Coltene: Favoriten auf dem Prüfstand

Weichen sind auf profitables Wachstum gestellt

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Nach einem schwachen ersten Halbjahr 2020 kam es beim Spezialisten für zahnmedizinische Verbrauchsgüter Coltene im zweiten Halbjahr zu einem bemerkenswerten Turnaround. Wesentlichen Anteil daran hatte der Bereich Infection Control, der durch die Pandemie eine starke Nachfrage erfuhr. Die Dividende soll trotz dem von Sondereffekten geprägten Gewinnrückgang auf 3 CHF je Aktie verdoppelt werden.

3-Jahres-Chart Coltene. Quelle: money-net.ch

Zu den Sondereffekten zählen eine einmalig deutlich erhöhte Steuerquote, signifikante Wechselkurseffekte sowie der Verkauf der brasilianischen Tochtergesellschaft Vigodent. Die Pandemie hat das grösste und bevölkerungsreichste Land Lateinamerikas stärker als jedes andere Land der Welt getroffen. Jeder zehnte an Covid Verstorbene ist Brasilianer. Entsprechend überfordert ist das Gesundheitssystem – mit weitreichenden wirtschaftlichen Konsequenzen. Die Krise ist eine direkte Folge der politischen Fehlentscheidungen des populistischen Präsidenten und der daraus resultierenden Unsicherheiten.

Brasilianische Tochter verkauft

Der Verkauf der Tochter verminderte das EBIT um 8.8 Mio. CHF und schlug sich im Finanzergebnis mit -2.8 Mio. CHF nieder. Zudem stieg die Steuerquote einmalig auf 54,3%, im Vorjahr lag sie bei 28,8%. Hauptgrund ist, dass die Verlustvorträge von Vigodent durch den Verkauf verloren sind und nicht mehr genutzt werden können. Trotz dieser Konsequenzen und dem Verlust von 7.3 Mio. CHF Jahresumsatz war der Schritt gut begründet und beendete eine Entwicklung, die durch den Mangel an Pandemie-Management in Brasilien nach einem guten Start einen unglücklichen Verlauf zu nehmen droht. Die bisher angebotenen Produkte werden in Brasilien nun durch Distributoren vertrieben.

Turnaround im zweiten Halbjahr 2020

Im ersten Halbjahr 2020 war der Umsatz von Coltene in Lokalwährungen um 19,2% kräftig eingebrochen. Viele Zahnarztpraxen waren zeitweilig geschlossen. Doch im zweiten Halbjahr kam es zu einer kräftigen Erholung. Wesentlichen Anteil daran hatte der Bereich Infection Control, der gegenüber 2019 ein Wachstum von 35,5% in Lokalwährungen verzeichnete. Der Umsatz stieg von 73.7 Mio. CHF auf 94.1 Mio. CHF und kompensierte damit zu einem grossen Teil die rückläufige Entwicklung in den beiden anderen Bereichen. Infection Control wurde somit zum wichtigsten Umsatzträger mit nun 38% Anteil. Insgesamt sank der Jahresumsatz um 9,3% auf 248.4 Mio. CHF, wobei mehr als die Hälfte des Rückgangs auf Wechselkursveränderungen zurückgeht.

Grafiken: Coltene Medienpräsentation 5.3.2021
Kostendisziplin und Digitalisierung

Die operativen Kosten wurden, um Vigodent bereinigt, signifikant um 27,2% gesenkt, die Personalaufwendungen sanken um 13,6%. Zeitarbeitsverträge wurden beendet, in Europa wurde zeitweilig Kurzarbeit eingeführt, in den USA wurden die Zwangsbeurlaubungsregeln unter Fortzahlung der Sozialleistungen genutzt. Die Marketingbudgets wurden reduziert. Im Gegenzug wurde die Digitalisierung vorangetrieben. Die Homepage wurde neugestaltet, Webinare und digitale Lernmodule erfreuen sich guter Akzeptanz und Nachfrage. Das digitale Marketing wird verstärkt für die Nicht-Kernmärkte eingesetzt. Die Folge der Anpassungen ist, dass die Gewinnmarge im Pandemiejahr 2020 nicht gelitten hat.

Anpassungen

Unterdessen wurde die Zeit genutzt, um trotz der rapiden Veränderungen der Rahmenbedingungen die Weichen auf weiteres Wachstum zu stellen. Dazu zählen kleinere Übernahmen komplementärer Aktivitäten, die Einführung von Produktinnovationen sowie die Bereinigung des Produktportfolios um marginale Produkte. Dadurch werden 2021 zwar 6.2 Mio. CHF an Umsatz wegfallen, doch die Effizienz steigt. Der Schritt steht auch im Zusammenhang mit der ab Mai gültigen neuen EU-Verordnung zu den Medizinprodukten (MDR). Da jedes Produkt einzeln auditiert werden muss, spart Coltene Zeit und Geld durch die Bereinigung. Bereits 2020 erhielt das Unternehmen das erste MDR-Zertifikat.

Nettoverkäufe nach Regionen. Quelle: Coltene Medienpräsentation 5.3.2021
Priorität Nachhaltigkeit

Einen Schwerpunkt bildet bei Coltene auch die ESG-Konformität des Unternehmens. Kritische Werkstoffe und umweltschädliche Prozesse gibt es nicht mehr. Wasser- und Energieverbrauch werden gemessen und reduziert. Die Frauenquote in Führungspositionen liegt bei 29% und soll durch diverse Initiativen weiter gesteigert werden. Die Führungsriege besteht allerdings noch ausschliesslich aus Männern. Der Nachhaltigkeitsbericht ist Teil des Geschäftsberichts.

Zahlenwerk 2020

Die Bilanz wurde im Pandemiejahr 2020 gestärkt. Die Nettoverschuldung sank um 40,6% auf 21.9 Mio. CHF. Der Free Cashflow stieg von 10.7 Mio. CHF auf 24.3 Mio. CHF. Während der ausgewiesene Reingewinn 8.2 Mio. CHF beträgt, beläuft er sich ohne Einmaleffekte auf 19.9 Mio. CHF und liegt damit praktisch unverändert auf Höhe des Vorjahres. Die Dividende soll von 1.50 CHF im Vorjahr auf 3 CHF verdoppelt werden. Dabei handelt es sich um eine Ausschüttung aus Kapitaleinlagereserven, die für natürliche Personen mit Wohnsitz Schweiz steuerfrei ist. Die Dividende liegt damit wieder auf Höhe der Jahre vor 2019. Ziel ist eine weitere Steigerung der EBIT-Marge auf 15%. Die Präsentation des Jahresabschlusses 2020 informiert detailliert.

Fazit

Der Ausblick ist durch die entschlossene Anpassung an die veränderten Marktbedingungen positiv. Vor allem beeindrucken die Kostendisziplin und die gleichzeitige Fokussierung auf das weitere Wachstum durch Portfolio-Arrondierungen, Innovationen und die Nachhaltigkeit des Geschäfts. Wenn auch auf kurze bis mittlere Sicht Infection Control der Wachstumstreiber sein wird: Auch der Zahnerhalt sowie die effiziente zahnmedizinische Behandlung werden wieder auf Wachstumskurs kommen. In den Kernmärkten Nordamerika, Europa, China, Japan und Südkorea bleiben die langfristigen Nachfragetrends intakt. Die Dividendenrendite ist mit 2,8% attraktiv und steigerungsfähig. Die Aktie ist somit auch auf dem erhöhten Kursniveau als eine gute Anlagealternative einzustufen.

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