Elektroautos: In den Medien präsent, aber noch nicht auf den Strassen

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Bei der Zürcher Automesse im November gab es einige Schweizer Premieren. Audi und Jaguar präsentierten einen Elektro-SUV. Am Stand von Mitsubishi war ein hybrides Modell zu bestaunen. Aber nach wie vor dominieren die spritbetriebenen Schönheiten das Blickfeld. Der Portofino von Ferrari erhielt kürzlich einen Design-, doch wahrscheinlich keinen Umweltpreis.

Die zurückgetretene Bundesrätin Doris Leuthard  fuhr seit 2015 einen Elektro-Dienstwagen. Bild: insideevs.com

In den Medien sind die zukunftsträchtigen E-Autos präsenter. Die gekonnten Werbeeinlagen der abtretenden Verkehrsministerin Doris Leuthard kamen dem Branchenliebling Tesla zugute. Die schicke Fotoreportage mit dem S-Modell sollte wohl Leuthards ambitionierte Roadmap visualisieren. Letzten Mai wurde sie angekündigt, kürzlich wurde sie unterzeichnet. Bis in vier Jahren sollen gemäss dem Dokument 15% der Neuwagenverkäufe Elektroautos sein. Heute sind es lediglich 1,6% rein elektrische sowie 3,8% Hybridfahrzeuge. Irgendwie haben die gewöhnlichen Autofahrer noch keinen grossen Einsatz bei der E-Erfolgsstory.

Strom als weitere Energiequelle wird zum unausweichlichen Faktor

Es fahren rein gefühlt nicht weniger, sondern mehr trinkfeste Geländewagen durch Städte und Landschaften. Gemäss Schätzungen von „Finanz und Wirtschaft“ kann es schon mal 2025 werden, bis die Konsumenten die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen anheizen. Bis dahin werden strengere Abgas- und CO2-Normen die Wende stimulieren müssen. Ab 2021 gilt in Europa ein CO2-Ausstoss von 95 Gramm je Kilometer. Bis 2030 soll der Wert auf 60 Gramm sinken, 2007 wurden noch knapp 160 Gramm gemessen. Ein Durchschnitt von 95 Gramm lässt sich mit Benzin und Diesel nicht erreichen. In diesem Szenario ist dann Strom als weitere Energiequelle ein unausweichlicher Faktor.

Preis als Grund für ungenügende Marktdurchdringung

Für die noch ungenügende Marktdurchdringung mit E-Autos gibt es verschiedene Gründe. Nicht zu unterschätzen ist das Preisschild, denn für die preissensiblen Schweizer sind die meisten Modelle schlichtweg noch zu teuer. Das Tesla-Modell, wie es Verkehrsministerin Doris Leuthard fährt, kostet beinahe doppelt so viel wie ein Mittelklassewagen, für den man locker 40’000 CHF hinblättern darf. Gegenüber dem Tagesanzeiger gibt sich jedoch Andreas Burgener, Direktor der Vereinigung der Schweizer Autoimporteure, in diesem November optimistisch. Er erwarten «einen richtigen Schub» in den kommenden zwei Jahren. Dann würden viele neue Modelle vieler unterschiedlicher Hersteller auf den Markt kommen. Auf diesen Zeitpunkt hin erwarten Analysten, dass E-Autos preislich mit den Benzinern mithalten können.

Kein detaillierter Überblick über Ladestationen in der Schweiz

Eine weitere Krux sind die Ladestationen. Ein detaillierter Überblick ist nach wie vor nicht vorhanden, aber laut verschiedenen Statistikportalen gibt es gegenwärtig über 3’500 Ladestationen mit Normalleistung und 400 Hochleistungsladestationen. Entlang der Nationalstrassen bieten heute 59 Raststätten das Elektrotanken an, drei weitere sind in Planung. Auch die 100 Rastplätze dürften laut dem Astra in vier Jahren alle über eine Schnellladestation verfügen. Verbessert hat sich inzwischen die Reichweite. Sie beträgt bei neuen Elektromodellen inzwischen deutlich über 200 Kilometer. Mit  teureren E-Autos werden inzwischen Strecken bis über 500 Kilometer möglich.

