Jungfraubahn: Die V-Bahn kommt – what’s next?

Rekordumsätze und -gewinne in 2018 - CEO Urs Kessler: «Ich bin hungrig wie ein Tiger»

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Mit dem Eigerexpress kommen die Gäste ab Winter 2020 schneller auf das Jungfraujoch und ins Skigebiet auf der kleinen Scheidegg. Bild: jungfraubahn.ch

Die Jungfraubahnen im Berner Oberland eilen von Rekord zu Rekord. Im letzten Jahr besuchten 1,067 Mio. Besucher das Jungfraujoch – Top of Europe. 28 Tage im Jahr war das Joch ausverkauft, denn es können maximal 5’000 Besucher am Tag auf den 3’466 Meter hohen Verbindunggrat zwischen Mönch und Jungfrau fahren. Auch finanziell lief es bei dem Tourismusunternehmen hervorragend. Der Gesamtumsatz stieg kräftig auf 212.8 Mio. CHF (+ 9,8%), der Reingewinn erreichte mit 47.8 Mio. CHF (+ 15,0%) einen neuen Höchstwert.

Für die grösste Schweizer Bergbahngesellschaft war 2018 insgesamt ein nahezu perfektes Jahr, in dem alles stimmte. Das Wintersportgeschäft, bisher Sorgenkind der Gruppe, konnte sich dank der guten Schneeverhältnisse erholen und erreichte einen Nettoumsatz von 28.1 Mio. CHF. Der lange und heisse Sommer führte zu einem kräftigen Anstieg der Umsätze um 24,9% auf 27.4 Mio. CHF bei den Erlebnisbergen. Dazu gehören u.a. Grindelwald-First, die Schynige Platte und der Harder in Interlaken. Auch hielt der Zustrom an asiatischen Touristen ins Berner Oberland weiter an.

Doch damit noch nicht genug: Anfang Juni 2018 konnten auch die letzten Beschwerden für das wichtige V-Bahn-Projekt beseitigt werden, so dass bereits am 3. Juli 2018 mit dem Bau der neuen Bahn begonnen wurde. Derzeit entsteht in Grindelwald-Grund ein neues Terminal. Schon ab der Wintersaison 2019/20 werden die Züge der Berner Oberland Bahn am «Grindelwald Terminal» halten. Ebenfalls am 14. Dezember 2019 geht auch die neue Gondelbahn Grindelwald-Männlichen in Betrieb, welchen den einen Arm der neuen V-Bahn darstellt. Ein Jahr später folgt dann die Eröffnung des Gesamtprojektes mit dem Eigerexpress, der die Gäste dank der neuen 3S-Bahn rund 43 Minuten schneller als bisher auf das Jungfraujoch bringen wird.

Die 8 Elemente der V-Bahn. Das Gesamtprojekt kostet 320 Mio. CHF. Im Dezember 2019 soll die Verbindung von Grindelwald Terminal (1) auf den Männlichen in Betrieb genommen werden. Bild: jungfraubahn.ch

Weiteres Wachstum in allen Bereichen angestrebt

Angesichts dieser Erfolge könnte sich Urs Kessler, CEO der Jungfraubahn Holding AG, nun zufrieden zurücklehnen. Doch das Gegenteil ist der Fall: «Ich bin hungrig wie ein Tiger», meinte er an der Jahresmedienkonferenz. Konkret bedeutet dies wohl, dass auch mit der Fertigstellung der V-Bahn die Wachstumsgeschichte der Jungfraubahnen-Gruppe noch nicht zu Ende ist. Darauf deuten auch die Weichenstellungen hin, die in den letzten Jahren vorgenommen wurden. Lag bis vor fünf Jahren der Fokus vor allem auf dem Gruppenreise- und Ausflugsverkehr auf das Jungfraujoch und dem Wintersportgeschäft in Grindelwald, wachsen nun auch das Segment Erlebnisberge und die übrigen Umsätze überdurchschnittlich.

