Birgitte Olsen, BB Entrepreneur Switzerland: «Schweizer Small Caps sind attraktiv»

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Der Fonds BB Entrepreneur Switzerland investiert in börsennotierte eigentümergeführte Unternehmen in der Schweiz, welche von einem Unternehmer oder einer Unternehmerfamilie mit mindestens 20% der Stimmrechtsanteile kontrolliert und massgeblich beeinflusst werden. Das Management-Team der Bellevue Asset Management identifiziert mittels eines fundamentalen Bottom-up-Ansatzes die attraktivsten eigentümergeführten Unternehmen mit kleiner, mittlerer als auch grosser Marktkapitalisierung und konstruiert aus 40 bis 50 Titeln ein über Sektoren diversifiziertes Portfolio.

Birgitte Olsen, CFA, ist seit 2008 als Senior Portfolio Manager BB Entrepreneur-Strategien bei Bellevue Asset Management tätig. Davor war sie über neun Jahre bei Generali Investments in Köln als stv. Leiterin für das Portfolio Management Aktien Europa zuständig. Olsen hat ein Studium in der Vertiefungsrichtung Finanz- und Rechnungswesen an der Universität St. Gallen abgeschlossen.

Frau Olsen, das letzte Quartal 2018 hat Ihren Fonds wesentlich stärker getroffen als die Benchmark. Auf was führen Sie die deutlichen Korrekturen Ihres Fonds nach unten zurück?

Als Bottom up fundamentaler Stockpicker mit einem Fokus auf Familienunternehmen und Entrepreneurs verfolgen wir einen aktiven Ansatz. Unser Portfolio ist in seiner Sektorkomposition Benchmark-agnostisch und mit einem langfristig gesunden Tilt zu Nebenwerten. Die Schweizer Benchmark SPI ist dagegen sehr Large Cap lastig, sehr defensiv und gekennzeichnet von mehr als 50% Gewichtung in den 3 Titeln Nestlé, Roche und Novartis. In Phasen wie im 4. Quartal 2018, dominiert von Unsicherheiten und Rezessionsängste, bleiben wir strukturell hinter der Benchmark zurück.

Auch 2019 konnten Sie die Performance der Benchmark nicht mitgehen, deren kumulierte Wertentwicklung über 6 Prozentpunkte über der Ihren liegt. Warum legen Familienunternehmen, die das Hauptziel Ihrer Investitionen ausmachen, nicht das gleiche Kurs-Wachstum an den Tag wie die SPI-Unternehmen?

2019 haben schweizweit passive Fonds besser rentiert als aktive Ansätze, was im historischen Durchschnitt eine Anomalie ist. Das liegt an der ununterbrochenen starken Performance der defensiven Large Caps. Symptomatisch dafür konnte das mehr als CHF 300 Mrd. schwere Unternehmen Nestlé bis Anfang September dieses Jahres um über 40% in 2019 zulegen. Seit Mitte August normalisiert sich übrigens diese «Einbahnstrasse», und wir konnten einiges an relativer Performance wieder gutmachen.

Performance des Fonds BB Entrepreneur Switzerland (blau) vs. der Benchmark SPI (grau) bis 28.10.2019. Quelle: bellevue.ch

Fast ein Drittels Ihres Portfolios nehmen Industrietitel ein. Nun bescheinigen Sie den Zyklikern in 2019 keine gute Performance, beschreiben aber eine Sektorrotation hin zu Value im Monatsbericht September. Bei welchen familiär geführten Industrieunternehmen sehen Sie besondere Chancen? Bei welchen Risiken?

Die politischen und ökonomischen Unsicherheiten haben eine allgemeine Flucht in Sicherheit ausgelöst. Rein in Gold, Bonds, Large Caps, defensive Titel, raus aus Value und Zyklikern und aus Nebenwerten. Selten war die Spanne zwischen Growth und Value so hoch wie jetzt. Diese Bewegung hat ihren Zenit überschritten, und die Bewertungen der zurückgelassenen Unternehmen erscheint jetzt in einem attraktiveren Licht. Unsere Favoriten sind u.a. VAT, Inficon, Daetwyler, Vetropack und Lem.

Sie waren bei unserem letzten Gespräch vor einem Jahr sehr optimistisch, was Swatch anbelangt. Nun hat das Papier im letzten Jahr um fast 20% an Wert verloren und dümpelt bei Tiefstständen rum. Was läuft da schief? Halten Sie Ihre Bestände weiterhin?

