie basierenden Plattform für die Eigenkapitalbeschaffung und das Führen des Aktienbuchs von KMU und Start-ups.

Der Markteintritt von daura ist für Anfang 2019 geplant. Die Ziele sind ambitioniert; bereits im ersten Quartal 2019 sollen mindestens 10 Emissionen via C-Shares stattfinden. Im Gespräch mit schweizeraktien.net erläutert CEO Peter Schnürer, wie es durch Swisscom und die Kanzlei MME zur Formierung von daura kam, wie mit Regulierung und Sicherheit umgegangen wird und warum die „Tokenisierung“ der Aktienemission für Emittenten und Investoren nur Vorteile bringt.

Peter Schnürer beschäftigt sich bereits seit 2013 mit der Decentralized-Ledger-Technologie, wie die Blockchain auch genannt wird. Er berät unter anderem die Regierung des Fürstentums Liechtenstein in der Blockchain-Gesetzgebung. Schnürer gründete mehrere Start-ups und fungierte als Chief Digital Officer. Zuletzt war er bei Inventx als CDO tätig. Bild: zVg.

Das klingt ja wirklich spannend, was Sie vorhaben – KMU die Kapitalbeschaffung über virtuelle Aktien zu ermöglichen. Wie kam es zu dem innovativen Konzept, Herr Schnürer?

Zunächst möchte ich auf den von Ihnen genannten Begriff „virtuelle Aktien“ eingehen. Es handelt sich tatsächlich um Wertrechte nach schweizerischem Obligationenrecht und nicht um virtuellen Konstrukte – wir haben viel Energie darauf verwendet, die C-Share konform zur Schweizer Gesetzgebung zu entwickeln.

Nun aber zu Ihrer Frage: Die Idee zur daura entstand im Rahmen einer Wette der „Digital Switzerland Challenge 2017“. Damals gingen Swisscom und die Anwaltskanzlei MME die Wette ein, bis zum April 2019 die Herausgabe und Übertragung von Aktien auf der Blockchain – sogenannte C-Shares – zu ermöglichen. Als im April 2018 ein wichtiges Zwischenziel mit einem erfolgreichen Prototyp realisiert wurde, entschieden sich die Initiatoren von MME und Swisscom, die weiteren Aktivitäten in einer gemeinsamen Firma fortzuführen.

Und wie wurden Sie zum CEO?

Ich selbst bin seit 2013 in der Blockchain-Szene aktiv und halte Vorträge, habe Innovations- und Forschungsprojekte initiiert und war auch in Liechtenstein in der Arbeitsgruppe zur neuen Blockchain-Gesetzgebung aktiv. Durch diese Tätigkeiten habe ich die Initiatoren der daura kennengelernt. Als ich dann auf Twitter gesehen habe, dass für die daura ein CEO gesucht wird, wollte ich diesen Job unbedingt und bin sehr froh, dass dies nun geklappt hat.

Sie planen ab Anfang 2019 operativ in den Markt einzutreten; was genau haben Sie sich als Ziele gesetzt?

Wir möchten zum Standard für die digitale Aktie auf der Blockchain werden. Ab Anfang 2019 beginnen wir damit, Unternehmen auf unserer Plattform aufzuschalten. Diese Unternehmen können zunächst über daura ihr Aktienbuch digital führen und Kapitalerhöhungen durchführen. Unser Ziel ist, bis April 2019 mindestens 20 Schweizer KMUs auf unserer Plattform zu haben und 10 Kapitalerhöhungen durchgeführt zu haben.

Wodurch unterscheidet sich daura von anderen digitalen Plattformen, die ebenfalls im Bereich der Kapitalbeschaffung für KMU und Start-ups tätig sind?

