In der Schweiz sorgten der Investor Samih Sawiris und die ägyptische Orascom Development Holding (ODH) mit ihren Plänen für Furore, aus dem Dorf Andermatt eine pulsierende Tourismusdestination zu entwickeln. Seit 2008 hat die ODH Gruppe auch ihren Sitz in der Schweiz. Das Projekt in Andermatt hat in den letzten zehn Jahren wichtige Entwicklungsschritte gemacht. Jüngst konnten das Radisson Blu Hotel und die Konzerthalle eröffnet werden. Doch ODH ist mehr als nur Andermatt.

CEO Khaled Bichara schildert im Gespräch mit schweizeraktien.net, wie das Unternehmen als Stadtentwickler in sieben Ländern touristische Destinationen entwickelt und warum es in Kairo auch ein neues Stadtviertel im Erstwohnungsmarkt baut. Schon im kommenden Jahr soll die Tochtergesellschaft Andermatt profitabel werden.

Khaled Bichara und Samih Sawiris sind Referenten am Branchentalk Tourismus von schweizeraktien.net.

Herr Bichara, haben Sie mittlerweile Ihre Deutschkenntnisse verbessert?

Nein, bisher noch nicht. Meine zwei Kinder und meine Frau sprechen deutsch. Sie gehen in die Deutsch Evangelische Oberschule in Kairo. Das ist eine der besten Schulen in Kairo. Meine Frau möchte noch besser deutsch lernen und geht ans Goethe Institut, auch um die Kinder besser unterstützen zu können.

Das sind aber gute Nachrichten für die Aktionäre der ODH. An der Generalversammlung haben Sie gesagt, dass Sie Ihre Zeit lieber dafür einsetzen möchten, die Ergebnisse der Gesellschaft zu verbessern als in Deutschkurse zu investieren.

Heute bin ich CEO der Orascom Development Holding, von Orascom Development Egypt, von O West und Interims-CEO von Andermatt Swiss Alps. Da habe ich genug zu tun. Wenn ich aber Zeit habe, werde ich deutsch lernen.

Für die Aktionäre ist das aber ein gutes Zeichen, dass die Zahlen Ende Jahr noch besser werden.

Ja. Die jüngst publizierten Halbjahreszahlen bestätigen den Aufwärtstrend.

Kommen wir zu Andermatt. ODH und Samih Sawiris sind in der Schweiz ein Synonym für Andermatt, obwohl die ODH Gruppe über Projekte in sieben Ländern verfügt. Welchen Anteil steuert Andermatt zu den Gesamterträgen bei?

Der Anteil am Ergebnis ist null, denn derzeit wird unsere Gesellschaft Andermatt Swiss Alps nicht konsolidiert. Sie ist eine 49%ige Beteiligung unserer Gruppe. Wenn wir sie voll konsolidieren würden, wären es ungefähr 30% an den Gesamterträgen.

Sie wollen Andermatt doch in den nächsten Jahren wieder voll konsolidieren, wenn Sie die Mehrheit von Samih Sawiris übernommen haben.  

Wir haben die Option, von Samih Sawiris 1% und eine Aktie zu übernehmen. Es war die Idee, Andermatt nicht in ODH zu konsolidieren, bis Andermatt unter dem Strich ein positives Resultat erzielt. Es war nie das Ziel der Gruppe, kurzfristige Erfolge zu erzielen, denn ein solches Projekt braucht Zeit. Insgesamt verfügen wir über grosse Landreserven, entwickeln mehrere Städte und deren Infrastruktur, peilen in jeder Destination die kritische Grösse an, um schliesslich wieder profitabel zu sein.

Im Juni wurde die neue Konzerthalle in Andermatt mit einem Konzert der Berliner Philharmoniker eröffnet. Bild: www.andermatt-swissalps.ch

Wie wichtig ist die Destination Andermatt für die ODH Gruppe?    

