Seit Ende März ist Klaus Tschütscher in Personalunion CEO und Verwaltungsratspräsident der Grand Resort Bad Ragaz Gruppe. Zu dem Luxusresort mit seinen zwei 5-Sterne-Hotels gehören auch eine Klinik mit medizinischem Zentrum, das öffentliche Thermalbad Tamina Therme, das Casino Bad Ragaz sowie ein Golfplatz. Per Ende Juni 2025 erzielte die Gruppe einen Umsatz von 52.5 Mio. CHF (+3,0%). Im Gesamtjahr 2024 waren es 102.6 Mio. CHF.
Am Branchentalk Tourismus wird Klaus Tschütscher über die Strategie 2035 der Unternehmensgruppe sowie über das Thema «Longevity» sprechen. Tschütscher war von 2009 bis 2013 Regierungschef und Finanzminister Liechtensteins und sitzt seit 2014 im Verwaltungsrat der Grand Resort Bad Ragaz AG. Tschütscher ist selbständiger Unternehmer und übt mehrere VR-Mandate aus, u.a. auch als Vizepräsident des Swiss Life Versicherungskonzerns.

Herr Tschütscher, in der Schweiz hört man immer mehr Klagen über Overtourism. Sind diese Klagen übertrieben, und wie sollten Politik und Tourismusorganisationen darauf reagieren?
Klagen über Overtourism sind nicht übertrieben – auch in einigen Schweizer Hotspots fühlen sich Einheimische vom Besucherandrang überrollt. Politik und Tourismusorganisationen müssen daher vorausschauend handeln: mit Strategien für ausgewogene Entwicklung, intelligenter Besucherlenkung und Aufklärung der Reisenden. Statt reinem Wachstum müssen Qualität, Nachhaltigkeit und regionaler Mehrwert im Vordergrund stehen. Tourismus muss zur Identität des Ortes passen – wie bei uns in Bad Ragaz, wo wir auf Klasse statt Masse setzen, Tradition mit authentischen Angeboten verbinden und eng mit lokalen Partnern zusammenarbeiten, um Einheimischen wie Gästen unvergessliche, aber verträgliche Erlebnisse zu bieten.
«Statt reinem Wachstum müssen Qualität, Nachhaltigkeit und regionaler Mehrwert im Vordergrund stehen»
Diese konsequente Ausrichtung auf Qualität, verankert in unserem Purpose, ist entscheidend für die Akzeptanz des Tourismus und die Schonung unserer natürlichen und kulturellen Ressourcen. Dafür setze ich mich auch persönlich ein. Gleichzeitig greifen wir zentrale Trends im Luxustourismus auf: Gäste erwarten Personalisierung, Sicherheit, Verlässlichkeit und Vertrautheit. Diesen Werten werden wir gerecht, indem wir jedem Gast ein individuell abgestimmtes Erlebnis bieten, das Geborgenheit und Vertrautheit vermittelt.
In Bad Ragaz bieten Sie genau das Gegenteil vom Massentourismus an: Entschleunigung, Wellness und Gesundheitstourismus. Ist das generell ein Gegentrend zu unserer lauten und schnelllebigen Welt?
Absolut. Unser Grand Resort hat noch nie die Massen angezogen und wird es auch künftig nicht tun – wir definieren Luxus bewusst neu. Wir erleben einen deutlichen Gegentrend zur Hektik der modernen Welt: Luxus bedeutet heute nicht mehr protzigen Besitz, sondern Zeit, Sinn und Authentizität. In einer Gesellschaft auf Hochtouren wird das Innehalten zum kostbaren Gut. Immer mehr Menschen – ob gestresste Manager, anspruchsvolle HNWIs oder Longevity-Enthusiasten – suchen gezielt Orte der Ruhe und Regeneration. Was früher lediglich ein Wellness-Zusatz war, ist heute Kern des Reiseerlebnisses: Gesundheit, Wohlbefinden und Langlebigkeit sind zentrale Werte des modernen Luxus.
