Infrastruktur Investment (I): Ein Multi-Billionen-Markt

Ein vielschichtiger, komplexer und intransparenter Sektor

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Kein Beispiel ist geeigneter als der Brückeneinsturz in Genua, um vor Augen zu führen, dass Infrastruktur in der Konsequenz eine Frage von Leben oder Sterben, von Wirtschaftsdynamik und Wohlstand oder Dysfunktionalität und Zerfall ist. In den Industrienationen werden viele Strukturen, die seit 1850 geschaffen wurden, von Korrosion zersetzt und entsprechen trotz Erweiterungsinvestitionen nicht mehr den veränderten Anforderungen unserer Zeit. Und in den boomenden Volkswirtschaften wie Indien und China braucht es vor allem Infrastrukturinvestitionen, um das Wachstumstempo weiterhin hoch zu halten und die wachsende Bevölkerung zu versorgen.

Diese Serie umfasst vier Teile und wirft einen vertieften Blick auf einen fragmentierten und weitgehend intransparenten Markt. Ein besonderes Augenmerk wird im Verlauf auf Schweizer Unternehmen gerichtet, die in den relevanten Märkten aktiv sind und deren Aktien kotiert sind oder ausserbörslich gehandelt werden.

Infrastrukturinvestitionen als Wahlversprechen

Die Marktvolumina, um die es geht, sind gigantisch. Wer sich noch an die Wahlversprechen von Donald Trump 2016 erinnert, hat den damaligen Treibsatz für die beginnende Hausse vielleicht noch vor Augen: Infrastrukturinvestitionen von über 1’000 Mrd. USD. Neue Strassen und Brücken, Häfen und Flughäfen, Pipelines und Netzwerke für die Energiedistribution. Dazu kommen der Rückbau alter Kraftwerke und Staudämme sowie Dekontaminationsmassnahmen und Küstenschutz. Das alles wäre zwar dringend nötig, doch es blieb weit überwiegend bei den Ankündigungen.

Floridas Kampf mit dem steigenden Meeresspiegel

Ein schlechter Zustand der Infrastruktur bedeutet aber lange Transportwege, mehr Unfälle und einen Attraktivitätsverlust als Wirtschaftsregion und Standort für Investitionen. In den USA bleiben daher die notwendigen Ausgaben vielfach an den Staaten, Städten und Counties hängen. Beispielsweise investiert allein Miami jährlich mehrere Mrd. USD in den Küstenschutz und damit in die Erhaltung des Status quo als Tourismusmagnet und Wohnparadies für Pensionäre, Aussteiger und Vermögende im warmen Süden der USA. Mehr als alle anderen Bundesstaaten ist Florida vom Anstieg des Meeresspiegels und den intensivierten Hurricanes bedroht. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnten bis zu zwei Drittel der Staatsfläche verloren gehen.

Erneuerungsbedarf in Europa

Ähnlich ist das Bild in Europa; der Brückeneinsturz in Genua und das Branddesaster des Grenfell Tower in London sind schmerzhafte Indizien. Manche Länder sind bei Erneuerung, Modernisierung und Ausbau der Infrastruktur besser als andere, aber selbst in den fortschrittlicheren und wirtschaftlich erfolgreichen Ländern wie Deutschland liegt vieles im Argen. Ein Beispiel ist der bislang nicht erfolgte Ausbau der Bahnstrecke im Süden, die das Rhein-Main-Gebiet entlang des Rheins mit der Schweiz verbindet.

