Small und Mid Cap Dividendenaktien: Selektion ist Trumpf

Sicherheit vor Phantasie

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Dividendeneinnahmen sind für Investoren wichtig, und dies umso mehr, als Anleihezinsen und Mietrenditen ausgesprochen mager sind. Doch die Auswahl ist nicht einfach. Anders als die Large Caps Nestlé oder Novartis sind Small und Mid Caps meist weniger diversifiziert. Deshalb braucht es hohe Markteintrittsbarrieren, damit Wettbewerbsposition und Dividendenfähigkeit langfristig gesichert erscheinen.

Eigentlich sollte es nicht so schwer sein, eine aussagekräftige Liste mit den Dividenden der in Frage kommenden Aktien zu erstellen, um einen ersten guten Überblick zu gewinnen. In der Praxis ist es jedoch so, dass die Angaben im Einzelfall besser genau geprüft werden sollten, denn es kann ernüchternd sein, wenn die Dividendenzahlung dann inzwischen, wie bei Meyer-Burger oder GAM, ausgesetzt ist.

Strikte Auswahlkriterien

Im gegenwärtigen konjunkturellen Umfeld, das von Revisionen des Wirtschaftswachstums und häufiger werdenden Gewinnwarnungen gekennzeichnet ist, empfiehlt es sich auf jeden Fall, bei den Aktien im Portfolio ganz genau hinzuschauen und auch bei neuen Käufen eine hohe Messlatte anzulegen. Ziel ist zumindest der Kapitalerhalt und darüber hinaus eine angemessene Dividende zu erhalten. Bestenfalls können Aktien von Unternehmen mit solidem Geschäftsgang und tendenziell steigenden Dividenden selbst in einem widrigen Börsenumfeld eine positive Performance erreichen.

Hohe Dividendenrenditen als Warnsignal

Die absolute Höhe der Dividendenrendite ist zwar zweifellos ein guter Ausgangspunkt für einen Selektionsprozess, doch leider häufig auch irreführend. In einer hohen und über dem Marktdurchschnitt liegenden Dividendenrendite drücken sich auch Zweifel an der nachhaltigen Dividendenfähigkeit, am Geschäftsmodell oder den Wachstumsperspektiven von Unternehmen und/oder Industrie aus. So ist es kein Zufall, dass sowohl bei Large Caps wie bei Small und Mid Caps die Finanzwerte als Gruppe die höchsten Dividendenrenditen bieten. Dazu zählen Bellevue Group mit 5%, VP Bank mit 4,7% (nach einer erwarteten Dividendenerhöhung), Cembra Money Bank mit 4,3% und Vontobel mit 3,8%.

Kantonalbanken zahlen gute Dividenden

Die Kantonalbanken bilden hingegen eine eigene Gruppe. Ihre Partizipationsscheine und Aktien bieten Dividendenrenditen zwischen 3,3% bei der St. Galler Kantonalbank und 4,5% bei der Banque Cantonale Vaudoise (BCV). Aufgrund der Sonderstellung der Kantonalbanken, die, abgesehen von Bern, Genf und Waadlandt, dank Staatsgarantien nicht bankrott gehen können, erscheinen die Dividenden angemessen. Gegenwärtig überwiegen die Dividendenerhöhungen wie ganz aktuell bei der Thurgauer Kantonalbank und der BCV, allerdings sind auch vereinzelte Senkungen der Ausschüttung nicht ausgeschlossen. Im Übrigen schützt die Staatsgarantie zwar vor dem Totalausfall, nicht jedoch vor Kurskorrekturen.

Steigende Dividenden als Erfolgsausweis

Im besten Fall stammt die Dividendenaktie von einem Unternehmen mit nachhaltigen Wachstumsraten und-perspektiven. Aufgrund der starken Stellung in Markt und Wettbewerb sind auch die Margen nicht ohne Weiteres unter Druck zu bringen. Gute Beispiele sind Coltene, Phoenix-Mecano und Partners Group. Trotz der unterschiedlichen Industrien und Geschäftsmodelle ist doch allen drei Unternehmen gemein, dass sie beeindruckende Eigenkapitalrenditen erzielen und Kapital, das nicht rentabel reinvestiert werden kann, an ihre Aktionäre in Form steigender Dividenden ausschütten. Das ist zwar keine Garantie dafür, dass sich die Wachstumsgeschichte fortsetzt, doch die Wahrscheinlichkeit ist relativ hoch. Die genannten Dividenden-Champions operieren in Nischenmärkten, die sowohl langfristig von Nachfragesteigerungen gekennzeichnet sind als auch erhebliche Barrieren für Konkurrenten aufweisen.

