Reishauer: Maschinenbauer ist mit starker Bilanz gut gerüstet für die Krise

Konzerngewinn geht 2019 auf 36.9 Mio. CHF zurück - Aussichten für 2020 ungewiss

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Fünf Wochen Lockdown machen auch dem in Wallisellen ansässigen Maschinenbauunternehmen Reishauer zu schaffen. «Ein so schwieriges Jahr wie 2020 habe ich noch nie erlebt», sagt daher Jost Sigrist, Verwaltungsratspräsident des 230 Jahre alten Unternehmens im Gespräch mit schweizeraktien.net. Reishauer entwickelt, produziert und vermarktet Schleifmaschinen für Zahnräder; die deutsche Tochtergesellschaft Felsomat fertigt Automationsanlagen rund um den Antriebsstrang. Hauptkunden der weltweit tätigen Gruppe sind Automobilhersteller und deren Zulieferer.

In Wallisellen und am deutschen Standort Königsbach-Stein wurde teilweise Kurzarbeit angemeldet, in den USA ruht die Produktion komplett. Reishauer ist doppelt schwer getroffen: nicht nur durch die Folgen der Corona-Krise, sondern auch durch die strukturelle Schwäche der Automobilindustrie.

Messestand von Reishauer an der Fachmesse EMO 2019. Bild: zvg
Weltweiter Nachfrageeinbruch bei Automobilen

Doch Jost Sigrist sieht in der aktuellen Phase auch Anzeichen, die ihn mittel- bis langfristig positiv in die Zukunft schauen lassen. «Der Lockdown zeigt doch, dass die Menschen nicht eingesperrt sein wollen», so Sigrist. Er schliesst daraus, dass das Bedürfnis nach Mobilität auch nach der Krise weiterhin sehr gross bleiben wird. Derzeit leidet die Nachfrage nach Automobilien allerdings sehr stark. Wann sich diese erholen werde, sei schwer zu sagen, so der VRP. Sigrist ist allerdings überzeugt, dass langfristig die Anzahl Fahrzeuge auf der Welt wieder steigen werde. In Europa liege die durchschnittliche Anzahl Fahrzeuge pro Familie bei zwei. In China müssten sich bisher drei Familien ein Fahrzeug teilen, erklärt Sigrist. Das Ziel der chinesischen Regierung sei es jedoch, die Anzahl Fahrzeuge pro Familie in den kommenden Jahren zu erhöhen. Klar ist für den Verwaltungsratspräsident daher auch, dass das Wachstum im Automobilmarkt nicht aus Europa kommen wird. «Die Nachfrage wird von China getrieben sein».

Operativer Gewinn geht 2019 um einen Viertel zurück

Gerade China und der chinesische Markt führten in 2019 aber zu einem deutlichen Umsatzrückgang bei der Reishauer Gruppe. Die Anzahl der produzierten Fahrzeuge war zwar auch weltweit rückläufig und erreichte laut Branchenverband OICA noch 92 Mio. Fahrzeuge (minus 5,2%). Bereits dies ist der stärkste Rückgang seit der Finanzkrise 2009. In Asien wurden mit 49.3 Mio. Fahrzeugen sogar 6.4% weniger Autos hergestellt als im Vorjahr. In Europa waren es 21.3 Mio. (minus 4.3%) und in Amerika 20.1 Mio. (minus 3.6%) Fahrzeuge.

Die rückläufigen Absatzahlen auf den Automobilmärkten hinterlassen in der Erfolgsrechnung der Reishauer Gruppe ihre Spuren. Der konsolidierte Nettoertrag erreichte nur noch 385.4 Mio. CHF (minus 7.8%), wobei sich die Reishauer AG (minus 3%) noch besser als Felsomat (minus 14%) entwickelte. Deutlich stärker als auf der Umsatzseite wirkte sich der negative Branchentrend auf den Betriebsgewinn aus. Das operative Ergebnis (EBIT) erreichte nur noch 36.1 Mio. CHF, rund einen Viertel weniger als im Vorjahr. Dies obwohl der Aufwand um 5,1% auf 360.4 Mio. CHF gesenkt wurde.

Starkes Finanzergebnis und gleichbleibende Dividende

Profitieren konnte die Reishauer Gruppe hingegen beim Finanzergebnis. Das Unternehmen wies per Ende 2019 Wertschriften und Geldmarktanlagen in Höhe von 152.2 Mio. CHF aus. Das Portfolio ist nach Angaben des Unternehmens bewusst konservativ zusammengesetzt. Dies führt dazu, dass das Finanzergebnis in schwachen Börsenjahren nicht ganz so stark wie der Markt leidet, die Performance in starken Börsenjahren jedoch etwas hinter den Indizes der Aktienmärkte zurückbleibt. Dennoch konnte aufgrund der ausserordentlich guten Entwicklung an den Finanzmärkten in 2019 ein positives Finanzergebnis von 8.8 Mio. CHF (Vorjahr: 5.6 Mio. CHF) erzielt werden. Das gute Finanzergebnis federte den Rückgang beim Betriebsergebnis etwas ab, so dass der Konzerngewinn nur um 13.5 % auf 36.9 Mio. CHF zurückging.

An der Generalversammlung vom 30. April, die ohne Publikum stattfinden wird, soll eine Dividende von 1’280 CHF je Aktie beantragt werden. Jost Sigrist begründet diesen Schritt mit einer konservativen, aber dafür konstanten Dividendenpolitik, welche das Unternehmen seit Jahren verfolgt.