Mega-Projekt Neue Seidenstrasse

Das zweifellos grösste Infrastrukturprojekt der Gegenwart ist die Neue Seidenstrasse. Im Oktober 2013 war die Belt and Road Initiative erstmals von Staatspräsident Xi Jinping vorgestellt worden. Inzwischen wurden viele Fakten geschaffen. Mit ganz praktischen Auswirkungen. Durch die Modernisierung der Bahnstrecken entlang der Eurasischen Landbrücke und den Bau von Verladestationen benötigt ein Güterzug aus China auf der Reise über Kasachstan, Russland und Ukraine nach Duisburg oder Nürnberg gerade 12 Tage – der Seeweg würde ca. 40 Tage in Anspruch nehmen. Entlang der Strecke entsteht Arbeit, Dynamik und auch ein bescheidener Wohlstand. Allein in Duisburg kamen während der letzten Monate bis zu 35 Güterzüge pro Woche an. Im Mai nahm die neu gebaute Eisenbahnstrecke mit einer Länge von 8’350 km zwischen Bayan im Norden Chinas und Teheran den Betrieb auf.

Fortschritte und Rückschläge

Insgesamt dürfte das Volumen der Silk Road rund 1.5 Bio. USD ausmachen. Zu den historischen Routen über Land kommt die Maritime Seidenstrasse, die Chinas Häfen mit der ganzen Welt verbinden. Auf Sri Lanka bauen die Chinesen gleich zwei neue Häfen inklusive eigenem Kraftwerk für die Energieversorgung. Die Finanzierung leisten der chinesische Silk Road Fund, ein staatliches Vehikel, sowie die vor wenigen Jahren zu diesem Zweck gegründete AIIB Entwicklungsbank.

Politischer Fall-out

Mehrere Beispiele zeigen aber auch Rückschläge, denn die erforderlichen Investitionen überfordern manche Länder. In Malaysia machte Premierminister Mahathir Mohammed, der bereits in den 1990er Jahren regiert hatte und nun erneut gewählt wurde, klar, dass sich das Land die von seinem Vorgänger vereinbarten Investitionen in neue Häfen und Raffinerien nicht leisten kann. Allein für Pakistan sind Investitionen im Rahmen der Belt and Road Initiative von über 60 Mrd. USD vorgesehen. Die Massnahmen sind jedoch ins Stocken geraten, da der neu gewählte Premier Imre Khan einen Wohlfahrtsstaat versprochen hat, den sich das Land jedoch nicht leisten kann. Daraufhin brach eine Finanzkrise aus mit einer deutlichen Abwertung der Landeswährung Rupie. Die erneute Inanspruchnahme des IWF beschränkt wegen der Auflagen den Spielraum für die Mega-Projekte.

Private Infrastructure bei der Partners Group

Wo Staaten nicht finanzieren können oder wollen und supranationale Institutionen sowie Gebietskörperschaften überfordert sind, da ist Infrastruktur mittlerweile mehr und mehr eine Angelegenheit privater Investoren. Das Beispiel der börsenkotierten Schweizer Partners Group ist naheliegend zur Veranschaulichung. Zunächst auf Private Equity fokussiert, wurde das Spektrum rasch um Private Real Estate, Private Debt und letztlich Private Infrastructure erweitert. Die Assets under Management (AuM) im Sektor Infrastruktur belaufen sich auf 10 Mrd. USD, davon sind 8 Mrd. USD investiert. Die Partners Group hat in über 100 Projekte in 16 Ländern investiert. Bei den publizierten realisierten Investments wurden Multiples von 1.7x und 1.9x für die Investoren erzielt, und dies innerhalb weniger Jahre. Unter den Investments finden sich u.a. Wind-Kraftwerke in Thailand, ein Glasfaserkabel zwischen Brasilien und den USA, ein Offshore-Windpark in der deutschen Nordsee und ein Hochkapazitätszugsprojekt in Australien.

Infrastruktur-Aktien im Korrekturmodus

Nicht nur die Investoren agieren global, sondern auch viele Unternehmen. Schweizer Unternehmen mit internationaler Präsenz sind beispielsweise Zehnder, der Hersteller von Belüftungs-, Heizungs- und Klimageräten mit Produktionsstätten in China, EU und USA oder Arbonia mit einer starken Stellung in Deutschland und Expansion in Osteuropa und Russland, sowie Implenia mit der starken Stellung im Tunnel- und Brückenbau und den daraus resultierenden Grossaufträgen in Norwegen und Schweden. Projektverzögerungen und andere Schwierigkeiten können jedoch beträchtliche Auswirkungen auf die Kurse haben, wie im Fall Implenia vor kurzem eindrucksvoll demonstriert.