Partners Group

Kursverlauf der Partners Group Aktie in den letzten fünf Jahren. Quelle: six-group.com

Partners Group hat erfolgreich die privaten Anlagemärkte Private Equity, Infrastruktur, Real Estate und Private Debt für breitere Investorenkreise zugänglich gemacht – und das mit über dem Marktdurchschnitt liegenden Anlageergebnissen. Das schlägt sich in der Performance der Aktie und den steigenden Dividenden nieder.

Coltene

Kursverlauf der Coltene Aktie in den letzten fünf Jahren. Quelle: six-group.com

Coltene hat sich als zunächst kleiner Anbieter von dentalen Verbrauchsmaterialien zunehmend fokussiert, die Rentabilität gesteigert und ist zuletzt durch mehrere Übernahmen stark gewachsen. Zahngesundheit und schönes Aussehen sind in weiten Teilen der Welt ein Wachstumsmarkt, auch kosmetische zahnmedizinische Eingriffe erfreuen sich ungebremster Nachfrage.

Phoenix-Mecano

Phoenix-Mecano ist dagegen ein Zulieferer verschiedener Industrien und als solcher auch vom konjunkturellen Auf und Ab betroffen. Allerdings ist das Unternehmen in Subsegmenten tätig, die sich durch eine begrenzte Anzahl wettbewerbsfähiger Konkurrenten und solide Margen auszeichnen. Wenn auch die Dividende nicht jedes Jahr erhöht wird, so ist sie doch nie gesenkt worden!

Dividenden-Champions

Kurs Market Cap in Mrd. CHF Geschätzte Dividendenrendite 2019 Eigenkapitalrendite Dividende je Aktie 2013 Dividende je Aktie 2018
Coltene 99.50 0.6 3,20% 16,20% 1.80 CHF 3.00 CHF
Phoenix-Mecano 491 0.5 3,20% 8,60% 13.00 CHF 16.00 CHF
Partners Group 711 19 3,10% 40,40% 6.25 CHF 19.00 CHF

Dividendenpolitik

Es ist nicht zuletzt eine Frage der Dividendenpolitik, wie Unternehmen an der Börse von der Anlegerschaft wahrgenommen werden. Im Idealfall steigen die Umsätze, und stärker noch die Gewinne. Das erlaubt langfristig überdurchschnittliche Ausschüttungen, was wiederum die Kursentwicklung beflügelt. Wenn das Unternehmen dies ohne Kapitalerhöhungen schafft, steigt auch die Eigenkapitalrendite – sogar überproportional.

Ausschüttungsquote als Kriterium

Ein wichtiges Kriterium zur Beurteilung der nachhaltigen Dividendenfähigkeit ist, in Abhängigkeit von den vorgenannten Faktoren, die Ausschüttungsquote. Gute Dividendenzahler haben in der Regel eine klar definierte Ausschüttungspolitik, je nachdem, ob der Gewinn so reinvestiert werden kann, dass das zusätzliche Kapital eine über dem Marktschnitt liegende Rendite erwirtschaften kann, oder nicht. Stark expandierende Unternehmen investieren in neue Fertigungsstätten, Maschinen, Mitarbeiter. Ihre Ausschüttungsquote kann mit 20% oder 30% gering sein – solange die Expansion sich auch absehbar in höheren Gewinnen niederschlägt.

Diversifikation als teurer Irrweg

Reifere Unternehmen oder solche in reifen Industrien sehen sich mit einer anderen Situation konfrontiert. Ihr Kapitalbedarf ist oft auf Erhaltungsinvestitionen beschränkt, um Marktanteile zu halten. Die Gewinne werden oft zum grossen Teil ausgeschüttet. Nicht immer, aber doch sehr oft sind Diversifikationsbestrebungen um ihrer selbst Willen oder zur Profilierung des Managements teure Irrwege. Denn einfach so in ein neues und trendy Geschäft einzusteigen wie etwa die Photovoltaik oder Security Services oder als spezialisierter Outsourcing-Partner für grosse Industrieunternehmen oder Regierungen und supranationale Organisationen aufzutreten – das funktioniert bei grossen wie kleinen Unternehmen oft nicht. Bei den grossen fällt es vielleicht weniger auf wegen der vielen Aktivitäten, doch bei einem Small oder Mid Cap schmerzen Abschreibungen im zwei- oder dreistelligen Millionen CHF-Bereich empfindlich.

Orell Füssli wieder auf Kurs?

Ein anschauliches Beispiel hierfür ist die seit 500 Jahren bestehende Orell Füssli. Allein in den letzten 10 Jahren ist das Buchgeschäft um 20% eingebrochen. Die Bemühungen um Diversifizierung waren ernüchternd. Auch der jüngste Versuch in Form der Übernahme des deutschen Anlagenbauers Atlantik-Zeiser verlief desaströs. Ausser dem Bereich Banknotenserialisierung wurden alle Aktivitäten wieder veräussert, das Resultat sind Wertberichtigungen von 67 Mio. CHF im Geschäftsjahr 2018. Der Aktienkurs erreichte vor kurzem mit 77.50 CHF den tiefsten Kurs seit 23 Jahren. Das Hoch hatte nach der Jahrtausendwende bei 520 CHF gelegen. Der Börsenwert ist auf 160 Mio. CHF zusammengeschrumpft.

