Bruno Stiegeler, CEO WIR Bank: «Die Bank hält an der Komplementärwährung WIR fest»

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Im Juni ist es bei der WIR Bank zu einem bereits länger geplanten Wechsel der Chefposition gekommen. Bruno Stiegeler übernahm die Leitung von seinem Vorgänger Germann Wiggli, der dreizehn Jahre lang die Genossenschaftsbank geführt hatte.

Im Interview mit schweizeraktien.net betont Stiegeler, dass die WIR Bank heute 87% ihres Geschäfts mit Schweizer Franken macht und 13% mit der Komplementärwährung WIR, dass die Bank aber immer wieder fälschlicherweise ausschliesslich mit dem WIR in Verbindung gebracht werde. Darüber hinaus erläutert der CEO, warum er das Unternehmen aufgrund des Kurses für die Genossenschaftsanteile der WIR Bank, die ausserbörslich auf OTC-X gehandelt werden, als unterbewertet ansieht. Und er gibt eine erste Prognose zum Jahresergebnis 2019 ab.

Herr Stiegeler, im Sommer 2019 haben Sie die operative Verantwortung der WIR Bank von Germann Wiggli übernommen. Als Leiter der Kundenbetreuung kennen Sie das Unternehmen ja bereits bestens. Was hat Sie am meisten überrascht als neuer CEO?

Bruno Stiegeler (55), verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern, führt seit Mitte 2019 die Geschicke der WIR Genossenschaftsbank. Bild: Fotowerkstatt Barbara Sorg

Wirklich überrascht hat mich nichts. Ich habe bereits seit meinem Start 2013 bei der WIR Bank mit meinem Vorgänger Germann Wiggli als dessen Stellvertreter eng zusammengearbeitet – entsprechend wusste ich, auf was ich mich einlasse. Neu ist, dass ich plötzlich im Rampenlicht stehe.

Das heisst auch: ein bisschen mehr Last auf meinen Schultern und mehr Verantwortung. Aber ich habe ein tolles Geschäftsleitungs-Team, das ebenfalls auf 1. Juni mit guten neuen Leuten ergänzt und erweitert worden ist.

Im ersten Halbjahr 2019 hat die WIR Bank deutlich mehr Gewinn gemacht als im Vorjahreszeitraum. Wie sieht Ihre Prognose für das Gesamtjahr aus?

Das Halbjahresergebnis hat uns Freude gemacht. Diese Tendenz können wir – ohne uns schon zu tief in die Karten blicken zu lassen – für das Gesamtjahr bestätigen.

Wenn die Finanzmärkte bis zum Jahresende keine Kapriolen analog Ende 2018 veranstalten, wird die WIR Bank ein sehr gutes Resultat verzeichnen.

Der Umsatz mit Ihrer eigenen Währung, dem WIR, leidet unter den Negativzinsen. Welche Massnahmen ergreifen Sie, um das Vertrauen in den WIR zu stärken?

Das Zinsumfeld ist wirklich Gift für WIR, es ist nicht förderlich für die günstige Kreditschöpfung, welche die Komplementärwährung historisch garantierte. Bis in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts war ein WIR-Kredit 3 bis 5% günstiger als in Schweizer Franken. Das war der Grund, warum KMU gerne Kredite bei uns aufgenommen haben.

Diese Differenz ist weg, aber wir haben auch gute Antworten auf das aktuelle Zinsumfeld. Eines der Top-Produkte der WIR Bank ist die sogenannte Mehrwert-Hypothek in WIR. Dort bezahlen wir als Bank 1,5% Negativzins während der ersten fünf Jahre an den Kunden. Das soll die Kreditschöpfung fördern und die WIR-Geldmenge ausweiten.

Wie entwickelt sich das WIR-Netzwerk?

Die Auftragsbücher der KMU sind gut gefüllt, es geht den meisten Unternehmen gut bis sehr gut. Das sind vor dem Hintergrund, dass WIR 1934 als Krisenwährung entstanden ist, suboptimale Rahmenbedingungen. Aber sobald die Wirtschaft sich ein bisschen harziger entwickelt, wird die Nachfrage nach WIR wieder zunehmen.

Ein anderer wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang ist das Business-Netzwerk: Dank WIR geschäften Schweizer KMU miteinander. Das kann man auch als eine Art Verteidigungslinie gegenüber grossen in- und ausländischen Konzernen beschreiben. Wir erleben, wie in jüngster Zeit vor allem Jung-Unternehmer auf die Karte «Regionalität» und «Nachhaltigkeit» setzen. Diese Werte, unterstützt mit modernen digitalen Instrumenten, sind auch ein wichtiger Grund, warum wir von einer Stabilisierung des WIR ausgehen.

Deshalb hält die WIR Bank am WIR-System fest. Die komplementäre Währung und die damit verbundene Vernetzung der Schweizer KMU sind Gold wert.

Wir haben jetzt viel über die eigene Währung gesprochen. Aber eigentlich macht diese nur einen kleinen Teil Ihres Geschäfts aus.

Das stimmt. Wir sind eine schweizerische Genossenschaftsbank, die mittlerweile 87% ihrer Geschäfte ganz normal in Schweizer Franken macht, der WIR-Anteil beträgt rund 13%. Der Anteil des WIR in unserer Bilanz ist in den vergangenen Jahren natürlich zurückgegangen – dies aber insbesondere auch vor dem Hintergrund der Diversifikation mit klassischen Schweizer-Franken-Bankgeschäften und dem daraus resultierenden überdurchschnittlichen Wachstum der Bilanzsumme der WIR Bank.

