Inhaberaktien: Was die Verschärfung der Transparenzvorschriften für private Unternehmen bedeutet

Ein Gastbeitrag von Dr. Emanuel Dettwiler, Dr. Frédéric Rochat und Andrea Fioravanti

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Inhaberaktien müssen künftig registriert oder in Namenaktien umgewandelt werden.

Von der Öffentlichkeit kaum bemerkt, führte der Bundesrat per 1. November 2019 für Aktionäre privat gehaltener Schweizer Gesellschaften neue Regelungen mit hoher Sprengkraft ein: Die Verletzung von Melde- und Dokumentationspflichten betreffend wirtschaftlich Berechtigte wird strafbar. Die Inhaberaktie wird weitgehend abgeschafft, und Inhaberaktionäre riskieren die Enteignung.

1 Hintergrund

Das sogenannte Global Forum über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke (Global Forum) ist eine Organisation, die unter dem Dach der OECD operiert. Das Global Forum hat sich zum Ziel gesetzt, durch Transparenz und Informationsaustausch zwischen den Ländern die Einhaltung von Steuervorschriften zu fördern. Der Schweiz hat das Global Forum bei der letzten Prüfung empfohlen, die Mitte 2015 eingeführten Transparenzvorschriften für juristische Personen zu verschärfen. Um zu vermeiden, dass die Schweiz von anderen Ländern auf eine schwarze Liste gesetzt wird, kommt der Schweizer Gesetzgeber dieser Empfehlung nach.

2 Abschaffung der Inhaberaktie

2.1 Grundsätzliche Regelung

Herzstück der Gesetzesneuerung ist die Abschaffung von Inhaberaktien für privat gehaltene Aktiengesellschaften. Die Inhaberaktien sind grundsätzlich nicht mehr zulässig. Ausgenommen sind Inhaberaktien bei börsenkotierten Gesellschaften und Inhaberaktien, die als sogenannte Bucheffekten ausgestaltet sind. Als Bucheffekten ausgestaltete Aktien werden auf einem Effektenkonto gutgeschrieben und erlauben die Identifikation des Eigentümers über den Verwahrer. Die Kotierung an der Börse bzw. die Ausgestaltung als Bucheffekten muss im Handelsregister eingetragen werden.

2.2 Harte Regelungen in Übergangsbestimmungen – bis zur Enteignung

Diese Eintragung (der Kotierung bzw. Führung der Aktien als Bucheffekten) muss vom Handelsregister innerhalb einer Frist von 18 Monaten ab dem Inkrafttreten (also bis am 1. Mai 2021) verlangt werden.

Wurde bis zu diesem Zeitpunkt keine Eintragung verlangt, und hat eine Aktiengesellschaft dann noch Inhaberaktien, werden diese von Gesetzes wegen in Namenaktien umgewandelt. Die Handelsregisterämter sind gehalten, diese Änderung in Namenaktien von Amtes wegen im Handelsregister einzutragen. Bei der nächsten Statutenänderung muss die Gesellschaft die von Gesetzes wegen erfolgte Änderung in Namenaktien in den Statuten nachführen. Ohne dass diese Statutenänderung erfolgt ist, darf das Handelsregister keine Handelsregisteranmeldung mehr entgegennehmen.

(Bisherige) Inhaberaktionäre, die der seit 1. Juli 2015 bestehenden Pflicht zur Identifikation gegenüber der Gesellschaft nachgekommen sind, werden nach der Umwandlung als Namenaktionäre ins Aktienbuch eingetragen. Für Aktionäre, die die Meldepflicht nicht erfüllt haben, ruhen hingegen die Mitgliedschaftsrechte (insbesondere das Teilnahme- und Stimmrecht an der Generalversammlung), und die Vermögensrechte verwirken gar. Nicht gemeldete Aktionäre haben somit keinen Anspruch auf Dividenden, die ausgeschüttet werden, bis sie der Meldepflicht nachgekommen sind.

