Spielbanken Schweiz: Onlinecasinos retten ein ‚Annus horribilis‘

Online-Bruttospielerträge liegen bei knapp 190 Mio. CHF im ersten vollen Betriebsjahr

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Die mehrmonatigen Schliessungen der Casinos haben der Branche zugesetzt. Mit Online-Angeboten konnte ein Teil der Verluste in den landbasierten Casinos wie hier in Baden wettgemacht werden. Bild: grandcasinobaden.ch

Da hatten Politik und Lobbyisten der Casino-Branche ein goldrichtiges Händchen: Mit dem Verbot ausländischer Anbieter von Online-Casinos im Jahr 2019 machten Legislative und Exekutive in Bern den Weg frei für die Casinos in der Schweiz, ihre Angebote nicht nur terrestrisch, sondern auch online anzubieten.

Weniger ein „goldrichtiges Händchen“ als pures Glück war der Zeitpunkt des Starts der ersten Online-Casinos in der Schweiz Mitte 2019. Denn wer konnte da schon ahnen, welche dramatischen Einschnitte das Jahr 2020 bringen würde. Dass es nämlich für die Branche im angestammten Geschäftszweig ‚terrestrisches Casino‘ praktisch überall heissen würde: „Nichts geht mehr!“

Umsatzrückgänge in landbasierten Casinos von 40%

Ein Blick auf die Casino Interlaken AG illustriert das beispielhaft. Das landbasierte Casino musste an 143 Tagen komplett schliessen und konnte an weiteren 132 Tagen nur mit einem eingeschränkten Angebot öffnen. Die Berner Oberländer verzeichneten einen Umsatzrückgang von über 50%. Die Betreiber anderer Casinos mussten in ähnlichem Umfang dichtmachen oder ihr Angebot reduzieren, wenngleich nicht mit so ausgeprägten Folgen wie in Interlaken, das anders als Städte wie Zürich, Bern oder Basel stark von der Frequenz internationaler (spielender) Touristen abhängig ist. Bei den Casinos in Zürich, Bern, Baden oder Luzern liegen die Einnahmenrückgänge im terrestrischen Bereich zwischen 32% und 39%.

Allein der Branchenprimus Swiss Casinos mit den vier Standorten Zürich, Pfäffikon (SZ), St. Gallen und Schaffhausen verzeichnete 2020 50 Mio. Mindereinnahmen. Schweizweit dürften über 160 Mio. CHF Bruttospielerträge (BSE) gegenüber dem Vorjahr verloren gegangen sein. Das entspricht einem Rückgang um 40% auf 290. Mio. CHF.  

Womit wir wieder beim Glück des richtigen Zeitpunkts wären. Denn jetzt, in der Berichtssaison, wo die Jahres-Abschlüsse bekannt werden, materialisieren sich die Prognosen zu den Umsätzen im Online-Gaming. Auf mindestens 250 Millionen CHF wurde der BSE geschätzt, der bis 2019 ins Ausland abgeflossen ist.

187 Mio. CHF Umsatz mit Online-Casinos

Der Marktführer in der Schweiz, mycasino.ch der Grand Casino Luzern Gruppe, setzte knappe 70 Mio. CHF um. Ähnliche BSE-Grössenordnungen im Online-Bereich können die Swiss Casinos mit 56 Mio. CHF sowie die Stadtcasino Baden Gruppe mit jackpots.ch (Baden) und casino777.ch (Davos) mit 46 Mio. CHF im ersten vollständigen Betriebsjahr vermelden. Interlaken erzielte mit seinem im Februar 2020 gestarteten Angebot starvegas.ch Umsätze von 14.2 Mio. CHF, im landbasierten Casino waren es 5.6 Mio. CHF. Schweizweit wurde 2020 ein Online-BSE von 187 Mio. CHF erwirtschaftet.