Im 2018 kletterte der Umsatz im Segment Jungfraujoch um 8,2% auf 139,2 Mio. CHF, während das Segment Erlebnisberge mit 24,9% wesentlich stärker wuchs. Noch deutlicher wird die Bedeutung der Erlebnisberge auf der Gewinnseite: Das Betriebsergebnis auf Stufe EBITDA legte im Segment Jungfraujoch mit 1,4% nur noch leicht zu, während die Erlebnisberge eine Steigerung von 41,2% auf 14,5 Mio. CHF erzielen konnten. An diesen Zahlen zeigt sich, dass der Entscheid, die Harderbahn, Schynige Platte und die Bergbahn Lauterbrunnen-Mürren noch stärker in die Vermarktung der Jungfraubahnen-Gruppe mit aufzunehmen, richtig war. Nun können auch Gäste ein Bergerlebnis buchen, die nicht die Zeit für eine Reise auf das Jungfraujoch haben. Ohne die Cross-Selling-Power der Jungfraubahnen-Gruppe hätten die kleinen Bahnen weiterhin ein Mauerblümchendasein gefristet.

Jungfraubahn will künftig auch Uhren verkaufen

Talstation für den Eigerexpress und die Männlichenbahn mit Shopping-Tempel: „Grindelwald Terminal“. Bild: jungfraubahn.ch

Ein ebenso wichtiges Element für die Zeit nach der Eröffnung der V-Bahn wird der Bereich Gastronomie und Shops sein. «Wir wollen die Jungfraubahn-Gruppe zu einem integrierten Freizeit- und Serviceunternehmen weiterentwickeln», machte Urs Kessler an der Medienkonferenz nochmals deutlich. Bereits 2018 hatte das Unternehmen den Restaurantbetrieb auf der Kleinen Scheidegg übernommen. In diesem Jahr folgen die Betriebe auf dem Jungfraujoch und am Eigergletscher, im kommenden Jahr dann im Terminal Grindelwald-Grund.

Grosses Wachstumspotenzial sieht Kessler auch im Shop-Geschäft. 2018 seien die Umsätze in den «Top of Europe Shops» um 16.1% angestiegen. Ab Mitte September soll in Interlaken am Höheweg in einem ehemaligen Gebäude der Berner Kantonalbank (BEKB) ein neuer Flagship-Store eröffnet werden. Im Angebot werden die Shops Eigenmarken, Souvenirs und Uhren haben. Im Januar 2021 soll zudem auf dem Jungfraujoch ein neuer Uhrenladen mit ausgewählten Marken eröffnet werden, den die Jungfraubahn-Gruppe in Eigenregie betreiben möchte. «Wir sehen hier mit unserer Marke Jungfrau – Top of Europe in Zukunft viel Wachstumspotenzial», so Kessler.

In das neue Geschäftsjahr ist das Tourismusunternehmen erfolgreich gestartet. Im Wintersportgeschäft legte die Anzahl Skier Visits bis zum 24. März um 9,8% zu. Bei der Jungfraubahn selbst war der Februar 2019 der stärkste Februar in der Geschichte des Unternehmens; die Frequenzen lagen bis zum 24. März um 7,3% über dem Vorjahr. Daher rechnet die Jungfraubahnen-Gruppe mindestens mit einem gleichbleibenden Ergebnis in 2019. Als ehrgeiziges Ziel nennt Kessler mittelfristig 1.25 Mio. Eintritte am Jungfraujoch und 50 Mio. CHF Umsatz im Wintersportgeschäft. Raum für Wachstum besteht also auch noch im Kerngeschäft.

Fazit

Im Schweizer Tourismus läuft es in den letzten Jahren wieder besser; die Anzahl Logiernächte ist auch 2018 schweizweit um 3,8% gestiegen. Doch daraus zu schliessen, dass die Jungfraubahnen-Gruppe im Windschatten der belebten Tourismuskonjunktur fährt, wäre zu kurz gegriffen. Schon vor mehr als zehn Jahren hat die Bahn Asien als neuen Wachstumsmarkt erkannt und seither konsequent bearbeitet. Ein Schachzug, der sich heute auszahlt.