Bis spätestens fünf Jahre nach Inkrafttreten der neuen Gesetzesnorm (d.h. bis am 1. November 2024) können Aktionäre, die ihre Meldepflicht bis zum Zeitpunkt der gesetzlich zwingend vorgesehen Umwandlung ihrer Inhaber- in Namenaktien (d.h. bis am 1. Mai 2021) nicht erfüllt haben, vor Gericht ihre Eintragung ins Aktienbuch der Gesellschaft noch beantragen, allerdings nur mit vorgängiger Zustimmung der Gesellschaft.

Wer auch diesen zweiten Termin verpasst, dessen Aktien werden von Gesetzes wegen nichtig. Das heisst, Aktionäre, die ihrer Meldepflicht bis dann nicht nachgekommen sind, werden ohne weiteres enteignet. Die nichtig gewordenen Aktien werden durch eigene Aktien der Gesellschaft ersetzt. Diese drastische Rechtsfolge wird, wenn auch nur sehr schwach, abgefedert: Werden Aktien ohne eigenes Verschulden eines Aktionärs nichtig, so kann er innert 10 Jahren nach dem Nichtigwerden gegenüber der Gesellschaft einen Anspruch auf Entschädigung geltend machen. Als Entschädigung sieht das Gesetz den wirklichen Wert der nichtig gewordenen Aktien zum Zeitpunkt der von Gesetzes wegen erfolgten Umwandlung von Inhaber- in Namenaktien vor. Vermieden werden kann die Enteignung, wenn die Gesellschaft die Inhaberaktien vor Ablauf der 18-Monatsfrist (d.h. vor dem 1. Mai 2021) in Namenaktien umwandelt. In diesem Fall werden die (ehemaligen) Inhaberaktionäre zu Namenaktionären und können sich als solche (jederzeit) unter erleichterten Umständen ins Aktienbuch eintragen lassen. Lassen sie sich nicht eintragen, behalten sie ihre Rechte im Umfang eines nicht eingetragenen Namenaktionärs.

3 Präzisierung der Meldepflicht betreffend wirtschaftlich berechtigte Person

Ein kleiner Lichtblick unter den neuen Regelungen ist, dass der Gesetzgeber die Gesetzesänderung dazu nutzt, eine Unklarheit bezüglich Meldepflicht von Aktionären betreffend wirtschaftlich berechtigte Personen zu beseitigen, oder dies zumindest versucht. Die neue Regelung stellt klar, wer bei indirekten Beteiligungen als wirtschaftlich berechtigte Person zu melden ist. Wie in einem Teil der Rechtsliteratur (unter anderem vom Verfasser dieser Zeilen) gefordert, soll bei indirekten Beteiligungen als wirtschaftlich Berechtigter gelten, wer die Kontrolle über den meldepflichtigen Aktionär ausübt. Die Kontrolle kann ausgeübt werden durch die Stimmenmehrheit im obersten Organ (GV bei der AG), das Recht, die Mehrheit der Mitglieder des obersten Leitungs- oder Verwaltungsorgans (also des VR bei der AG) zu bestellen oder abzuberufen, oder anderweitigen beherrschenden Einfluss. Damit erteilt der Gesetzgeber den von einem anderen Teil der Rechtsliteratur vertretenen abenteuerlich anmutenden Gesetzesauslegungen zur Meldung von indirekt beteiligten wirtschaftlich Berechtigten eine Absage. In der Praxis problematisch sein dürfte, dass diese Definition der Kontrolle mit jener, welche derzeit im Rahmen der GwG-Aufsicht verwendet wird, nicht in allen Teilen übereinstimmt. Der wirtschaftlich Berechtigte einer Gesellschaft kann für einen Finanzintermediär (z.B. für eine Bank) somit eine andere oder weitere Person sein als die im Verzeichnis der Gesellschaft aufgeführte.

Ebenso wird klargestellt, dass bei Fehlen einer wirtschaftlich berechtigten Person im Sinne von Art. 697j OR, eben dies der Gesellschaft zu melden ist („Negativmeldung“).