Langfrist-Chart der Orell Füssli Aktie. Quelle: six-group.com

Hohe Dividende – getrübter Ausblick

Die Dividendenrendite von Orell Füssli liegt mit 4,8% in der Spitzengruppe, doch Vorsicht ist angebracht, wie der jahrelange Kursverfall ja auch signalisiert. Auf das Buchhandelsgeschäft entfällt nur noch ein Drittel des Umsatzvolumens, wichtiger ist der Sicherheitsdruck. Doch genau dort liegen auch die Herausforderungen. Die Einführung der neuen Notenbankserie in der Schweiz hatte wegen technischer Probleme mit jahrelangen Verzögerungen zu kämpfen. Jetzt, nach Abschluss des lukrativen Grossauftrags aus der Heimat, müssen internationale Aufträge gewonnen werden. Hier laufen zwar Verhandlungen, doch die Konkurrenz dürfte hart sein und es dürfte auch über den Preis ausgetragen werden. Das sollte der EBIT-Marge von 4,5% zusetzen. Die Eigenkapitalquote von 70% sieht soweit stabil aus, doch nach Vorlage des Jahresabschlusses 2018 dürfte sich das Bild verschlechtern. Zudem steht im September ein Wechsel des CEO an.

Valora vor Neuvergabe der SBB-Kioskflächen

Ähnlich ist der Fall bei Valora gelagert, die auf aktueller Kursbasis ebenfalls 4,8% Dividendenrendite abwirft. Bekannt als Betreiber von Bahnhofskiosken ist das Kerngeschäft unter doppeltem Beschuss. Zum einen schmelzen die Umsätze bei den klassischen Kioskwaren wie Presseerzeugnissen weg, was mit einem verstärkten Angebot an Nahrungsmitteln kompensiert werden soll. Zum anderen endete die Neuausschreibung der Bahnhofsflächen durch die SBB 2018. Die laufenden Mietverträge reichen bis 2020. Valora betreibt 240 der 265 fraglichen Kioske. Von der SBB ist bekannt, dass sie weniger Kiosk- und mehr Convenience-Flächen anstrebt. Zwar ist es unwahrscheinlich, dass Valora grosse Einbussen haben wird, aber eine Reduzierung um 10% bis 20% ist realistisch. Das würde auch auf das Betriebsergebnis durchschlagen. Ob Massnahmen wie die Übernahme der Billigbäckerei-Marke Backwerk in Deutschland die wegfallenden Erträge kompensieren können, muss sich erst noch erweisen. Wenn auch die Dividende seit 1996 von 5 CHF je Aktie auf zuletzt 12.50 CHF erhöht wurde, so hängen doch Fragezeichen über den weiteren geschäftlichen Perspektiven. Die Dividende mag auf kurze Sicht sicher sein, doch die langfristige Kursentwicklung ist wenig inspirierend.

Langfristige Kursentwicklung der Valora-Aktie. Quelle: six-group.com

Konjunkturabhängige Dividendenzahler

Bei einer ganzen Reihe von guten Dividendenzahlern ist der Geschäftsgang nicht unwesentlich von der allgemeinen Wirtschaftslage abhängig. Dies trifft auf den Aussenwerbungsvermarkter APG SGA zu, dessen Aktie geschätzte 6,4% Dividendenrendite abwirft, auf Carlo Gavazzi mit 4,4%, auf Flughafen Zürich mit 3,7%, aber auch auf das Industrieunternehmen Kardex mit 3%. Handelt es sich um eine schwache Rezession, auf die bald wieder eine Expansionsphase folgt, so würden die aktuellen Kurse im Rückblick wohl als attraktiv eingestuft. Kommt es jedoch zu grösseren Verwerfungen an den Märkten wie ab 2001 oder 2008, dürfte sich auch diese Aktien kaum dem Abwärtssog entziehen können.

Konservative Auswahl

Wer auf der sicheren Seite stehen will, wählt daher Dividendenaktien von Unternehmen mit konjunkturresistenten Charakteristika und profitablen Geschäftsmodellen. Stetige Erhöhungen der Dividende in den vergangenen Jahren untermauern eine gute Wahl. Neben Coltene, Partners Group und Phoenix-Mecano erscheinen auch Galenica und Landis+Gyr, beides Neuzugänge an der Börse aus den letzten Jahren, interessant. Allerdings können beide trotz der Vorgeschichte keine vergleichbare Dividendenhistorie vorweisen. Die erwartete anfängliche Dividendenrendite liegt bei beiden Aktien bei ca. 3,7%.

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