Birgitte Olsen, Bellevue Asset Management: «Das „New Normal“ ist und wird sein, ein oder zwei Tage pro Woche von zu Hause aus zu arbeiten»

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Der Fonds BB Entrepreneur Switzerland investiert in börsennotierte eigentümergeführte Unternehmen in der Schweiz, welche von einem Unternehmer oder einer Unternehmerfamilie mit mindestens 20% der Stimmrechtsanteile kontrolliert und massgeblich beeinflusst werden. Das Management-Team der Bellevue Asset Management identifiziert mittels eines fundamentalen Bottom-up-Ansatzes die attraktivsten eigentümergeführten Unternehmen mit kleiner, mittlerer als auch grosser Marktkapitalisierung und konstruiert aus 40 bis 50 Titeln ein über Sektoren diversifiziertes Portfolio.

Im Zoom-Interview äussert sich Birgitte Olsen, Portfoliomanagerin des BB Entrepreneur Switzerland, zur Arbeitssituation in Corona-Zeiten, warum familiengeführte Unternehmen krisenresistenter sind, zu ihrem Engagement in Logitech und SoftwareOne und wie sie die weitere Performance des Fonds erwartet. 

Frau Olsen, im laufenden Jahr (bis zum 20. November) hat Ihr Fonds mit einer Wertentwicklung von 13% wesentlich besser abgeschnitten als die Benchmark SPI mit 1,4%. Sind Unternehmen, die mindestens 20% in Familienbesitz sind, krisenresistenter?

Unsere Ausrichtung auf Entrepreneurs und familiengeführte Unternehmen sichert uns ein Portfolio, das qualitativ einwandfrei ist und eine überdurchschnittliche Performance erzielt. Starke Bilanzen und eine gute Profitabilität verleiht den Unternehmen eine grosse Eigenständigkeit und Fortführung ihrer Strategie, auch in der aktuellen Corona-Krise. Aber auch das Stockpicking konnte das Team 2020 in allen sehr unterschiedlichen Marktphasen exzellent umsetzen.

Performance des BB Entrepreneur Switzerland vs. SPI. Quelle: Bloomberg

Ihre grösste Position ist mittlerweile Logitech. Sie sehen da weitere Kursfantasie. Werden Sie Logitech halten oder gar weiter ausbauen?

Wir werden unsere Logitech-Position auf den aktuellen Niveaus halten. Als Folge der Covid-Pandemie hat sich der adressierbare Markt für Logitech in einigen der Divisionen verdoppelt. Das Arbeiten von zu Hause und im Büro benötigt Upgrades in Sachen Webcams oder Videokonferenz-Ausrüstung. Dies ist nach wie vor beträchtlich und bietet Wachstumschancen für mehrere Jahre. Auch der Bereich Gaming, inzwischen die grösste Division, erhält neue Wachstumsimpulse, da wir alle mehr Zeit zu Hause verbringen. Angesichts der starken Wachstumsaussichten sind wir der Meinung, dass die Bewertung nach wie vor interessant ist.

Mit der Ankündigung von Pfizer und anderen, dass ein Impfstoff wohl sehr bald zur Verfügung steht, gingen auch deutliche Kurskorrekturen der Krisengewinner einher. Der Kurs der Logitech-Aktie sackte von seinem Allzeithoch um die 85 CHF auf 75 CHF ab. Sollte im Lauf des Jahres 2021 wieder so etwas wie Normalität einkehren, könnte Logitech weitere Verluste verzeichnen. Wie antizipieren Sie diese mögliche Entwicklung?

Es wird sicherlich wieder Normalität einkehren, aber unsere Arbeitsgewohnheiten werden unserer Ansicht nach anders gestaltet sein. Die Heimarbeit hat sowohl bei Arbeitgebern als auch bei Arbeitnehmern an Popularität gewonnen. Das «New Normal» ist und wird sein, ein oder zwei Tage pro Woche von zu Hause aus zu arbeiten. Auch werden wir weniger reisen und unsere digitalen Gewohnheiten nicht so schnell über Bord werfen. Logitech wird eindeutig weiter davon profitieren können.  

Ein weiteres Unternehmen, das durch die Pandemie in den Fokus der Anleger geraten ist, ist die Versandapotheke Zur Rose. Hier steht ein Kursplus der Aktie von 160% im letzten Jahr. Der Titel gehört zu Ihren grössten zehn Investments. Sie erwarten laut Ihrem Oktober-Monatsbericht ein weiteres Wachstum von Zur Rose. Welche Kursfantasie haben Sie bei diesem Titel?

Medikamente und OTC-Produkte aus der Apotheke sind aufgrund der geringen Grösse und des Gewichts der Pakete, des hohen durchschnittlichen Stückwerts und des Fehlens von Rücksendungen eine der attraktivsten Kategorien für den Online-Handel. Die Marktdurchdringung ist jedoch immer noch extrem niedrig (ca. 2% in Deutschland, 10% in der Schweiz), was zeigt, dass wir erst am Anfang dieser Wachstumsgeschichte stehen. Die Pandemie war insofern ein Verstärker, der die Transition von offline zu online beschleunigt hat. Auch die Einführung verbindlicher elektronischer Verschreibungen in Deutschland ab Januar 2022 wird die Penetration weiter beschleunigen.