Vor zwei Jahren sagte Ihr Vorgänger, dass es das Ziel sei, von der Zweit- oder Drittbank zur ersten Adresse für den Kunden zu werden. Können Sie sagen, wie weit sie auf diesem Weg schon gekommen sind?

Ich bin da ganz offen und transparent: Von der Technologie und von der Regulation her könnte die WIR Bank problemlos die KMU-Erstbank sein. Aber realistischerweise sind wir eine Bank, die bei einer Vielzahl von Unternehmen nicht «Top of mind» ist. Ich würde die Aussage folglich so formulieren: Wir sind für unsere Kunden die beste Bankverbindung der Schweiz, denn bei uns bezahlt ein KMU für die Kontoverbindung 150 CHF pauschal pro Jahr und hat keinerlei weitere Kosten mehr. Das ist konkurrenzlos günstig.

Es ist aber auch Realität, dass ein mittelgrosser Betrieb verschiedene Bankverbindungen führt – das ist auch vernünftig und sinnvoll.

Wie entwickelt sich das Handelsgeschäft, das Ihnen letztes Jahr einen zweistelligen Millionenverlust beschert hatte?

Das hat sich nach einem bereits sehr guten ersten Halbjahr nochmals erfreulich entwickelt. Kurz zur Ausgangslage: Die WIR Bank verfügt über eine halbe Milliarde Franken Eigenkapital, dieses legen wir zum Teil auch gemäss unserer Anlagestrategie in Aktien und Obligationen an.

Die scharfe Börsenkorrektur Ende 2018 hat uns natürlich keine Freude bereitet und auch das Ergebnis negativ beeinflusst. Die WIR Bank handelt aber vorsichtig und defensiv und ist gut abgesichert.

Die Wertschwankungen im Handelsgeschäft fangen wir über einen entsprechenden üppig gefüllten Reserventopf auf. Fällt ein Jahr, wie 2018, negativ aus, neutralisieren wir diesen Wert mit unserer Schwankungsreserve. Und so wie es in diesem Jahr aussieht, werden wir diesen Topf weiter befüllen.

Warum werden Sie nicht im Anlagegeschäft selber aktiv?

Das Anlagegeschäft hat die WIR Bank noch nie betrieben. Das erfordert Kompetenzen, die wir nicht haben – und ist verbunden mit zusätzlichen Anforderungen aus Regulatorien und Vorschriften. Strategisch ist klar, dass wir dieses Feld anderen überlassen. Ich sage aber nicht, dass wir das nie machen werden – beispielsweise über Partner mit entsprechender Erfahrung. Ein Beispiel für eine solche erfolgreiche Partnerschaft ist VIAC.

In der Tat ist Ihre Beteiligung an der VIAC eine Erfolgsgeschichte. Sie haben bereits vor einigen Monaten eine fünfstellige Anzahl von Kunden vermelden können. Wie hoch ist der Kundenstamm heute? Wie hoch sind die entsprechenden «Assets under Management»?

Wir haben heute schon über 16‘000 Kunden mit rund 260 Mio. CHF «Assets under Management». Ich erwarte hier bis Jahresende – nicht nur saisonal bedingt – weitere grosse Steigerungen.

Und das wird auch 2020 so weitergehen. VIAC wird in vielen Berichten porträtiert. Die Konsumenten vergleichen glücklicherweise unsere konkurrenzlos kostengünstige Vorsorgelösung mit anderen Wertschriftenangeboten für die Säule 3a und realisieren, dass VIAC die ideale Lösung fürs Alter ist.

Die nächste Raketenstufe mit VIAC zünden wir im 1. Quartal 2020. Dann kommt die zweite Säule dazu, da sprechen wir dann nochmals von Vermögenswerten in anderer Grössenordnung. Und weitere spannende Themen sind in der Pipeline, dazu kann ich aber noch nichts Konkretes verraten.

Lassen Sie uns zum Schluss noch den Kurs des auf OTC-X gehandelten WIR-Bank-Stammanteils anschauen, der Sie nicht befriedigen kann. Warum liegt der Kurs so tief?

Die Stammanteile der WIR Bank werden klar unter Wert gehandelt. Der aktuelle Kurs von 360 CHF liegt deutlich unter dem inneren Wert von über 500 CHF pro Stammanteil. Das entspricht nicht unseren Vorstellungen, was wir den Kapitalgebenden bieten wollen.

Ein Teil der Kurs-Korrektur ist sicher auf die Bereinigungen und die damit verbundenen Abgänge im WIR-System zurückzuführen, was Verkäufe unseres Papiers auslöste. Auch ein im Oktober erschienener Artikel in der Boulevard-Zeitung «Blick», der Themen vermischte und die finanziell grundsolide Basis der WIR Bank ausblendete, war sicher nicht hilfreich.

Wir sind aber zuversichtlich, dass vor allem unsere Ergebnisse eindeutige Signale in den Markt aussenden. Wir sehen uns als nachhaltige, längerfristige Anlage.

Ich bin der Meinung, es lohnt sich deshalb genau jetzt, in uns zu investieren. Wir liefern konsequent und nachhaltig eine Ausschüttungsrendite von 2,7 bis 2,8%. Eine Dividende notabene, die für Privatpersonen erst noch steuerfrei ist.

Unser Potenzial bildet sich noch zu wenig ab, es ist deutlich höher, als durch die Gegenwart gezeichnet. Unsere Aufgabe ist es, dies in Zukunft mit konsequent guten Ergebnissen herauszustreichen.

Herr Stiegeler, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

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