Cendres+Métaux: Auf dem Weg zurück zum Kerngeschäft Edelmetallverarbeitung

Bieler Industriefirma erzielt 2019 operativ wieder schwarze Zahlen – Corona-Krise ist unter Kontrolle

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Asche und Metalle – so schlicht und einfach lautet der Firmenname des in Biel ansässigen Metallverarbeitungsunternehmens Cendres+Métaux Holding (CM) auf Deutsch. Edelmetalle bilden seit der Gründung 1885 den Kern der Unternehmenstätigkeiten. Und sie sollen es auch in Zukunft wieder sein. «Wir haben erkannt, dass wir uns wieder auf unsere Kernkompetenzen fokussieren müssen», erklärt Philipp von Büren Mitte Mai 2020 im Gespräch mit schweizeraktien.net. Er leitet seit Oktober 2018 als CEO die Sparte Luxury+Industry des Traditionsunternehmens. Ronald J. Lenzeder, CEO der Medtech-Sparte, kommt für seinen Geschäftsbereich zum gleichen Schluss. «Wir konzentrieren uns nun wieder auf die Fertigung komplexer mikromechanischer Teile aus Metall und Edelmetall und auf den Dentalbereich», fasst er zusammen. Er ergänzt, dass es gelungen sei, Klarheit zur Strategie und Kernkompetenz zu schaffen und das Vertrauen von Kunden und Mitarbeitern wieder zurückzugewinnen. «Oftmals wussten sie nicht mehr, wofür CM genau steht», meint von Büren rückblickend.

Philipp von Büren (l.) und Roland J. Lenzeder steuerten Cendres+Métaux 2019 wieder in ruhige Fahrwasser. Bild: zvg
Unternehmen war von grossen Visionen geprägt

In den letzten Jahren durchlief das Unternehmen eine vielschichtige Reorganisation. Die grosse Vision des Auftragsfertigers für die Uhren- und Schmuckindustrie sowie die Medtech-Branche war es, zu einem Komplettanbieter für beide Branche zu werden. Nicht mehr nur Einzelteile wie Schwungmassen für namhafte Luxusuhren standen im Fokus. CM wollte auch in der Lage sein, komplette Uhrwerke herstellen und vermarkten zu können. Ähnlich die Strategie im Medtech-Bereich. In der Dentalprothetik sollten eigene Hybrid-Lösungen an die Zahnärzte und Dentallabore gebracht werden.

Aus dieser Strategie heraus folgten Zukäufe von Produkten oder Start-up-Firmen wie einem Uhrwerkhersteller. Damit nicht genug. Für die Vermarktung eines innovativen Implantats in der Dialyse, dem «Bone anchored Port» (BAP) oder Vivaxs-Liva, gründete CM ein Start-up unter dem Namen Diavantis. Ziel war es, eine Kapitalerhöhung durchzuführen. Dabei stand nicht die Herstellung der Komponenten des Implantats im Fokus, sondern das komplette End-Produkt inklusive deren Registrierung und Vermarktung in die Wertschöpfungskette der Dialyse.

Doch die Kapitalerhöhung bei Diavantis scheiterte; auch der Versuch im Uhren- und Dentalbereich, neue und nicht der Kernkompetenz angehörende Teile der Wertschöpfungskette abzudecken, misslang. Restrukturierungen und ein riesiger operativer Verlust von über 7 Mio. CHF im Geschäftsjahr 2018 waren die Folge. Die Organisation sei mit den vielen Projekten zeitweise überlastet gewesen, räumt von Büren heute ein. Zwei Verwaltungsräte traten im Frühling 2019 zurück. Im Mai 2020 wurde zudem entschieden, die Tochter Diavantis zu 100% wieder in die Cendres+Métaux SA zu fusionieren.

Zurück zu den Wurzeln in 2019

Seit rund einem Jahr ist Schluss mit den grossen Visionen. Philipp von Büren und Ronald J. Lenzeder haben die Ärmel hochgekrempelt und alles darangesetzt, die CM-Gruppe wieder in ein ruhiges Fahrwasser zu bringen. Nicht der Kernkompetenz entsprechende Projekte oder Geschäftsteile wurden gestoppt oder liquidiert. «Wir können zufrieden sein mit dem, was die Gruppe im letzten Jahr erreicht hat», sagen die zwei Geschäftsführer mit Blick auf den Jahresabschluss 2019. Bei 11% lag das organische Wachstum der ganzen Gruppe. Die rund 400 Mitarbeiter sorgten für einen Umsatz von 146.3 Mio. CHF. Allerdings ist dieses Umsatzwachstum vor allem beeinflusst durch die höheren Edelmetallpreise. Dennoch hat sich der Umsatz ohne Edelmetalleinflüsse organisch um 4% im Jahr 2019 erhöht. Viel wichtiger ist daher die Bruttomarge, die mit 49,6% auf dem Niveau des Jahres 2015/16 lag. Noch erfreulicher ist, dass sich auch der operative Gewinn auf Stufe EBIT 2019 mit 3.6 Mio. CHF wieder an frühere Niveaus annäherte. Das EBITDA erreichte sogar 8.9 Mio. CHF. Die zur Kernkompetenz gehörende Akquisition von Queloz aus dem Jahr 2018 hat sich über den Erwartungen entwickelt und bekräftigt die Strategie von CM.