In den letzten 12 Monaten haben wir uns einen grossen Vorsprung auf der regulatorischen Seite erarbeitet. Aktien auf der Blockchain abzubilden ist in erster Linie eine rechtliche Herausforderung. Mit MME haben wir eine der weltweit führenden Anwaltskanzleien in diesem Bereich als strategischen Partner an Bord. In der technischen Umsetzung verfügen wir mit Swisscom über einen Partner mit hoher Umsetzungskompetenz und einer bestehenden Tool-Box aus elektronischer Identität, Geldwäschereiprüfung und vielem mehr. Nicht zuletzt wird die zugrunde liegende Blockchain-Plattform der daura auf einem verteilten System betrieben, an dem mehrere namhafte Unternehmen aus der Schweiz beteiligt sind. In der Summe ist dies eine einmalige Ausgangslage, die Schweizer KMUs eine nachhaltige, sichere und rechtskonforme Umsetzung garantiert.

Das heisst, das Innovative besteht darin, dass die Emittenten nun Aktien ausgeben, die auf der Blockchain-Technologie basieren und das herkömmliche Aktienregister ersetzen. Was sind die Vorteile für die Unternehmen?

In der Praxis zeigt es sich, dass viele Unternehmen das Aktienbuch nicht sauber nachführen. Das kann spätestens bei der Einberufung einer GV problematisch werden. Ein digitales Aktienbuch ist eine enorme Hilfe. Ich bin überzeugt, dass sich die Emittenten kaum dafür interessieren, welche Technologie zugrunde liegt. Am Ende muss es schnell, einfach und günstig sein, Eigenkapital zu beschaffen, den Transfer der Aktien abzuwickeln, Dividenden auszuzahlen und Generalversammlungen abzuwickeln. All dies werden wir ermöglichen.

Gibt es auch Nachteile?

Nein.

Was können Sie zu den Kosten einer Emission sagen?

Wir arbeiten noch an den Details zum Preismodell. Ich kann aber bereits sagen, dass es im Vergleich zum bisherigen System für unsere Kunden signifikant günstiger wird, eine Emission auf der daura-Plattform durchzuführen.

Wie gehen Sie mit der Regulierung um? Was müssen KMU-Emittenten bedenken?

Die Einhaltung von geltendem Rech ist uns sehr wichtig: daura weist die KMU-Emittenten Schritt für Schritt auf die rechtlichen Anforderungen hin. Beispielsweise müssen bestimmte Statutenbestimmungen vorhanden sein, damit überhaupt C-Shares geschaffen werden können. Zudem besteht für die KMU-Emittenten eine Prospektpflicht. daura selber führt jedoch keine Rechtsberatung durch.

daura stellt die Emissionsplattform, doch wie können die KMU ihre möglichen Investoren überhaupt erreichen, informieren und interessieren?

daura ist nicht nur eine Emissionsplattform. Wir bauen ein komplettes Ökosystem rund um die C-Share auf. Dieses Ökosystem wird nicht nur Emittenten, sondern auch Investoren umfassen. Allerdings ist es weiterhin Aufgabe des Unternehmens, die Investoren für sich zu begeistern.

Und wie läuft es nach der Emission weiter? Wie kann sich der Erstzeichner von seinem Engagement wieder trennen?

Eine wesentliche Innovation liegt künftig beim Aktientransfer – der Anleger kann seine Aktien direkt über eine App an eine andere Person übertragen, ohne dass er dafür eine Depotbank benötigt. Eine zentrale Frage ist, wie der Investor einen neuen Käufer findet. Auch hier kommt unser Ökosystem wieder ins Spiel. Wir arbeiten an Kooperationen mit neuen und bestehenden Börsen, die künftig den Handel mit C-Shares abwickeln werden.

Was können Sie unseren Lesern zum Thema Sicherheit und insbesondere Datensicherheit sagen?

Sicherheit ist uns enorm wichtig. Wie bereits erwähnt wird die daura-Plattfom auf einem verteilten System bei hochgradig vertrauenswürdigen Schweizer Partnern betrieben. Alle Partner arbeiten nach denselben Standards, wie sie bei Schweizer Banken zum Einsatz kommen.