Unser Resort steht exemplarisch für diesen Wandel: Statt Massenabfertigung bieten wir massgeschneiderte Erholungs- und Gesundheitsprogramme nach unserem neu entwickelten Tamina Health Concept. Diese Programme machen einen Aufenthalt zur nachhaltigen Investition in die eigene Gesundheit. Dieses entschleunigte Reisen ist kein Nischenphänomen, sondern eine Antwort auf die Schnelllebigkeit und die Sehnsucht nach echten, tiefgehenden Erlebnissen. Darin sehen wir die Zukunft des gehobenen Tourismus: «Luxury Wellbeing» statt oberflächlichem Konsum – und Bad Ragaz trifft mit seinem Fokus auf Health, Wellbeing, Thermalwasser und Natur genau den Nerv der Zeit.
Die Familie Schmidheiny hat nun angekündigt, ein 3’400 m2 grosses Museumsgebäude beim Resort Bad Ragaz zu erstellen, das die private Kunstsammlung der Familie «dauerhaft und kostenlos» zur Verfügung stellen soll. Wie passt dieses Museum in die Strategie 2035, und inwiefern ist die Grand Resort Bad Ragaz AG direkt involviert?
Das geplante Kunstmuseum passt perfekt in unsere Resort-Strategie 2035, die auf ein ganzheitliches Erlebnis abzielt. Wir definieren Luxus als Erlebnis für Körper, Geist und Seele – und die kulturelle Bereicherung durch das Museum erweitert diese Vision. Kunst, Architektur, Natur und Gastfreundschaft verbinden sich in unserem Kurpark zu einem Kraftort, der Inspiration und Ruhe bietet. Wir sind direkt involviert, vor allem als Gastgeber und Partner: Das Museum entsteht in unserem Kurpark, und die Stiftung Kunstsammlung Thomas Schmidheiny arbeitet eng mit uns zusammen, um eine harmonische Integration sicherzustellen.
«Für unsere Gäste bedeutet dies Weltklasse-Kunst direkt vor der Hoteltür»
Die private Sammlung Schmidheiny wird so dauerhaft und kostenlos der Öffentlichkeit zugänglich – ein kultureller Leuchtturm mit überregionaler Strahlkraft in Bad Ragaz. Für unsere Gäste bedeutet dies Weltklasse-Kunst direkt vor der Hoteltür; zugleich unterstreicht es unseren Anspruch, mehr zu sein als «nur» ein Resort. Gemäss unserer Strategie 2035 wollen wir der führende Kraftort für «Luxury Wellbeing & Healthy Living» werden – dazu zählen auch geistige Nahrung und kulturelle Exzellenz. Das Museumsprojekt ist somit nicht nur eine Investition in die Attraktivität und Lebensqualität der Destination, sondern stärkt auch das Band zwischen Gästen und Einheimischen, die gemeinsam an diesem kulturellen Mehrwert teilhaben.
Die Digitalisierung hat die Art, wie wir Reisen und Erlebnisse teilen, bereits stark verändert. Stichwort sind hier Instagram, TikTok etc. Wie positioniert sich ein Luxusresort in diesem Kontext? Und wie wird KI als «das nächste grosse Ding» den Tourismus verändern?
Ein modernes Luxusresort muss digital auf der Höhe der Zeit sein und zugleich klassische Gastlichkeit pflegen. Wir nutzen Digitalisierung als Mittel zum Zweck, um den Aufenthalt unserer Gäste noch individueller, komfortabler und überraschender zu gestalten. Technologie dient uns dabei als unsichtbarer Helfer – etwa durch smarte Buchungs- und Concierge-Systeme oder datengestützte Personalisierung. Wichtig ist, dass Technik den Luxus ergänzt und nicht erdrückt: Sie erzeugt keinen Luxus, ermöglicht aber intuitive Services und personalisierte Gästeerlebnisse.