Wir sehen grosses Potenzial für Andermatt. Nach dem Ausscheiden von Franz Xaver Simmen als CEO habe ich die Leitung von Andermatt interimistisch übernommen, bis Anfang Januar 2020 der neue CEO Raphael Krucker zu uns stösst. So hatte ich die Möglichkeit, noch mehr Daten und Informationen zu erhalten. Die Erfahrungen, die wir in Andermatt gemacht haben, helfen uns nun in anderen Destinationen der Gruppe. Aber es gibt auch Möglichkeiten, wie die Gruppe Andermatt helfen kann, um noch schneller profitabel zu werden. Ohne die Verluste aus Andermatt wäre die ODH Gruppe heute bereits profitabel. Erfreulich ist, dass die Immobilienverkäufe in den letzten zwei Jahren in Andermatt stark gestiegen sind, von 30 Mio. CHF auf über 110 Mio. CHF in 2018..

Welches sind die nächsten Schritte, und wann wird Andermatt fertiggestellt sein?

Wir beabsichtigen, noch vier Hotels zu bauen. Dafür haben wir den entsprechenden Masterplan. Die Geschwindigkeit, mit der wir vorgehen, ist zum Teil abhängig von interner Planung und zum Teil von der Reaktion des Marktes. Manchmal müssen wir schneller vorwärts gehen, weil wir sehen, dass die entsprechende Nachfrage vorhanden ist, manchmal müssen wir die Geschwindigkeit reduzieren, um Wert schaffen zu können. Die notwendige Infrastruktur, wie etwa die Skilifte, haben wir erstellt. Ohne ausreichend Betten nutzt aber auch die beste Infrastruktur nichts.

Das ist die berühmte Huhn-Ei-Frage …

Wenn wir die Destinationen entwickeln, betrachten wir diese als Plattform. Wir versuchen, ein Ökosystem zu bauen. Das tun wir immer mit Partnern zusammen. Das sind andere Hotels, Restaurants, Geschäfte: Auch die Ferienwohnungen und deren Eigentümer gehören dazu. Wir möchten nicht die einzigen sein, die hier Geschäfte machen. Jedes Mal, wenn ich nach Andermatt gehe, besuche ich andere Boutique-Hotels und Restaurants. Denn die Gäste sollen nicht nur im Chedi essen. Entscheidend für den Erfolg ist das Gesamtangebot in einer Destination. ODH treibt zwar das Wachstum in Andermatt, weil wir der grösste Anbieter sind. Aber nur wenn ganz Andermatt wächst, werden wir gemeinsam Erfolg haben.

Vier weitere Hotels? Was für Hotels planen Sie noch?

Eines unseres vier neuen Hotels wird ein Familienhotel werden, das sich besonders an Familien mit Kindern im Vorschulalter richtet. Dies macht sie unabhängiger von den Schulferien. Vorgesehen ist zudem ein Golfhotel, mehr kann ich jetzt noch nicht dazu sagen.

Wer ist die Zielgruppe Ihrer Hotels in Andermatt, und wie entwickeln sich die Belegungszahlen?

Die Hälfte werden Schweizer sein. Die anderen 50% etwa zur Hälfte Europäer und Gäste aus anderen Ländern. Der Mix macht es aus.

Im Chedi haben wir im letzten Jahr eine Belegungsrate von 54% erreicht. Im Vorjahr waren es noch 35%. Man muss allerdings berücksichtigen, dass wir das ganze Jahr über geöffnet haben – und nicht nur saisonal wie in vielen anderen Ferienorten. Damit wollen wir verhindern, dass Andermatt in der Nebensaison ein Geisterdorf wird.

Davon profitiert dann auch das ganze Dorf …

Jedes Mal, wenn wir nach Andermatt kommen und die Geschäftsleute hier hören, dass wir von ODH sind, sagen sie, dass es besser geworden ist, seitdem wir hierher gekommen sind. Dies zeigt sich auch an der Bevölkerungszahl. Erstmals seit Jahren ist die Bevölkerung in Andermatt wieder gewachsen.