Kursverlauf der Implenia-Aktie in den letzten sechs Monaten. Quelle: six-group.com

Caterpillar mit 25 Fabriken in China

Das gilt auch für die Aktie von Caterpillar, die gegenüber dem historischen Hoch von Anfang Jahr um über 30% verloren hat. Wie kaum ein Unternehmen weltweit ist der Hersteller von schweren Baumaschinen bestens positioniert, um vom Infrastruktur-Boom zu profitieren. 25 Fabriken in China stellen alles her, was für die Belt and Road Initiative benötigt wird, und, im Gegensatz zu chinesischen Herstellern, kann Caterpillar aufgrund des Netzwerkes von Niederlassungen auch in Pakistan, Kasachstan und der Ukraine jederzeit Ersatzteile liefern und Reparatur- und Wartungsarbeiten durchführen.

Grosse Player – hohe Investitionen

Risiken gibt es auch für Investoren – daher sind die Renditen höher als in anderen Assetklassen. Diversifikation und Co-Investment reduzieren die Risiken. Da es jedoch in aller Regel um grosse Beträge geht, ist Infrastruktur hauptsächlich ein Betätigungsfeld für die grossen Kapitalsammelstellen wie Pensionsfonds und Versicherungen sowie staatliche Institutionen und Sovereign Wealth Funds. Ein Blick auf die Top 100, wie von der Fachpublikation IPE ermittelt, zeigt die Player, die Grössenordnungen und die Asset Allocation. Ausser bei den fokussierten Investoren beträgt der Anteil der Infrastruktur Investments häufig 3% bis 5%. Dies zeigt, dass es sich selbst bei langfristig denkenden Investoren soweit um eine sinnvolle Diversifikation handelt, allerdings mit steigender Tendenz. Staatliche Player wie China und Vereinigte Emirate auf den Positionen 1 und 2 verfolgen dagegen auch geopolitische Ziele. Einige Akquisitionsversuche im Infrastrukturbereich in den USA wurden daher untersagt.

Die 10 grössten Infrastruktur-Investoren weltweit. Quelle: ipe.com

Das grosse Bild

Alle Erhebungen und Studien in dem weiten Feld der Infrastruktur betrachten in aller Regel Teilmärkte und -aspekte. Um ein vollständiges Bild zu erhalten, empfiehlt es sich, verschiedene Quellen zu konsultieren und unterschiedliche Perspektiven einzunehmen. Beispielsweise ist die Rolle Chinas im Weltmarkt Infrastruktur durch die bisherigen Ausführungen nicht annähernd erschöpfend beschrieben. Obwohl fernab der Seidenstrasse, ist Lateinamerika ein wichtiges Ziel chinesischer Investitionen. Amerikanische Quellen beziffern die Grössenordnung auf 400 Mrd. USD sowie Finanzierungszusagen von weiteren 225 Mrd. USD. Die internationalen Beteiligungen an Häfen und Containerterminals hält ein privates Unternehmen, Costco, beispielsweise in Piräus, Bilbao und Seebrügge. Piräus wird auch von der chinesischen Marine angelaufen.

Aktuelle Schlussnotiz Huawei

Ganz aktuell sorgt der Fall Huawei, Chinas grösster Netzwerkausrüster in der Telekomindustrie, für Schatten. Die weiteren internationalen Expansionsbestrebungen des Infrastruktur-Players sind nun scheinbar zum Geo-Politikum geworden – mit beträchtlichen Auswirkungen an den Börsen.

Teil II folgt in Kürze und betrachtet die grössten und spannendsten Märkte im Bereich Infrastruktur genauer.

 

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