Donald Trump als Glücksbringer für Tesla

Für Anleger ist das Engagement derzeit noch ein Nervenkitzel. Zwischen Juli und Oktober mehrten sich die Zweifel, ob Tesla seinen Start-up-Status überwinden wird. Die Bekanntgabe der Bilanz für das dritte Quartal brachte dann Klarheit. Erstmals seit gut zwei Jahren präsentierte der Autobauer einen Gewinn von 312 Mio. bei einem Umsatz von 6.8 Mrd. USD. Teslas „Model 3“ erreichte die Produktionsziele, was die Zielvorgabe, sich zum Massenhersteller von E-Autos zu entwickeln, realistischer erscheinen lässt. Als ungewollter Glücksbringer für Tesla dürfte sich vielleicht Donald Trump entpuppen. Die vom US-Präsidenten angedrohten Zölle auf Import-Autos belasten die weltweite Konkurrenz. Spätestens im Jahr 2019 wollten BMW, Daimler und VW mit neuen Elektro-Modellen zum Schlag gegen Tesla ausholen. Doch falls die Importzölle kommen, müsste dieses Ziel revidiert werden.

Schweizer Zulieferer für E-Autos

Zwar hat sich die Schweiz als Autobauer international nie durchgesetzt. Doch in der Entwicklung von E-Autos ist die Schweizer Unternehmenslandschaft durchaus mitbeteiligt. Tangiert vom aktuellen Handelskonflikt sind derzeit die Schweizer Autozulieferer. Mit 25’000 Mitarbeiter erwirtschaften Autozulieferer hierzulande 9 Mrd. CHF Umsatz. Noch im vorletzten Jahr war der Zuger Schrauben- und Verbindungselementhersteller Bossard ein Börsenliebling, nicht zuletzt dank dem prominenten Kunden Tesla. Doch seit Jahresanfang 2018 hat der Bossard-Titel um etwa 40% an Wert eingebüsst. Auch andere Autozulieferer wie Autoneum, Georg Fischer oder Feintool notierten zum Jahresschluss deutlich tiefer als zu Jahresanfang. Federn lassen musste ebenfalls die Bündner Ems-Chemie. Die Ems-Gruppe generiert gegen 62% ihres Umsatzes im Automobilsektor.

Profilierung als Entwicklungspartner

Doch die E-Mobilität eröffnet in der Schweiz verschiedenen Gesellschaften neue Wachstumsmöglichkeiten. Beispiele sind Huber + Suhner mit Hochvoltverteilsystemen sowie mit Verbindungs-, Kabel- und Schnellladesystemen, Inficon mit Leckdetektoren für Batteriezellen und -pakete, Schaffner mit Filtern gegen elektromagnetische Störungen sowie im erweiterten Ökosystem beispielsweise ABB mit Ladestationen und Ladeinfrastrukturlösungen. Viele grosse Autobauer richten sich auf E-Themen aus, mit Komponenten bis hin zu Systemen. Nach eigenen Aussagen ist Continental „einer der wenigen Systemanbieter, der eine komplette Elektrifizierung des Antriebsstrangs aus einer Hand bieten kann“. Das Angebot ganzer Systeme macht es nicht nur Neueinsteigern im E-Automobilbau leichter. Es deutet auch an, dass der Wertschöpfungsanteil der Zulieferer am Automobil weiter steigen wird. Da die Automobilkonzerne zudem mehr Entwicklungsressourcen in neue Technologien lenken und deshalb in anderen Bereichen mehr Arbeit auslagern, bietet sich den Zulieferern auch die Chance, sich als Entwicklungspartner zu profilieren.

Smarte Netzstrukturen sind gefragt

Die Elektrifizierung des Individualverkehrs steckt noch in den Kinderschuhen. Intelligentes Netzmanagement und dezentrale Stromerzeugung werden unter «Smart Grids» zusammengefasst. Sie sollen die effizientere Nutzung der Stromnetze sicherstellen. Das ist in der Schweiz aber in weiten Teilen noch nicht der Fall. Unmittelbaren Handlungsbedarf gebe es aber, und zwar «auf der letzten Meile», wo die Ladestationen angebaut werden. Lokale Leitungskapazität sowie genug grosse Hausanschlüsse sind hier die Herausforderungen. Das Stromnetz wird also mitwachsen – zunächst im konventionellen Sinne, später als dezentrale, smarte Netzstruktur.

 

 

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