Damit schrammen die Casino-Betreiber an einem ‚Annus horribilis‘ vorbei. Die Stadtcasino Baden Gruppe konnte unter dem Strich einen Gewinn von 3.9 Mio. CHF ausweisen, auch die Swiss Casinos mit 1.5 Mio. CHF fahren ein kleines Plus ein. Verluste verzeichnen Luzern mit 340‘000 CHF, Interlaken mit 1,6 Mio. CHF und der Kursaal Bern mit 8.4 Mio. CHF. Die Berner setzen dennoch mit einem Börsengang auf eine Vorwärtsstrategie

Gerade am Beispiel Bern wird deutlich, wie sehr sich das gegenüber der Konkurrenz späte Engagement im Onlinebereich schliesslich auf die Erfolgsrechnung auswirkt. 7melons.ch des Grand Casinos Bern, das zu 55% der Kursaal Bern Gruppe gehört, und hurrah.casino-neuchatel.ch, an dem die Berner 98% halten, sind erst im September 2020 gestartet bzw. haben im November des letzten Jahres die Konzessionserweiterung erhalten.

Hohe Kosten im Marketing, für Lizenzen und Kooperationen sowie den Zahlungsverkehr

Das Online-Engagement hat seinen Preis. Beim Marktführer aus Luzern schoss der Aufwand für Marketingaktivitäten auf 15.7 Mio. CHF in die Höhe, der betriebliche Aufwand legte insgesamt um stolze 130% zu, von 9.75 Mio. CHF (2019) auf 23.1 Mio. CHF in 2020. Der Aufwand für Waren, Kommissionen und Dienstleistungen wuchs gar um fast 400% auf 14 Mio. CHF. Diese Kosten seien auf die Zusammenarbeit und Kooperation im Online-Geschäft mit den Geschäftspartnern wie z.B. Spielelieferanten und Zahlungsverkehr sowie mit der Eidg. Spielbankenkommission zurückzuführen, präzisiert Rudolf Widmer, CFO der Grand Casino Luzern Gruppe, auf Anfrage.

Auch die Stadtcasino Baden Gruppe muss für ihre Online-Aktivitäten tief ins Portemonnaie greifen. Der Werbeaufwand verdoppelte sich beinahe von 6.5 Mio. CHF auf 11.2 Mio. CHF. Darüber hinaus wurden für Lizenzgebühren und die Online-Zahlungsabwicklung zusammen 7.5 Mio. CHF ausgegeben.

Immer mehr Mitbewerber

Im Bereich Marketing-Ausgaben dürfte das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht sein, wie Rudolf Widmer schreibt: „2021 wird die ESBK weitere Online-Konzessionen erteilen, was die Konkurrenzsituation zusätzlich verschärfen wird“. Mit der Zunahme von Mitbewerbern im Online-Markt würden die Marketingausgaben für neue Kunden 2021 für alle Casinos tendenziell weiter steigen, so Widmer.

Bereits heute buhlen 9 Online-Casinos in der Schweiz um die Gunst der Spieler; am 1. März diesen Jahres kam als vorläufig letztes Lugano hinzu.

Der geballten Flut an Werbung der Casinobetreiber für ihre Online-Angebote entkommt kein Medienkonsument. Sei es in traditioneller Anzeigenform oder als bezahlter Content, sei es im TV, Radio, online oder in der klassischen Printausgabe von Tageszeitungen – die Casinos feuern auf allen Kanälen. Denn sie wissen: Die Online-Spielerinnen und -Spieler sind treulos, das nächste Angebot ist nur einen Click entfernt.

Ausblick

Die Auswirkungen der Pandemie auf das Geschäftsjahr 2021 sind noch nicht abzusehen. Klar ist, dass die Schliessung der landbasierten Casinos und der Gastronomie in den ersten vier Monaten erneut wirtschaftliche Spuren in der Branche hinterlassen wird. Seit Mai ist zwar wieder ein Spielbetrieb möglich, allerdings mit eingeschränkten Besucherzahlen. Da sich die Spieler nicht verpflegen können und die Raucherbereiche in einigen Casinos weiterhin geschlossen bleiben, ist der Andrang vorderhand überschaubar.

