Patiswiss: Innovation und Nachhaltigkeit als Trumpfkarten

Beinahe-Rundumerneuerung des Verwaltungsrates

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Letzten Sommer befürchtete die Patiswiss AG noch einen durch die Covid-Pandemie bedingten Umsatzrückgang von 20% für das Berichtsjahr 2020. Ganz so schlimm kam es dann doch nicht; im aktuellen Geschäftsbericht informiert das Unternehmen über einen Rückgang von 8,7%. Erfreulicherweise resultiert unter dem Strich mit einem Gewinn von 255’000 CHF trotz der schwierigen Voraussetzungen ein positives Ergebnis.

Halbfabrikate im Süsswarenbereich wie Mandelmassen sind die Kernkompetenz von Patiswiss. Doch das Unternehmen streckt seine Fühler auch in neue Märkte aus. Bild: Patiswiss AG
Schaden hält sich im Corona-Jahr in Grenzen

Den Löwenanteil der 15.3 Mio. CHF Umsatz generierte Patiswiss durch den Verkauf von Halbfabrikaten im Süsswarenbereich an hauptsächlich Schweizer Kunden aus Industrie, Gewerbe, Grosshandel und Gastro. Nachdem das Geschäftsjahr 2020 noch solide gestartet war, fiel mit dem vom Bundesrat verordneten Lockdown im Frühjahr ein Grossteil der Umsätze abrupt weg. Insbesondere die Kundenbereiche Gastro und Gewerbe – hauptsächlich Bäckereien und Confiserien – litten stark unter den veränderten Bedingungen. Mit den fortlaufenden Lockerungen erholten sich auch die Umsätze, sodass per Jahresende der Schaden auf Umsatzebene mit einem Minus von 8,7% in Grenzen gehalten werden konnte.

Weitere Besserung ist gemäss CEO Stefan Geller im laufenden Berichtsjahr zu erwarten. Einzig im Gastro-Bereich verzögere sich die Umsatzerholung durch die erneuten Schliessungen; in den restlichen Bereichen befinde sich Patiswiss dank guter und normaler Nachfrage umsatzmässig auf Budgetkurs. Somit dürfe für 2021 mit einem Gesamtumsatz über Vorjahresniveau gerechnet werden.

Dank wirkungsvollen Massnahmen auf der Kostenseite, wie beispielsweise der Bezug von Kurzarbeitsentschädigungen während drei Monaten, kann das im solothurnischen Gunzgen ansässige Unternehmen für 2020 ein positives Ergebnis ausweisen. Stellt die Marktpreisentwicklung von Rohstoffen grundsätzlich ein Risiko für Patiswiss dar, so war 2020 insbesondere der Verlauf der Preise für kalifornische Mandeln, welche ein historisch tiefes Niveau erreichten, ein unterstützender Faktor für das Unternehmensergebnis. Mit einer EBITDA-Marge von 8,8% wirtschaftete Patiswiss deshalb gar leicht effizienter als im Vorjahr (8,5%).

Innovation und Nachhaltigkeit stärken Marktposition

Um die eigene Marktposition zu stärken, setzt Patiswiss auf Innovation und Investitionen. 2020 arbeitete das Entwicklungsteam insgesamt an 186 gestarteten Projekten, ein Rekordwert. Von den bereits umgesetzten Projekten ist „Neese“ hervorzuheben, eine auf Ölkernen basierende pflanzliche Alternative zu Käse und anderen tierischen Produkten. Mit Neese will Patiswiss vermehrt auch auf dem internationalen Parkett Spuren hinterlassen und 2021 gezielt Grosshändler und Lebensmittelketten im europäischen Raum ansprechen. Zu diesem Zweck wurde im Herbst letzten Jahres eigens die Vertriebsgesellschaft Patiswiss GmbH mit Sitz in Konstanz gegründet.

Ebenfalls 2020 übernahm Patiswiss die Schokoladen-Dragée-Produktion der mittlerweile geschlossenen Berner Firma Gysi AG Chocolatier Suisse. Der Bereich wurde im April gekauft, und bereits Anfang August konnten erste in Gunzgen produzierte Schoko-Dragées verkauft werden, welche bis Ende Jahr das Ergebnis mit mehreren Hunderttausend Franken Umsatz stützten.

Nebst Innovation ist auch Nachhaltigkeit ein Trumpf für die Patiswiss AG. Bio- und Fairtrade-Produkte gewinnen bei Konsumenten immer mehr an Beliebtheit, was Patiswiss in die Karten spielt. Das Unternehmen verzichtet seit 2013 auf den Gebrauch von Palmöl und stellt bei der Beschaffung von Rohstoffen hohe Anforderungen an die Lieferanten. Seit 2020 versucht Patiswiss auch, die eigenen Produkte durch religiöse Zertifizierungen für Endkunden mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund attraktiver und zugänglicher zu machen. Die Produktion nach islamischen Regeln wird seit vergangenem Jahr durch eine entsprechende Halal-Zertifizierung garantiert, 2021 soll mit einer Koscher-Zertifizierung das Äquivalent für die jüdische Gemeinde folgen.