Es war aber nicht nur die Vision von Samih Sawiris, es waren auch seine Ausdauer und die Geduld, die zum Erfolg geführt haben. Und dies, obwohl immer wieder daran gezweifelt wurde.

Kommen wir zu den anderen Märkten von ODH. Ägypten ist mit rund 60% der Umsätze der wichtigste Markt. Wie steht es um die Risiken in diesem Land?

El Gouna am Roten Meer ist heute nur noch eines von fünf Projekten der ODH Gruppe in Ägypten. Bild: www.orascomdh.com

Als ich 2016 zur ODH Gruppe kam, bestand das Geschäft zu 80 bis 90% aus El Gouna. Wenn man heute auf Ägypten schaut, dann gehören neben El Gouna auch Makadi Heights, Taba Heights und O West dazu. Es sind unterschiedliche Regionen und unterschiedliche Zielgruppen, mit denen wir zu tun haben. Unsere Lehre aus den Rückschlägen in 2016 war, dass wir in Ägypten so viel wie möglich diversifizieren müssen. Die Ertragsquellen sind heute viel besser verteilt und bestehen aus Immobilienerträgen, Hotellerie und Town Management. Und die vier Destinationen geben eine bessere Balance. Wenn in Taba Heights einmal die Übernachtungen zurückgehen, wie beispielsweise nach der Reisewarnung des Deutschen Aussenministeriums 2015, laufen die anderen Destinationen. Dass Ägypten ein resilienter Markt ist, zeigte sich 2017. Ohne die Abwertung der Währung wäre unsere Gruppe auch im herausfordernden Jahr 2017 gewachsen.

Warum haben Sie mit O West erstmals in ein nicht touristisches Projekt investiert?

Wir haben im Rahmen der Strategieüberprüfung bei meinem Amtsantritt drei Prioritäten definiert. Erstens, dass ODH künftig destinationen-basiert geführt wird. Daher haben wir uns entschieden, die ganze Gruppe als Stadtentwickler zu positionieren. So sind wir der einzige private Stadtentwickler weltweit, der über zehn Städte in sieben Ländern auf drei Kontinenten verfügt. Wenn man auf die Stadtentwicklung fokussiert, erwächst das übrige Geschäft aus der Stadt heraus.

Nach der Neuausrichtung der Managementstruktur war es meine zweite Aufgabe, die Bilanz in Ordnung zu bringen. Die Schulden waren im Verhältnis zum Betriebsgewinn mit 14,8 viel zu hoch. Heute liegen wir wieder bei 3,3. Jetzt ist die Firma gesund.

Der dritte Punkt war, die Marke noch mehr zu nutzen. Wir verfügen mit Sawiris, Orascom und El Gouna über starke Marken. Mit diesem Marken wollen wir in neuen, grösseren Märkten tätig werden. Bisher waren wir in Ägypten im Zweitwohnungsmarkt tätig. Viele Ägypter besitzen ein Haus am Roten Meer und am Mittelmeer und wohnen in Kairo oder der Nordküste. Es war daher naheliegend, mit unserem etablierten Brand auch den Markt für Erstwohnungen zu erschliessen. Dass wollten wir aber nur tun, wenn wir ein Grundstück an der richtigen Lage zum richtigen Preis erhalten. O West erfüllt alles und wird zu einem der grössten Projekte in unserem Portfolio.

Wie läuft es in den anderen Destinationen?

Jebel Sifah in Oman ist eine Zehn-Monats-Destination. Dort läuft es sehr gut, die Immobilienverkäufe ziehen an. Allein im 1. Halbjahr 2019 wurden 40 Häuser von Touristen gekauft. Die Hotels sind erst drei Jahre alt. Damit wir in der Anfangsphase Gäste gewinnen konnten, mussten wir auch andere Unternehmer überzeugen, hier ein Geschäft oder Restaurant zu betreiben. Das ist uns gelungen.

Und Lustica Bay in Montenegro?