Analog der konservativen Bilanzierung hat CM die Edelmetallpreise für die Bewertung des eigenen Lagers auf dem Vorjahresniveau belassen. Dies, obwohl der Goldpreis allein 2019 um rund 20% zugelegt hat. Dank des ausserordentlichen Ertrages aus der ehemaligen Goldschmelze in Biel in Höhe von 9.6 Mio. CHF konnten die gesamten Rückstellungen für den Verkauf von zwei ausländischen Niederlassungen und Investments wie Diavantis vorgenommen werden, ohne den Gewinn zusätzlich zu belasten. «Wir haben viel erreicht, sind aber noch lange nicht am Ziel», so Ronald J. Lenzeder.

Corona-Krise unterbricht den Wachstumspfad

Dass die Richtung stimmt, zeigen die Resultate des ersten Quartals 2020. Beide Sparten verzeichnen nach Aussagen der zwei Geschäftsführer eine über dem Budget liegende Entwicklung. «Unsere fokussierte Organisation führt auch 2020 zu einer Verbesserung der Profitabilität», so von Büren. Das erste Quartal 2020 habe gezeigt, dass die 2019 getroffenen Massnahmen in die «richtige Richtung» gegangen seien. Doch die Corona-Krise trifft auch CM stark. Im Uhrengeschäft wird der rund zweimonatige Lockdown das Unternehmen hart treffen, denn die Uhrenboutiquen der grossen Marken waren grösstenteils mehr als zwei Monate geschlossen.

Philipp von Büren weist allerdings darauf hin, dass CM im Bereich der hochpreisigen Uhren tätig ist. «Viele Uhrenmarken haben lange Wartelisten», so der CEO. Diese würden nun möglicherweise abgearbeitet und könnten den negativen Einfluss durch Corona etwas ausbalancieren. Wenn es nicht zu einer zweiten Welle komme, sei die Delle verkraftbar. Auch ein Rebound wäre in der aktuellen Situation nicht ausgeschlossen. CM wäre gut darauf vorbereitet, zumal während der gesamten Lockdown-Zeit produziert und fakturiert wurde.

Im neuen Refining konnte CM nur minim von der zeitweisen Schliessung der drei grossen Goldschmelzen im Tessin profitieren, da der globale Markt während dieser Zeit stark reduziert war. Mittelfristig rechnet von Büren hier jedoch mit einer positiven Entwicklung. «Der Lockdown hat gezeigt, wie abhängig einzelne Kunden von einem Hersteller sind, und dies führt zu einer neuen Risikobeurteilung der Uhrenmarken». CM positioniert sich daher mit seinem neuen Werk als kompetente und agile Alternative für ein Double Sourcing.

Einbussen auch in der Medtech-Sparte
Blick in die Produktion von CMSA Medtech in Biel. Bild: zvg

In der Medtech-Sparte sind die Folgen der Corona-Pandemie ebenfalls noch nicht abzuschätzen. «Uns beschäftigt vor allem die Frage, wie sich Patienten nach Covid 19 verhalten», sagt Lenzeder. Bei der Medizinaltechnik spürte CM die Krise, da in den letzten acht Wochen die meisten planbaren Eingriffe verschoben worden seien. Mit der Lockerung würden diese nun schrittweise nachgeholt, so der Chef der Medtech-Sparte. Anders in der Dentalprothetik. Nachdem die Zahnärzte während des Lockdown vor allem Akutbehandlungen vorgenommen haben, sollten die aufgeschobenen Behandlungen jetzt nachgeholt werden. Doch habe der Patient wegen des Infektionsrisikos noch Respekt vor Behandlungen. Hinzu kommt der finanzielle Aspekt. Zahnbehandlungen sind kostspielig, was gerade Personen, die von Kurzarbeit betroffen sind oder ihren Job verloren haben, dazu veranlassen kann, auf einen Eingriff zu verzichten oder längerfristig zu verschieben.