Neuzusammensetzung des Verwaltungsrates

Beinahe eine Rundumerneuerung steht der Patiswiss in der strategischen Führung bevor. „Vier der fünf Verwaltungsräte waren durch die Aktionäre anlässlich der Generalversammlung vom 10. Mai 2021 für die Periode bis zur GV 2023 wiedergewählt worden“, erklärt CEO Stefan Geller auf Nachfrage. „Unterschiedliche Ansichten in Bezug auf die künftige Zusammensetzung des Verwaltungsrates zwischen einzelnen Mitgliedern des Verwaltungsrats und einer namhaften Anzahl von Aktionären führten anschliessend zu den Rücktritten von Alexander Reinhard, René Fleischli und Michael Brüderli.“ Noch vor der Generalversammlung war Marco Billeter zurückgetreten, dies nach Bekanntwerden der Wahlresultate. Somit verbleibt Karl Zeller als einziger Verwaltungsrat der Patiswiss AG. Anlässlich einer ausserordentlichen Generalversammlung soll der Verwaltungsrat mit kompetenten Neubesetzungen ergänzt werden.

Fazit

Die Aktien der Patiswiss AG werden ausserbörslich auf OTC-X gehandelt. Seit März 2018 bewegte sich der Aktienkurs stets zwischen 500 und 600 CHF je Titel, bevor im April 2021 ein plötzlicher Sprung bis auf 750 CHF folgte – ein Plus von 40% gegenüber Jahresbeginn. Der letztbezahlte Kurs entspricht mit 650 CHF immerhin noch einem Anstieg um 21%. Ein konkreter Auslöser für den Kurssprung ist auf den ersten Blick nicht ersichtlich. Der Titel galt schon vor dem Anstieg als nicht gerade günstig bewertet, mit dem zuletzt bezahlten Kurs ergibt sich nun ein KGV von sehr hohen 81.6. Die hohe Bewertung auf Basis des KGV ist dabei nicht bloss dem gesunken Gewinn im vergangenen Jahr geschuldet, schliesslich entspräche das aktuelle Kursniveau auch auf Basis des 2019er Gewinnes einem hohen KGV von 49. Die beantragte Dividende von unveränderten 8 CHF je Aktie, was einer Dividendenrendite von 1,2% entspricht, bietet ebenfalls nicht Anlass zu Luftsprüngen.

Seit 2018 schien der konstant steigende Trend der Patiswiss-Aktie gebremst zu sein. Diesen Frühling kam es jedoch zu einem plötzlichen Kurssprung, wie der hier abgebildete Geldkursverlauf zeigt. Chart: otc-x.ch

Was also sorgte für den Kurssprung? Mit der neu geschaffenen Brand Neese positioniert sich Patiswiss, um vom Trend zu mehr veganer Ernährung vermehrt profitieren zu können. Mit zunehmendem Überstrapazieren der Ressourcen unseres Planeten gilt Veganismus je länger je mehr als lindernder Faktor; vegane Produkte dürften also weiter an Beliebtheit gewinnen. Zudem verstärkt Patiswiss mit Neese die Präsenz im internationalen Geschäft, bisher machten Exporte bloss 4% des Umsatzes aus. Auch weitet Neese das Angebot über den etablierten Confiserie-Bereich aus. Mit der Übernahme der Dragées von Gysi und der damit verbundenen Produktion von Handelsmarken konnte zudem der Zugang zum Detailhandel verstärkt werden. Patiswiss ist somit gut positioniert, um die Fühler auch in neue Märkte auszustrecken. Jedoch war diese Entwicklung schon seit längerem bekannt und dürfte somit nicht den gesamten plötzlichen Kurssprung erklären.

Eine weitere Möglichkeit könnten Spekulationen über mögliche neue Kooperationen, Partnerschaften oder gar eine Übernahme sein. Mit den neuen Verwaltungsräten kommen auch neue Expertisen und neue Kontakte zu anderen in der Nahrungsmittelindustrie tätigen Unternehmen in die Patiswiss AG. Der verbleibende Verwaltungsrat Karl Zeller war beispielsweise gerade Ende Mai zur Wahl in den Verwaltungsrat der Mühlengruppe Groupe Minoteries vorgeschlagen gewesen. Möglich also, dass Kooperationsfantasien den Aktienkurs hochschnellen liessen; konkrete Bestrebungen in diese Richtung seitens von Patiswiss sind aber nicht bekannt.

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