Investitionen werden beibehalten

Er zeigt sich sehr zufrieden mit dem Abschneiden der Reishauer Gruppe im 2019. «Wir leiden zwar wie die gesamte Branche, aber auf einem hohen Niveau», so der Reishauer-VRP. Er verweist dabei auch auf das Kostenmanagement und die Innovationsfähigkeit. So hat Reishauer schon vor einigen Jahren begonnen, sich auf den Trend hin zu Hybridfahrzeugen und Elektromobilität einzustellen. 2019 sei es gelungen, das Angebot für die E-Mobilität weiter auszubauen. Reishauer rechnet damit, dass trotz der Corona-Krise «maximale Effizient für emissionsarmes Fahren», «höchste Sicherheit und Convenience», «autonomes Fahren», «E-Mobilität» und die «Digitalisierung der Fahrzeuge» die Megatrends in der Automobilindustrie bleiben werden. Um hier weiterhin vorne mit dabei zu sein, hat Reishauer in der aktuellen Krise seine Investitionen nicht zurückgefahren. Auch der Neubau der Produktionshallen in Wallisellen wird plangemäss fortgesetzt.

Auf konkrete Aussagen für das laufende Geschäftsjahr verzichtet die Gesellschaft angesichts der unsicheren Lage. Dazu fehle schlicht und einfach die Visibilität, heisst es.

Fazit

Die Automobilindustrie erhält seit zwei Jahren konjunkturellen Gegenwind und befindet sich mitten in einem tiefgreifenden Strukturwandel. In diesem Umfeld hat sich die Reishauer Gruppe im Geschäftsjahr 2019 gut behauptet. Dies insbesondere im Vergleich mit dem börsenkotierten Mitbewerber Klingelnberg, der schon kurz nach dem IPO erste Gewinnwarnungen publizieren musste und im 1. Halbjahr des Geschäftsjahres 2019/20 in die roten Zahlen rutschte. Auch wenn die Reishauer Gruppe einen Rückgang beim operativen Ergebnis von rund einem Viertel zu verkraften hatte, so konnte sie für 2019 dennoch ein akzeptables Resultat vorlegen. Gemessen an den letztjährigen Zahlen sind die Aktien, deren Kurs binnen Jahresfrist um über 20% verloren hat, fair bewertet. Bei Kursen von 51’200 CHF (bzw. 56’000), die zuletzt für die Namen- (bzw. Inhaberaktie) auf OTC-X gezahlt wurden, liegt das Kurs-/Gewinn-Verhältnis bei moderaten 15 und das EV/EBITDA gerade einmal bei 6. Die Dividendenrendite beträgt etwa 2,5%.

Die Reishauer-Namenaktien haben durch die Corona-Krise überdurchschnittlich verloren. Chart: moneynet.ch

Allerdings sind diese Zahlen Vergangenheit, und es ist fraglich, ob es die Reishauer Gruppe angesichts der Corona-Pandemie in 2020 überhaupt schaffen wird, ein positives Ergebnis zu erzielen. Eine Prognose für das laufende Jahr ist daher schwierig. Experten rechnen damit, dass aufgrund der Corona-Pandemie der weltweite Automobilabsatz um 18% auf nur noch 65 Mio. Pkw schrumpfen wird. Langfristig orientierte Anleger können den Titel allerdings ruhig etwas genauer anschauen. Denn die Risiken bei einem Investment sind überschaubar. Das 230 Jahre alte Unternehmen verfügt über eine solide Bilanz. Per Ende 2019 lagen die flüssigen Mittel bei 157.3 Mio. CHF und der Wertschriftenbestand bei 152.2 Mio. CHF. Diese komfortable Liquiditätslage ermöglicht es dem Unternehmen, auch die aktuelle Krise gut zu überstehen, ohne auf Investitionen verzichten zu müssen. Auch die Eigenkapitalquote ist mit 70.1% (vor Gewinnverwendung) sehr solide. Die starke Substanz macht das Unternehmen krisenresistent. Angesichts der guten Marktposition von Reishauer und der Projekte im Bereich Elektromobilität scheint die Gruppe auch für die neue automobile Zukunft gerüstet.

Der ausgewiesene Buchwert pro Namen- und Inhaberaktie lag per Ende 2019 bei rund 36’000 CHF. Hinzu kommen noch stille Reserven, die im Anlagevermögen der Gruppe schlummern. Aktienkurse zwischen 40’000 und 50’000 CHF liegen im Bereich der Preise, die vor der Platzierung des Lorze-Pakets von Reishauer auf OTC-X gezahlt worden sind. Im Rahmen der Umplatzierung wurden von den beauftragen Finanzinstituten hohe Erwartungen geschürt, die aufgrund der konjunkturellen und strukturellen Veränderungen nicht erfüllt werden konnten. Hinzu kommt nun die Corona-Krise. Daher ist der Kurszerfall in den letzten drei Jahren durchaus nachvollziehbar. Allerdings dürften für langfristig orientierte, unternehmerisch denkende Anleger, Kurse in diesem Bereich wieder Einstiegskurse darstellen. Denn für eine Erholung der Märkte sollte die Reishauer-Gruppe gut aufgestellt sein, auch wenn heute noch nicht absehbar ist, wann diese Erholung kommen wird.

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