Auch dort geht die Einwicklung in die richtige Richtung. Ein Jahr nach Eröffnung des Hotel The Chedi hat sich die Belegung positiv entwickelt und liegt nun bereits bei knapp 50%. Noch vor einem Jahr war in dem Hafen gerade mal eine einzige Yacht. Jetzt ist der Yachthafen mit 68 Booten belegt, es gibt drei Restaurants, und wir sind dabei, auch hier unser bewährtes Ökoystem schrittweise auszubauen. So funktioniert das an allen Destinationen, in denen wir tätig sind.

Gibt es auch Standorte, in denen Sie Schwierigkeiten haben?

Makadi war eine seit Jahren bestehende Destination, und wir mussten uns entscheiden, ob wir sie gross machen oder es bleiben lassen. Lassen wollten wir es nicht, denn wir hatten ja schon Kunden. Also entschieden wir uns für Wachstum. 2017 lagen die Immobilienverkäufe bei nur 100’000 CHF, in 2018 waren es schon 13.7 Mio. CHF. Jetzt im 1. Halbjahr 2019 konnten wir in den ersten sechs Monaten Immobilien für 13 Mio. CHF verkaufen. Wichtig ist es, die kritische Masse zu erreichen. Allerdings ist die kritische Masse in jeder Destination anders. Jede Destination hat daher bei uns eigene KPIs, an denen wir uns orientieren.

Sie haben im Oktober letzten Jahres die Bewertung von CBRE für El Gouna vornehmen lassen. Alleine Land und Hotels in El Gouna sind 2.1 Mrd. US-Dollar wert, was viermal der aktuellen Marktkapitalisierung entspricht. Warum reflektiert der Aktienkurs diesen Wert noch nicht?

Unser Ziel war es immer, operative Gewinne und nicht Buchgewinne auszuweisen. Wir könnten bei einer Marktwertbetrachtung der Immobilien und des Landes höhere Gewinne ausweisen, halten dies aber nicht für sinnvoll. Denn Gewinn ist eine Meinung, Cash ist ein Fakt, wie ein Sprichwort sagt. Daher fokussieren wir mehr auf den Cashflow. Und dieser wächst jedes Jahr zweistellig. Die Bewertung haben wir vornehmen lassen, um Investoren zeigen zu können, welche Werte in der Gesellschaft stecken. Wenn wir nun auch zeigen können, dass sich diese Substanz in Cash umwandeln lässt, wird der Aktienkurs entsprechend reagieren.

Der Klimawandel beschäftigt unsere und vor allem die nächste Generation sehr stark. Welchen Einfluss hat das auf Ihr Geschäft, und welche Massnahmen haben Sie ergriffen?

Die Auswirkungen des Klimawandels auf unser Geschäft sind sehr gross. Gibt es keinen Schnee mehr in Andermatt, kann man auch nicht Ski fahren. Regnet es viel am Meer, kann man nicht mehr schwimmen gehen. Am Ende ist es die schöne Natur, die wir verkaufen. Daher haben wir sehr viel in unseren Destinationen unternommen, um etwas für den Umweltschutz zu tun. El Gouna hat von der UNO einen Green City Award erhalten. Wir reduzieren Plastik, verzichten auf Strohhalme und arbeiten nur mit Lieferanten, die auch umweltbewusst handeln. Uns betrifft der Klimawandel mehr als viele anderen Unternehmen. Daher agieren wir sehr verantwortungsbewusst.

Herr Bichara, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Die Aktien der Orascom Development Holding sind an der SIX Swiss Exchange kotiert. Zuletzt wurden 14.78 für eine Aktie bezahlt.

Transparenzhinweis: Dem Autor nahestehende Personen halten Aktien der Orascom Development Holding AG.

Hinweis in eigener Sache: Am 17. September 2019 findet in Andermatt der Branchentalk Tourismus statt. Im Fokus stehen Erfolgsfaktoren für touristische Grossprojekte in der Schweiz. Mit dabei sind neben Samih Sawiris, VR-Präsident der Orascom Development Holding, auch Urs Kessler von den Jungfraubahnen und Norbert Patt von Titlis Rotair.

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