4 Strafbarkeit der Verletzung von Melde- und Registerführpflichten

Aus Sicht des Bundesrates dürfte es schwierig sein, die Wirksamkeit der erwähnten Melde- und Verzeichnisführungspflichten nachweisen zu können. Indem deren Verletzung unter Strafe gestellt wird, erhofft sich der Bundesrat, diesen Nachweis leichter erbringen zu können. Daher wird ab 1. November 2019 die vorsätzliche Verletzung der Pflicht des Aktionärs, den wirtschaftlich Berechtigten zu melden, mit Busse bestraft. Ebenso mit Busse bestraft wird, wer vorsätzlich der Pflicht zur Führung eines Verzeichnisses der wirtschaftlich berechtigten Personen nicht nachkommt. Zu betonen ist, dass ein sogenannter Eventualvorsatz zur Strafbarkeit genügt. Darunter verstehen die Juristen ein Handeln, bei dem man in Kauf nimmt, sich eventuell strafbar zu machen. Die Strafbestimmung ist also auf jeden Fall ernst zu nehmen, auch wenn bloss fahrlässiges Handeln nicht bestraft wird.

5 Einschätzung und Empfehlungen

Die neuen Regelungen verschärfen die seit 2015 bestehenden, schon in bisheriger Ausgestaltung fragwürdigen Vorschriften. Es bleiben viele Unklarheiten: Was geschieht, wenn ein Aktionär den wirtschaftlich Berechtigten, den er melden müsste, nicht kennt? Was gilt beispielsweise, wenn durch Nichtigwerden von Aktien die Gesellschaft mehr als die gesetzlich zulässigen 10% an eigenen Aktien hält? Was geschieht bei Gesellschaften, die plötzlich 100% eigene Aktien halten? Wer kann angesichts der ruhenden Stimmrechte bei eigenen Aktien noch über die Gesellschaft bestimmen? Wem gehört die Gesellschaft? Was geschieht, wenn eine Gesellschaft zum Zeitpunkt, zu dem sie einen Aktionär, dessen Aktien nichtig wurden, entschädigen muss, nicht genügend frei verfügbare Mittel hat?

Angesichts dieser Unklarheiten ist es problematisch, Gesetzesverletzungen unter Strafe zu stellen. Abgesehen davon sind die Regelungen bezüglich Enteignung unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten heikel. Trotz in der Vernehmlassung dazu laut gewordener Kritik wurde unter internationalem Druck an diesen Regelungen festgehalten. Das ist bedauerlich.

Für Verwaltungsräte von Gesellschaften mit Inhaberaktionären empfiehlt es sich, proaktiv auf Inhaberaktionäre, die noch nicht identifiziert sind, zuzugehen, und sie – unter dem Hinweis auf den Verlust der Eigentumsrechte – zur Identifikation aufzufordern. Ebenso sollte erwogen werden, Aktionäre, die mindestens 25% des Kapitals oder Stimmen einer Gesellschaft halten, zur Meldepflicht aufzufordern, da deren Verletzung strafbar ist.

Verwaltungsräte von AG und Geschäftsführer von GmbH sollten als dafür verantwortliche Personen umgehend ein Verzeichnis der wirtschaftlich berechtigten Personen einführen, sofern sie dies nicht bereits gemacht haben. Andernfalls drohen Bussen.

Schliesslich sollten die Leitungsorgane darauf achten, Aktionären, die ihrer Meldepflicht nicht nachgekommen sind, keine Dividenden auszubezahlen und sie an der Ausübung ihrer Mitgliedschaftsrechte hindern, ihnen also insbesondere den Zutritt zur GV verwehren. Ansonsten sind Verwaltungsräte bzw. Geschäftsführer persönlich für den Schaden verantwortlich, haften also z.B. für die ungerechtfertigt ausbezahlte Dividende.

Dieser Beitrag ist am 29. Oktober 2019 im Newsletter Kurz&Bündig von KellerhalsCarrard erschienen. Wir danken den Autoren Dr. Emanuel Dettwiler, Dr. Frédéric Rochat und lic. iur. Andrea Fioravanti für die freundliche Genehmigung zur Publikation des Textes.

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