Besonders in unseren Health-&-Wellbeing-Angeboten eröffnen digitale Tools völlig neue Möglichkeiten; wir können Gesundheitsdaten sicher auswerten, um individuelle Therapiepläne zu erstellen. Künstliche Intelligenz ist für uns der nächste grosse Evolutionssprung. Sie wirkt als stille Architektin personalisierter Erlebnisse, indem sie Bedürfnisse unserer Gäste antizipiert – oft noch bevor diese sie äussern. Schon heute erkennen wir dank KI-Analysen Vorlieben und Muster: von der gewünschten Zimmertemperatur bis zum idealen Ernährungsplan in unserem Tamina Health Concept. So agieren wir vorausahnend und punktgenau. Für unsere Gäste entsteht dadurch ein neuer Standard an Aufmerksamkeit und Komfort – und das vollkommen diskret im Hintergrund.
«Wir begrüssen digitale Innovationen und KI überall dort, wo sie dem Gast einen Mehrwert bieten»
Gleichzeitig rationalisiert KI interne Prozesse, sodass unserem Team mehr Zeit für echte menschliche Zuwendung bleibt. Insgesamt wollen wir Vorreiter sein: Wir begrüssen digitale Innovationen und KI überall dort, wo sie dem Gast einen Mehrwert bieten. Luxus im 21. Jahrhundert heisst für uns High-Tech und High-Touch. Die Magie entsteht, wenn modernste Technologie und herzliche Servicekultur ineinandergreifen – und so jenes Gefühl von Verlässlichkeit und Vertrautheit schaffen, das unsere Gäste besonders schätzen.
Das Resort kann auf eine nunmehr 185-jährige Geschichte zurückblicken. Wie sehen Sie die künftige Entwicklung, dies insbesondere vor dem Hintergrund der instabilen Weltlage, in der wir uns derzeit befinden? Wird es auch in 185 Jahren noch existieren?
185 Jahre Geschichte lehren Demut – und geben mir zugleich grossen Optimismus für die Zukunft. Unser Resort ist seit dem 19. Jahrhundert durch alle Höhen und Tiefen gegangen, vom Belle-Époque-Glanz über Kriege bis zu jüngsten globalen Krisen. Was uns dabei stets getragen hat, sind unsere klare Identität und die Fähigkeit zur Erneuerung. Unsere unverkennbare DNA – die Thermalquelle der Tamina – steht symbolisch für Beständigkeit und kontinuierliche Regeneration. Solange wir dieses Erbe pflegen und mit Innovation verbinden, bin ich überzeugt, dass wir auch die kommenden Jahrzehnte erfolgreich meistern.
«Orte wie unser Resort werden an Bedeutung gewinnen: als Zufluchtsorte für Gesundheit, Ruhe und gutes Leben»
Natürlich ist die Weltlage instabil – geopolitische Spannungen, technologische Umbrüche, Klimawandel. Gerade deshalb, glaube ich, werden Orte wie unser Resort an Bedeutung gewinnen: als Zufluchtsorte für Gesundheit, Ruhe und gutes Leben. Unsere Vision lautet nicht umsonst, das führende «Luxury Wellbeing & Healthy Living Resort» Europas im 21. Jahrhundert zu sein. Daran arbeiten wir jeden Tag mit Leidenschaft und einer langfristigen Perspektive. Wir investieren in nachhaltige Angebote, in Digitalisierung mit Augenmass und in die Transformation des Luxusbegriffs – weg von vergänglichem Prunk hin zu nachhaltigem Wohlbefinden.
Sollte die Welt in 185 Jahren noch Tourismus kennen, bin ich sicher, dass Bad Ragaz weiterhin auf der Landkarte stehen wird – vielleicht mit neuen Facetten, aber gewiss mit derselben Kernaufgabe: Menschen in jedem Alter Zeit, Gesundheit und Lebensfreude zu schenken. Denn die Essenz von Luxus – das, was uns wirklich guttut – ist zeitlos.
Herr Tschütscher, besten Dank für Ihre Antworten.