Trotz der Herausforderungen geben sich von Büren und Lenzeder optimistisch. « Vor einem Jahr wären wir auf eine solche Krise nicht vorbereitet gewesen», so von Büren. Wie viele vergleichbare Firmen hat auch die CM Kurzarbeit beantragt. Die zwei Chefs sind sich auch einig, dass sie bereit sein wollen für einen späteren Aufschwung, auch wenn sie derzeit eher mit einer U-förmigen Entwicklung rechnen. CM investiert weiterhin in Innovationen und will auch durch Übernahmen wachsen. Dies aber nur, wenn sie zum Kerngeschäft passen.

Fazit

Erstmals seit drei Jahren kann die Cendres+Métaux-Gruppe mit ihrem Jahresabschluss wieder überzeugen. Die Strategie wurde angepasst, die Organisation verschlankt. 2020 wäre für CM zum entscheidenden Jahr geworden, um zu zeigen, dass sich die eingeschlagene Strategie auch für die Aktionäre auszahlt. Nun haben diese aufgrund von Corona und der Notwendigkeit, in die Zukunft des Unternehmens zu investieren, zum wiederholten Mal auf die Ausschüttung einer Dividende verzichtet. Ob mit der Vergangenheit nach der letzten GV abgeschlossen werden kann, ist nicht sicher. Den zwei scheidenden Verwaltungsräten wurde die Decharge verweigert; zudem beantragte der frühere VR Marco Zingg eine Sonderprüfung, die allerdings mit grosser Mehrheit abgelehnt wurde.

2020 dürfte auch für CM aufgrund der Corona-Pandemie zu einem Übergangsjahr werden. Derzeit ist noch unklar, wie lange die negativen Auswirkungen das Geschäft des Traditionsunternehmens beeinträchtigen. Glaubt man den Worten des Managements, so ist es gut möglich, dass CM aus der Corona-Krise gestärkt hervorgeht. Allerdings mahnen die einbrechenden Exporte in der Uhrenindustrie und die Sparmassnahmen von Dentalimplantatherstellern wie Straumann zur Vorsicht. Erst 2021 könnte dann wieder eine Rückkehr mindestens zu den 2019er Zahlen und auch die Aufnahme einer Dividendenzahlung möglich sein.

Die Bilanz von CM weist einige Besonderheiten auf. So entfallen beim Fremdkapital 91.6 Mio. CHF auf Rückstellungen, wovon der überwiegende Teil Eigenkapitalcharakter haben dürfte. Zusätzlich ist davon auszugehen, dass CM das Lager seit Jahren trotz des steigenden Goldpreises sehr konservativ bewertet. Ebenso umfasst das Fremdkapital Edelmetallkredite von Banken im Volumen von 24.5 Mio. CHF, welche durch die Waren in Bearbeitung und die Lagerbestände im Wert von 183 Mio. CHF mehr als gedeckt sind. Die Substanz des Unternehmens konnte sich im Jahr 2019 festigen und stärken.

Zurückkehren zu den Wurzeln musste leider auch der CM-Aktienkurs. Derzeit befindet er sich auf einem Allzeittief. Chart:otc-x.ch

Zuletzt wurden die CM-Aktien ausserbörslich auf OTC-X für 5’000 CHF gehandelt. Damit befinden sie sich wieder auf dem Niveau von 2004. Zwischenzeitlich erreichten die Valoren zweimal Höchstkurse von über 10’000 CHF. Einmal spekulierten die Anleger seit 2007 wegen der steigenden Goldpreise auf den Titel. Ein anderes Mal sorgten in den Jahren 2017 und 2018 die Hoffnungen auf das Spin-off von Diavantis für Kursfantasie. Seitdem sich dies zerschlagen hat, ist die CM-Aktie zeitweise auf unter 5’000 CHF gefallen. Sofern es dem Unternehmen in den kommenden Jahren gelingt, im Kerngeschäft weiter profitabel zu wachsen, dürfte sich dies auch in höheren Kursen reflektieren.

1 Kommentar

  1. Besten Dank für diese sehr informative Darstellung über das Unternehmen, in welchem meine Vater über 20 Jahre Personalchef war. Er hat die „goldenen Jahre“ des Unternehmens erlebt, wie sie bestimmt nicht mehr kommen werden. Aber der Bericht macht Mut, den jetzigen Verantwortlichen Vertrauen zu schenken. Bei grössten Anstrengungen bleibt die Weltwirtschaft eben nicht voraussehbar. Im Zeichen der Corona-Krise rücken die mangelnden Dividenden-Einnahmen ziemlich in den Hintergrund und ein positiver Effekt könnte sein, dass sich etliche Aktionäre (dazu gehöre ich auch seit zwei Jahren) bewusst werden, dass die Gesundheit und ein glückliches Leben weit wichtiger sind als der vergängliche Reichtum.
    Ich wünsche der Leitung von C.+ M. viel Weisheit in ihren wichtigen Entscheidungen.
    Andreas Bolliger

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