Luxusgüter sind ja nicht betroffen von den steigenden Handelstarifen. Infolge der Unruhen in Hongkong mussten aber auch wir unsere Position drosseln. Der Hongkong-Markt repräsentiert ca. 10% der Swatch-Umsätze, und es dürfte eine sehr profitable Region für die Gruppe sein. Die jüngsten Ergebnisse im dritten Quartal anderer Luxusmarken zeigen, dass Konsumenten ihre Einkäufe in andere Regionen ausrichten, etwa Korea, Japan oder Festland China. Wir sehen keinen kurzfristigen Katalysator für die Aktien, dennoch observieren wir eine Bodenbildung. Der P/E20E liegt aktuell bei 14.5x, ein historisch extremer Discount von 40% zum Luxussektor.

Sie sagten in einem Conference-Call Anfang Monat, dass bezüglich der Bewertung Small-Caps im Moment besonders interessant seien. Können Sie uns dazu ein paar konkrete familiengeführte Unternehmen nennen?

Dieser Kommentar bezog sich auf europäische Nebenwerte, die wahrhaft stark abgeschlagen sind. Der Schweizer Markt ist vergleichsweise teuer, was schon immer der Fall war, aber aktuell erreicht die Prämie vom SPI versus SXXP einen historischen Höchststand. Dies ist natürliche eine Folge der starken Rallye von defensiven Large Caps. Small Caps sind jedoch auch im Schweizer Kontext attraktiv, denn sie offerieren mehr Wachstum. So vergleicht sich der PEG (P/E to growth) vom Fonds bei 1.5x mit 2.2x für den SPI. Attraktiv bewertete Unternehmen sind z.B. Logitech, Gurit, Vontobel oder Bobst und Swatch für die Geduldigeren.

Sie haben die neue Position Dufry aufgemacht. Wie ist bei diesem Unternehmen die Entwicklungsperspektive?

Seit Mitte 2017 hat die Aktie um 50% verloren. Die in den letzten 10 Monaten beobachtete Umsatzwachstumsverlangsamung findet langsam ein Ende. Lateinamerika, eine Region, die für den Duty-Free-Spezialisten früher 40% des Umsatzes ausgemacht hat, repräsentiert nur noch 18%. Lateinamerika ist nach wie vor schwach, jedoch überkompensiert durch die positiven Trends in Europa und Afrika. Mit einer Dividendenrendite von 5% und einem P/E20E von 10.8x finden wir die Aktie attraktiv bewertet.

Welche Rolle spielen bei Familienunternehmen die Nachhaltigkeit, die ESG-Kriterien?

Grundsätzlich denken Entrepreneurs und Familienunternehmen sehr langfristig und über Generationen hinweg. Das zeigt sich auch in ihrer Aversion gegenüber Fremdkapital, was zu Eigenkapitalquoten von 60% bis 70% im Schnitt führt. Die historisch kritisierten und punktuell schwachen Governance Standards wurden in den letzten 10 Jahre stark verbessert, und heute zählen Familienunternehmen laut McKinsey zu den besseren im Feld. Dank ihren starken Bilanzen investieren sie überdurchschnittlich viel in Innovation, mit dem Ziel einer ökologischen und ökonomischen Nachhaltigkeit, was heute Hand in Hand geht.

Welches sind in Ihrem Anlagehorizont Titel, die besonders den ESG-Kriterien folgen?

Vontobel, Richemont, Barry Callebaut, Logitech, LEM oder Kühne & Nagel sind Beispiele von Unternehmen, die über überdurchschnittlich gute ESG Ratings verfügen.

Lassen Sie uns aktuell zu dem IPO SoftwareOne kommen. Haben Sie sich beim Börsengang eingedeckt?

Wir haben an diesem IPO nicht teilgenommen. Wir mögen SAAS-Geschäftsmodelle, und als Marktführer verfügt SoftwareOne über klare Wettbewerbsvorteile. Schwierig finden wir die grosse Abhängigkeit von Microsoft-Produkten (70% des Umsatzes) und die Akquisition von Comparex, die wegen der relativen Grösse ein gewisses Integrationsrisiko darstellt. Dieses Geschäftsfeld lebt von der Visibilität des Umsatzwachstums und der Resistenz der Margen. Bekannte Wettbewerber in Europa, die wir gut kennen und verfolgen, sind Atea in Skandinavien oder Bechtle und Cancom in Deutschland.

Aus Stadler-Rail sind Sie bereits wieder draussen. Warum haben Sie keine weitere Kursfantasie bei diesem Titel?

Bahn und öffentlicher Verkehr ist ein Sektor, der strukturell wächst, und Hersteller wie Stadler erfreuen sich toller Auftragsbücher, die ein Mehrfaches ihres aktuellen Umsatzes ausmachen. Das Risiko liegt in der profitablen Exekution dieser Aufträge. Auch die Bewertung ist vergleichbar hoch. Stadlers EV/Ebitda hat eine 50%-Prämie verglichen mit Herstellern wie z.B. CAF aus Spanien.

Wie wird das letzte Quartal 2019 im Vergleich zu 2018 ausschauen?

Wir glauben gut!

Frau Olsen, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

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