Healthcare-Aktien: Höhenflug in der Pandemie

Investoren haben Gesundheitssektor im Visier

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Die Aktien der Vakzin-Entwickler aus dem Biotech-Bereich sind die Star-Performer an der Börse. Doch auch die Papiere der Hersteller von medizinischen Hygiene-Artikel wie IVF Hartmann, Contract Manufacturer wie Lonza und Siegfried oder Hersteller von wirkungsvollen Therapeutika für schwere Covid-Fälle sind im Aufwind. Angesichts der aktuellen Entwicklungen im globalen Infektionsgeschehen und weiter verlängerter Lockdown-Bestimmungen, ist eine Neu-Evaluierung des Sektors angebracht.

Sterilium – der Klassiker der alkoholischen Händedesinfektion. Quelle: obs/Paul Hartmann AG/Manfred Wigger

Nach gut einem Jahr ist klar, dass die lange verharmloste Virus-Pandemie nicht einfach vorbeigeht. Die Auswirkungen sind bereits gravierend. In Italien, dem Land, das als erstes in Europa einen totalen Lockdown verhängt hatte, sind neun Monate später die Geburtenraten um 22% gefallen! In China, dem Ursprungsland des neuen Corona-Virus, fiel die Anzahl der Geburten in 2020 trotz der schnellen Überwindung der Pandemie um immerhin 15%!

Lockdown dämpft wirtschaftliche Erholung

Die Wachstumsprognosen für Europa hatten noch zum Zeitpunkt der ersten Zulassungen von Impfstoffen im Dezember bei 5% für 2021 gelegen, wurden jedoch schnell auf 4% und nun auf 3% abgesenkt. Der Grund ist die mangelnde Verfügbarkeit von Impfstoffen. Die dadurch erforderlichen Massnahmen wie erneute Reisebeschränkungen, Ladenschliessungen und Ausgehverbote dämpfen die Hoffnungen auf eine rasche Erholung der Volkswirtschaften.

Pannen in Serie

Inzwischen sind es vor allem die zuständigen und verantwortlichen Politiker wie Ursula von der Leyen, Generalsekretärin der EU, die ins Visier der Kritik rücken. Die zahlreichen Skandale durch unberechtigte Vorteilnahmen bei der Impfung durch Feuerwehren, Bürgermeister oder in der Administration beschäftigtes Klinikpersonal fachen die Empörung der Bürger zusätzlich an. Im High-Tech Land Japan gibt es nun zwar die ersten Lieferungen von Impfstoff, doch es fehlen die richtigen Spritzen. Zudem ist durch die Verzögerungen der Impfkampagnen die Anzahl der Infektionen wieder stark angestiegen. Die Olympischen Sommerspiele sind schon von 2020 auf 2021 verschoben worden, durch die aktuellen Entwicklungen droht nun die endgültige Absage. Das wäre nicht nur für Japan ein Verlust für das Prestige, sondern auch für die Wirtschaft, die dann ohne den olympischen Impuls auskommen müsste. Die Mehrheit der Bevölkerung ist für die Absage, die Athleten auch.

Wirtschaftliche Erholung verzögert sich

Durch die Verzögerungen bei der Immunisierung der Bevölkerungen und das Auftauchen von teils aggressiveren Virus-Mutationen ist der gesamte Fahrplan für den Re-Start der Volkswirtschaften um mindesten sechs Monate verschoben. Die Nachrichtenlage von den Impfstoff-Herstellern ist bestenfalls gemischt. Die Quintessenz ist, dass etliche Big-Pharma-Repräsentanten ausgestiegen sind, wie Merck/Institut Pasteur, oder weit zurückgefallen, wie Sanofi und GSK. Nur Johnson & Johnson steht kurz vor der erwarteten Zulassung eines selbstentwickelten Impfstoffs. Bei Astra Zeneca/Oxford University stimmte das Studiendesign nicht, sodass der Impfstoff in der Schweiz gar nicht zugelassen ist und in Deutschland und Frankreich nur an unter 65-Jährige verabreicht werden darf. Gegen die Südafrika-Variante ist der Impfstoff nicht wirksam, die Kampagne in Südafrika wurde eingestellt.