Die meisten neuen digitalen Plattformen sind auf Krypto-Währungen und, meist unspezifizierte, ICOs ausgerichtet. Die C-Shares von daura haben dagegen einen ganz praktischen Nutzen. Wie ist die Wettbewerbssituation in Ihrem Segment der Eigenkapitalbeschaffung für KMU in der Schweiz und international?

In den meisten Fällen von ICOs handelt es sich bei den emittierten „Krypto-Währungen“ um sogenannte Utility-Token, deren Wert ich häufig nicht erkennen kann. Die Zeit, in der man für unspezifizierte „Token“ Millionenbeträge einsammeln konnte, ist vorbei. Die Investoren sind zu Recht kritisch geworden und hinterfragen, was sie für ihr Geld bekommen. Deswegen sehen wir, dass die Zeit der werthaltigen „Security-Token“ auf der Blockchain gekommen ist. Dabei fokussieren wir uns zunächst auf Schweizer Aktien und Partizipationsscheine. Im Moment sehen wir sowohl international als auch in der Schweiz Anbieter, die sich ebenfalls diesem Markt annehmen möchten. Die steigende Anzahl von Nachahmern zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Ein für Investoren wichtiges Kriterium ist die Liquidität. Was erwarten Sie da für die C-Shares?

Ich sehe mehrere positive Effekte: Zum einen werden sich Krypto-Investoren, die bislang noch wenig am Aktien-Markt aktiv waren, engagieren. Zum anderen führt die effiziente Abwicklung von Aktien-Transaktionen auf der Blockchain dazu, dass der KMU-Markt für Kleinanleger interessant wird, die bislang aufgrund der Kosten ferngeblieben waren. Als Drittes erkenne ich noch enormes Potential für neuartige Mitarbeiter-Beteiligungsmodelle. Die C-Share bietet das einmalige Potenzial, Mitarbeiter mit geringem Aufwand im Unternehmen zu beteiligen.

Welche Rolle spielen die Millennials als Zielgruppe?

Unsere primäre Anleger-Zielgruppe sind institutionelle Investoren. Aber wir sollten die Millennials nicht aus dem Blick verlieren. Ich kenne diverse 20-Jährige, die noch nie in Ihrem Leben Aktien besessen haben. Diese Welt scheint ihnen fremd. Gleichwohl haben sie bereits Erfahrungen mit Krypto-Währungen gesammelt. Sie kennen die Handelsplattformen, verfügen über die Tools, um ihre private Keys zu verwalten und verfügen über Erfahrungen im Lesen von Whitepapers. Der Schritt zum C-Share-Investor ist für sie gering. Aufgrund der günstigen Kostenstruktur sind C-Shares eben nicht nur für institutionelle Anleger, sondern auch für langfristig denkende Privatanleger mit kleinem Budget geeignet.

Und wenn Sie zum Abschluss des Interviews noch einen Blick in die fernere Zukunft werfen wollen, was sehen Sie da für daura?

Wir sprachen über Millennials und Institutionelle Anleger. Langfristig sehe ich jedoch, dass Anlage-Entscheidungen nicht mehr von Menschen getroffen werden, sondern von smarten Algorithmen. Diese treffen rund um die Uhr an sieben Tagen der Woche Anlage-Entscheidungen und optimieren permanent die Risikostruktur des Portfolios. In einer Welt mit minimalen Transaktionskosten und Real-Time-Abwicklung auf der Blockchain finden permanente Mikrotransaktionen auch im Portfolio des Kleinanlegers statt. Die Anleger geben dann nur noch Rahmenbedingungen wie Branchen, Länder und ethische Anlagerichtlinien vor.

Mit der C-Share schafft  daura die technologische Basis für automatisierte Anlagen sowie die effiziente Abwicklung von Corporate Actions und wird so zum Standard für Aktien von Schweizer KMUs auf der Blockchain. Das Erschliessen von weiteren Märkten ist eine zusätzliche Option unserer langfristigen Planung.

Besten Dank, Herr Schnürer, für den interessanten Blick in die Zukunft. Gutes Gelingen!

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