Deshalb ruhen die Hoffnungen der Casino-Betreiber auch in diesem Jahr auf dem Online-Geschäft. Der Luzerner Rudolf Widmer ist optimistisch: „Mit dem Erreichen der Marktführerschaft 2020 haben wir für 2021 und die folgenden Jahre eine ideale Ausgangsbasis erreicht. Nach dem sehr raschen Wachstum der ersten beiden Jahre wird sich die Wachstumskurve insgesamt abflachen, und neue Mitbewerber werden Marktanteile erringen. Wir sehen die Entwicklung für 2021 und die Folgejahre aufgrund unseres hohen Marktanteiles positiv.“

Ähnlich vorsichtig positive Einschätzungen sind auch bei den anderen Betreibern zu hören.

Fazit

Die Schweizer Casinos sind aus dem Pandemiejahr nochmals mit einem blauen Auge davongekommen. Dies dank der Einnahmen aus dem Onlinegeschäft. Aber gerade in diesem Bereich wird der Wettbewerb härter, die Konkurrenten zahlreicher, und damit auch der Druck auf die Unternehmen, neue Spiel-Angebote zu schaffen, grösser. Zudem will jeder ein Stück von dem lukrativen Online-Kuchen, was den eh schon beträchtlichen Werbeaufwand weiter steigen lassen wird.

Das lukrative Geschäft mit Online-Poker bietet bisher nur die Swiss Casinos Gruppe an. Andere sind in den Startlöchern, aber ein Markteintritt wird nur durch Kooperationen mit ausländischen, auf dem Markt etablierten Anbietern möglich sein. Selbst die Stadtcasino Baden Gruppe, die sich den Spielentwickler Gamanza einverleibt hat und deshalb im Bereich Spiellieferanten weitgehend autonom ist, muss sich umsehen.

2020 haben die Online-Casinos knapp 190 Mio. CHF an BSE erwirtschaftet, es gibt also durchaus noch Raum nach oben zu den geschätzten 250 Mio. CHF, die vor 2019 aus der Schweiz ins Ausland abgeflossen sind.

Im landbasierten Bereich ist, ausgehend von den hohen Rückgängen in 2020 und dem weiterhin absehbaren niedrigen BSE-Aufkommen in diesem Jahr, kurzfristig keine Entlastung zu erwarten. Allerdings könnte sich dies in 2022 spürbar ändern. Die Casinos haben in der Pandemie-Zwangspause einiges dafür getan, den Erlebnisfaktor in ihren Häusern zu verbessern. So haben Luzern und Baden ihre Gastronomie-Angebote generalüberholt, neue Spielgeräte installiert und den bestehenden Automaten-Park neu gruppiert. Jetzt müssen nur die Spielerinnen und Spieler wieder zurückkommen (dürfen). Ob sie dies tun wie in Vorpandemie-Zeiten, bleibt abzuwarten.

Entwicklung ausgewählter Schweizer Casinos in 2020
  BSE landbasiertes Casino BSE Online- Casino Jahresergebnis Dividende/  Div.-Rendite Kurs 20.5.
Stadtcasino Baden und Casino Davos 51 Mio. CHF (-33%)* 46 Mio. CHF 3.9 Mio. CHF 25 CHF / 3,47% 700 CHF
Grand Casino Luzern 24.8 Mio. CHF (-36%)  69 Mio. CHF -0.34 Mio. CHF 6 CHF / 1,71% 499 CHF
Kursaal Bern mit Grand Casino Bern und Casino Neuchâtel** 43.9 Mio. CHF (-39%) n.a. (Bern online seit 9/2020 bzw. Neuchâtel seit 11/2020)  -8.4 Mio. CHF keine 500 CHF
Kursaal Interlaken 5.6 Mio. CHF (-52%) 14.2 Mio. CHF (online seit 2/2020) -1.6 Mio. CHF keine 305 CHF
Swiss Casinos*** 106 Mio. CHF (-32%) 56 Mio. CHF 1.5 Mio. CHF n.a. Nicht gelistet

*Veränderung jeweils gegenüber dem Jahr 2019.

**Kursaal Bern hält 55% der Anteile am Grand Casino Bern und 98% Anteile am Casino Neuchâtel.

***Zu Swiss Casinos gehören Pfäffikon (SZ), Zürich, Schaffhausen und St. Gallen.

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