Biontech schlägt Pharma

Wirksam und schnell an die Mutationen anpassbar sind dagegen die von Biontech und Moderna entwickelten Vakzine, die auf der mRNA-Technologie basieren. Am meisten Kopfzerbrechen bereitet den Epidemiologen unter den Tausenden von Mutationen die britische Variante, die auch in Kontinentaleuropa und den USA die zuvor herrschenden Virus-Stränge verdrängt. Gegen diese gefährliche Variante schützt der Biontech-Impfstoff. Die Produktion kann jedoch nicht beliebig schnell hochgefahren werden. Es hat sich als fataler Fehlschlag erwiesen, dass die Forschungszuschüsse für die forschenden Biotech-Unternehmen generell zu niedrig waren und die Vorkaufsverhandlungen für Vakzine nach dem Giesskannenprinzip vor allem mit den Big-Pharma-Unternehmen geführt wurden, die nun nicht liefern. Ein weiterer Punkt von gesellschaftlichem und politischem Belang ist, dass sowohl namhafte Experten als auch die Frau und der Mann auf der Strasse keinen Grund sehen, sich mit nur 60% oder 70% wirksamen Impfstoffen zu bescheiden, wenn doch Moderna und Biontech 95% erreichen.

Frontrunner Biontech und Moderna

Das zeigt sich auch am Aktienmarkt. Beide Aktien erreichten zwischenzeitlich neue Höchststände an der Nasdaq. Die Market Cap von Biontech erreicht 29 Mrd. USD, die von Moderna 71 Mrd. USD. Nachdem immer klarer wird, dass die Pandemie wohl nicht einfach verschwinden, sondern uns unter Umständen über Jahre hinweg begleiten wird, müssen die Perspektiven von Biontech und Moderna neu bewertet werden. Wenn nicht nur 2021 geimpft werden muss, sondern auch 2022, 2023 usw., sind die bisherigen Umsatzschätzungen Makulatur. Anstatt einem Einmal-Effekt ist nun mit wiederkehrenden Einnahmen in Milliardenhöhe zu rechnen – und entsprechenden Gewinnen. Für Biontech erwarten 11 Analysten im Konsens 13.36 USD Gewinn je Aktie in 2021. Die Range der einzelnen Schätzungen reicht jedoch von -1.26 USD bis 36.87 USD. So gesehen liegt das Konsens-KGV unter 10. Bei Moderna sind es 16 Analysten, die ähnlich breitgefächerte Schätzungen anstellen, nur liegt die Bewertung bei einem Konsens-KGV von 14.

Kursanstieg bei Moderna. Chart: money-net.ch
Novavax und Curevac vor Impfstoff-Zulassung

Die ebenfalls seit April 2020 vorgestellten Vakzin-Entwickler Curevac und Novavax zeigen ebenfalls eine herausragende Performance, weil der Nachrichtenfluss zu den Phase-II/III-Studien ermutigend ist. Bei beiden Unternehmen steht der Abschluss der Studien bevor, sodass jeweils bereits ab April mit der Notfall-Zulassung der Arzneimittelbehörden zu rechnen ist. Angesichts der aktuellen Situation können beide durchaus noch bedeutende Marktanteile erobern. Die Aktien sind inzwischen gut gelaufen. Novavax stieg in den letzten 12 Monaten um 3’706% und seit der Erstvorstellung auf schweizeraktien.net von 20 USD auf 330 USD in der Spitze. Curevac legte seit dem ersten Kurs nach dem IPO im August 2020 um immerhin 100% zu.

Novavax stieg in den letzten 12 Monaten um 3’706%. Chart: money-net.ch
Lonza und Siegfried sind Teil der Lösung

Zu den Profiteuren im gegebenen und wohl längerfristig gültigen Szenario zählen auch Lonza und Siegfried als Contract Manufacturer für die Hersteller der beiden zugelassenen und hocheffizienten Impfstoffe – Moderna und Biontech. Lonza hat seit dem Märztief bei 340 CHF auf aktuell 600 CHF zugelegt. Das Hoch lag bei 628 CHF. Siegfried stieg vom Märztief bei 320 CHF auf aktuell 688 CHF und strebt auf neue Rekordmarken zu. Im September wurde der Kooperationsvertrag mit Biontech abgeschlossen, ab Mitte 2021 soll die Produktion laufen. Der Vertrag läuft zunächst bis Ende 2022.