Jetzt haben wir viel über die Gewinner in Ihrem Portfolio gesprochen. Kommen wir zu den Verlierern. Da ist sicher Dufry zu nennen. Sie haben vor gut einem Jahr eine neue Position in diesem Wert aufgemacht. Wann rechnen Sie mit einer Erholung des Luftverkehrs und damit auch mit einem Anstieg der arg geprügelten Dufry-Aktie? Das Joint Venture mit Alibaba hat ja bereits ein bisschen geholfen, die Kursverluste zu reduzieren. Aber eben auch nicht mehr.

Es ist natürlich schwierig, genau vorherzusagen, wann die Wiederaufnahme des Flugverkehrs stattfinden wird, aber es ist offensichtlich, dass sie mit der Impfung der Bevölkerung schrittweise erfolgen wird. Wichtiger war für uns, dass der Aktienkurs ein zu negatives Szenario vorweggenommen hatte und daher ein gutes kurzfristiges Potenzial bot. Wir haben die Position nun mit einem guten Gewinn geschlossen und das Luftverkehrsthema mit Flughafen Zürich aufgenommen, die den Vorteil hat, in ihrem Wertschöpfungspotenzial diversifiziert zu sein.

Kursentwicklung der Aktie der Flughafen Zürich in 2020. Quelle: six-group.com

Sie haben sich beim Börsengang von SoftwareOne vor einem Jahr noch zurückgehalten. Sie sagten damals, sie fänden „die grosse Abhängigkeit von Microsoft-Produkten und die Akquisition von Comparex schwierig“. Was hat Sie zum Umdenken bewogen?

Comparex scheint erfolgreich integriert zu sein, jedenfalls fallen die generierten Kostensynergien schneller als erwartet aus. Die Microsoft-Produkte, die ca. 50% der Portfolios ausmachen, erfahren eine dynamische Nachfrage (mehr Hardware bedeutet auch mehr Software), und Covid beschleunigt die Transition zu SAAS (siehe SAP und Temenos). Das ist positiv für SoftwareOne, denn es bedeutet einen höheren Mehrwert mit beratenden Aktivitäten und eine gute Wachstumsdynamik.

Neu sind Sie im österreichischen Zweiradhersteller Pierer Mobility investiert. Die Anleger scheinen schnell gemerkt zu haben, dass nach dem Kursabsturz um 50% im März dieses Jahres Musik vor allem wegen dem E-Bike-Bereich in diesem Titel ist. Die an der SIX kotierte Aktie notiert in Höhen wie seit Juli 2019 nicht mehr. Sind Sie da nicht etwas spät mit Ihrem Engagement?

Seit der Aufnahme von Pierer Mobility im BB Entrepreneur Switzerland hat die Aktie um mehr als 40% zulegen können. Wir bauen jedoch unsere Position weiter aus, selbst auf den derzeitigen Niveaus, da wir mit einer starken Beschleunigung des Umsatzwachstums rechnen. Die wichtigsten Triebkräfte sind die steigende Nachfrage nach individueller städtischer Mobilität – abseits des öffentlichen Verkehrs – und ein grösseres Interesse an lokalen Freizeitaktivitäten.

Kursverlauf der Pierer-Mobility-Aktie in 2020. Quelle: six-group.com

Weiterhin machen Industrietitel einen Drittel Ihres Portfolios aus. Welche Umschichtungen haben Sie hier mit Blick auf die Corona-Krise vorgenommen?

Teure Industriewerte wie Belimo oder Sika wurden reduziert. Dagegen haben wir Positionen aufgebaut in Burckhardt Compression, Sulzer und Arbonia, die in unseren Augen einen interessanteren Risk/Reward ausweist.

Wie werden Sie im Allgemeinen auf die weiteren Unsicherheiten am Markt reagieren? Werden Sie trotz Ihres Bottom-up-Ansatzes möglicherweise auch an der Sektoren-Gewichtung schrauben?

Wir bleiben generell unserem Bottom-Ansatz treu, checken jedoch regelmässig unseren Sektor-«Footprint», um sicherzustellen, dass wir nicht zu schief in der Landschaft stehen. Viele unserer Schweizer Industriewerte haben allerdings starken Tech-Charakter, und ihre Performance korreliert nicht unbedingt mit der Konjunkturerwartung. 

Neue Konjunkturpakete sind zu erwarten. Eine Impfung gegen Covid-19 steht kurz vor der Marktreife. Die Wahlen in den USA sind entschieden, und der erratische Präsident Trump ist abgewählt. Die Zinsen bleiben im Keller. Was könnte den grossen Optimismus der Anleger trüben?

Der Schlüssel liegt in der Umsetzung, sowohl für die Impfprogramme gegen Covid-19 als auch für die Konjunkturpakete. Engpässe und Stau in der Organisation könnten dies verlangsamen. Wo jedoch der politische Wille stark ist, zeichnet sich meistens auch ein Weg ab.

Werden Sie gegenüber der Benchmark weiter outperformen? Ihre persönliche Einschätzung der Lage für die kommenden Monate?

Der SPI sollte 2021 für uns gut schlagbar sein, denn ein Rebound von Value –  wovon wir ausgehen –  sollte den SPI nicht besonders «gefährlich» machen angesichts der hohen intrinsischen Gewichtung von Pharma und Basiskonsum.

Frau Olsen, herzlichen Dank für dieses Gespräch.

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