Viel wichtiger ist allerdings, dass das Unternehmen in den vergangenen Jahren trotz der zunehmenden Konkurrenz und dem Preisdruck im Schweizer Tourismus konsequent an ihrer Hochpreispolitik festgehalten hat. CEO Urs Kessler betonte auch in diesem Jahr wieder, dass der Durchschnittsertrag im Geschäftsfeld Jungfraujoch um 2 CHF auf 112 CHF gesteigert werden konnte. Mit der V-Bahn hat die Gesellschaft nun die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass auch künftig der Ertrag im Geschäftsfeld Jungfraujoch wachsen kann. Allerdings sind hier die Möglichkeiten, selbst mit schnelleren Transportwegen und höheren Frequenzen, begrenzt. Es können maximal nur 5’000 Gäste auf das Joch. Daher setzt die Jungfraubahn nun auf 12 Monate Hochsaison. Parallel dazu sollen mit den Erlebnisbergen, im Wintersport und durch das Gastronomie- und Shopgeschäft zusätzliche Erträge generiert werden. Nur in die Hotellerie möchte das Unternehmen (noch?) nicht einsteigen.

Dank der guten Entwicklung am Jungfraujoch erwirtschaftete das Unternehmen 2018 einen Cashflow von fast 80 Mio. CHF. So lassen sich die Investitionen in die V-Bahn zu einem guten Teil problemlos aus eigener Kraft finanzieren. Finanzchef Christoph Seiler geht davon aus, dass bei einem weiterhin positiven Geschäftsgang die maximale Fremdverschuldung Ende 2020 bei rund 50 bis 60 Mio. CHF liegen wird. Mit der Fertigstellung der V-Bahn dürften dann ab 2021 die Erträge deutlich zunehmen; dies allerdings bei einer gleichzeitigen Zunahme der Abschreibungen, welche die Erfolgsrechnung vorerst belasten werden. Allerdings tragen dann auch zusätzliche Erträge aus dem Gastronomie- und Shopgeschäft sowie den Erlebnisbergen zu einer weiteren Verbesserung des Ergebnisses bei. Da künftig keine Investitionen mehr in der Grössenordnung der V-Bahn anstehen, ist ab 2021 mit einer Erhöhung der Ausschüttungen zu rechnen.

Derzeit werden die Aktien bei Kursen um die 143 CHF an der SIX Swiss Exchange gehandelt. Dies entspricht einem 2018er KGV von 17.5. Die Bilanz ist mit einer Eigenkapitalquote von 79,7% und flüssigen Mitteln per Ende 2018 von 87.4 Mio. CHF äusserst solide. Sie lässt die Finanzierung des 320 Mio. CHF teuren V-Bahn-Projektes, selbst bei einem möglichen kurzfristigen Einbruch der Gästezahlen aufgrund ausserordentlicher Einflüsse oder geopolitischer Risiken, problemlos zu. Derzeit liegt die Dividendenrendite nach der Erhöhung von 2.40 auf 2.80 CHF je Aktie bei knapp 2%. Ab 2021 könnte sie allerdings deutlich steigen.

Insbesondere bei Investoren, die an das langfristige Wachstum des Tourismus in der Schweiz glauben, gehört die Aktie ins Portfolio. Nach dem Kursanstieg seit Jahresbeginn hat der Aktienkurs allerdings schon wieder einiges an Zukunftspotenzial vorweggenommen. Kursschwächen können jedoch zu Käufen genutzt werden. Denn die Risiken dürften begrenzt sein und vor allem im Bereich der geopolitischen Lage, einem Abflauen des Tourismusbooms aufgrund konjunktureller Schwäche und ausserordentlicher Ereignisse (z.B. Reisebeschränkungen wegen gesundheitlicher Risiken) liegen.

Hinweis in eigener Sache: Am 17. September 2019 findet in Andermatt der nächste Branchentalk Tourismus statt. Im Fokus stehen Erfolgsfaktoren für touristische Grossprojekte in der Schweiz. Zu den Referenten gehört auch Urs Kessler, CEO der Jungfraubahnen. Mit dabei sind ebenfalls Samih Sawiris und Norbert Patt.

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