Siegfried strebt auf neue Rekordmarken zu. Chart: money-net.ch
Molecular Partners in Partnerschaft mit Novartis

Einen Kursschub erlebte auch Molecular Partners durch Covid-News. Der Aktienkurs steht jetzt bei 28 CHF und damit so hoch wie zuletzt Ende 2017. Den Impuls lieferten verschiedene Informationen, die im Rahmen der Veröffentlichung der vorläufigen Zahlen für 2020 bekannt gemacht wurden. So hat sich Novartis im vierten Quartal 2020 mit 6% beteiligt und ist weiterhin Partner einer Kooperation, deren Gegenstand die rapide Entwicklung und Kommerzialisierung von zwei Produktkandidaten ist, die versprechen, die Beschwerden bei schweren Covid-Infektionen wirkungsvoll zu bekämpfen. Im Februar 2021 veröffentlichte Studienergebnisse zeigen die Wirksamkeit auch gegen die neuen Varianten, inklusive der britischen und südafrikanischen. Einer der Kandidaten soll bis Ende des Jahres die Notfall-Zulassungsfähigkeit erreichen.

Einen Kursschub erlebte auch Molecular Partners durch Covid-News. Chart: money-net.ch
Covid-Therapeutika

Wenn eine Pandemie nicht schnell vorüber geht und Impfstoffe nur langsam verfügbar werden, sind wirksame Therapeutika umso wichtiger. Neben Remdesivir von Gilead und weiteren Therapeutika von Eli Lilly und Regeneron liegen inzwischen mehrere Studien über weitere wirkungsvolle Medikamente vor. Das Asthmamittel Budesonide kann bei frühzeitiger Verabreichung schlimmere Verlaufsformen vermeiden und bei acht angebrachten Anwendungsfällen eine Einweisung ins Krankenhaus ersparen.

Systemkritische IVF Hartmann mit Wachstumsschub

Es muss jedoch nicht immer High-Tech sein. Der Hersteller von Verbandmaterialien und medizinischen Verbrauchsgütern IVF Hartmann ist ebenfalls ein Gewinner des erhöhten Bedarfs im Gesundheitswesen, beispielsweise für Desinfektionsmittel. Die Aktie ist seit dem Märztief von 125 CHF auf nun 190 CHF gestiegen. Das EBIT für 2020 soll auf 21 Mio. CHF bis 24 Mio. CHF von 14.4 Mio. CHF im Vorjahr steigen. Das Umsatzwachstum soll weiterhin über dem Marktwachstum liegen.

Fazit

Die Jahrhundert-Pandemie geht nicht einfach vorüber, auch wenn sich das alle wünschen. Die ersten zugelassenen Impfstoffe sind zwar hocheffizient und dank der technologischen Fortschritte in Rekordzeit entwickelt worden, doch wurde offensichtlich zu Beginn der Krise von den für die Beschaffung zuständigen politischen Amtsträgern zu kleinkariert und zu kurzfristig gedacht. Die mangelnde Kompetenz der Technokraten und Bürokraten in Biologie und Wissenschaft allgemein hat der Menschheit somit eine schwere Bürde aufgelegt. Das öffentliche Leben bleibt daher für weitere Monate quasi auf Eis gelegt. Zu den Konsequenzen zählt, dass die Gesundheitssysteme länger, als zu befürchten war, strapaziert werden. Hohe Nachfrage nach wirkungsvollen Therapeutika und Verbrauchsmaterialien prägen den Markt unter diesen Bedingungen ebenso wie die rasche Erhöhung der Vakzin-Produktion. An der Börse bieten die relevanten Healthcare-Aktien weiterhin gute Perspektiven, insbesondere im Verhältnis zu Industrien, die negativ von der Pandemie betroffen sind.

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