5 Fragen an Annemarie Meyer, CEO Glacier Express: «Social Media ersetzt keine Marke, aber es hilft, sie erlebbar zu machen»

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288’212 Fahrgäste nutzten im Jahr 2024 den Glacier Express. Dieser Zug, der auch als «langsamster Schnellzug der Welt» bezeichnet wird, fährt in rund acht Stunden von Zermatt nach St. Moritz. Dabei werden 291 Brücken überquert und 91 Tunnel durchfahren. Der 1930 gegründete Zug wurde 2018 um die Excellence Class erweitert und wird von einem Joint-Venture aus der zur BVZ Gruppe gehörenden Matterhorn Gotthard Verkehrs AG und Rhätischer Bahn betrieben.

Annemarie Meyer ist seit 2016 für den Glacier Express tätig und leitet seit 2017 die neu gegründete Glacier Express AG. Bild: zvg

Annemarie Meyer ist seit 2017 CEO der Glacier Express AG. Sie hat die Lancierung der Excellence Class aktiv begleitet. Zuvor war Meyer in verschiedenen Positionen im Marketing tätig, u.a. in Davos und bei der Grossbank UBS als Head Global Sports Sponsorship. Am Branchentalk Tourismus von 21. Oktober wird sie darüber sprechen, wie der Glacier Express digitale Kanäle für zeitgemässes Tourismusmarketing nutzt.

Frau Meyer, der Glacier Express (GEX) ist mehr als ein Regionalzug. Mit der Excellence Class bieten Sie für 490 CHF ein besonderes Reiserlebnis; auch die regulären Tickets für den GEX sind wesentlich teuer als der Normalpreis. Wer sind die Gäste, die sich ein solch teures Ticket leisten, woher kommen diese und was sind deren Beweggründe für die Buchung einer Reise mit dem GEX?

Die Sitzplatzreservation der Excellence Class beinhaltet auch ein 5-Gang Menü mit Weinbegleitung und allen anderen Getränken sowie die Betreuung durch einen Concierge. Die Fahrt gönnen sich Gäste, die etwas Spezielles erleben, die Reise zwischen Zermatt und St. Moritz in ruhiger Atmosphäre und mit garantiertem Fensterplatz geniessen wollen oder auch Reisende, die etwas Spezielles zu feiern haben, zum Beispiel einen runden Geburtstag oder ihren Hochzeitstag oder sich einen langersehnten Lebenstraum erfüllen wollen.

Als Sie vor zehn Jahren die Leitung der Glacier Express AG übernommen haben, steckte der Luxuszug in einer Krise. Was haben Sie unternommen, um aus der Krise wieder herauszufinden?

Als ich die Leitung übernommen habe, war allen klar: Der Glacier Express braucht frischen Schwung: Wir haben den Markenauftritt und die Kommunikation vereinheitlicht, ein neues Betriebskonzept entwickelt und mit der Einführung der Excellence Class ein echtes Premiumprodukt geschaffen. Gleichzeitig haben wir das Kundenerlebnis und das gastronomische Angebot verbessert. Zudem haben wir auch einen Webshop für den Kauf von Sitzplatzreservationen kreiert und damit einen Kundenwunsch erfüllt. Viele Gäste aus dem Ausland wollen sich zuerst den Sitzplatz im Glacier Express sichern, bevor sie sich für eine Reise entscheiden.

«Als ich die Leitung übernommen habe, war allen klar: Der Glacier Express braucht frischen Schwung»

Instagram, TikTok, Facebook – die sozialen Medien haben die Art und Weise wie wir reisen und über die Reisen berichten, aber auch das Marketing in der Tourismusbranche, verändert. Wie nutzen Sie diese Tools und welche Erfahrungen möchte Sie hier mit anderen Tourismusunternehmen teilen?

Wir nutzen die Kanäle aktiv und haben in unserem Team eine Kollegin, die eigene Inhalte kreiert und die Social-Media-Kanäle aktiv betreut. Sie kooperiert auch mit Contentproducern, Influencern und arbeitet mit Schweiz Tourismus, Travel Switzerland und den Destinationen entlang des Glacier Express. Glücklicherweise können wir auch von viel inspirierendem ‘user generated content’ profitieren. Unsere wichtigste Erfahrung: Die echten Momente berühren Menschen. Social Media ersetzt keine Marke – aber es hilft, sie erlebbar zu machen.

An einigen Hotspots wird über zu viele Touristen geklagt. Welchen Beitrag können Sie als Anbieter von touristischen Leistungen dazu leisten, dass sich dieses Gefühl des Overtourismus zumindest abschwächt?

Unsere Kapazitäten sind aufgrund der zur Verfügung stehenden Gleise und des Rollmaterials beschränkt und wir operieren seit 2023 an den Kapazitätsgrenzen. Der Glacier Express ist also kein Massentourismusprodukt, sondern steht für bewusstes, entschleunigtes Reisen. Wie schnell es im Tourismus ändern kann, haben wir 2020 erfahren und der Glacier Express hat seit 1930 verschiedenste Phasen erlebt. Dreiviertel unserer Gäste kommen aus dem Ausland. Wie sich die Nachfrage weiterentwickelt, hängt auch von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den Herkunftsländern zusammen. Da sieht es momentan nicht nur positiv aus. Weil die Digitalisierung die Hotspots fördert, muss man sich im Schweizer Tourismus und bei den Destinationen und Regionen Gedanken machen, wie man dem begegnen will.

«Dreiviertel unserer Gäste kommen aus dem Ausland»

Sie waren an vielen Orten im Tourismus und in der Finanzbranche im Marketing tätig. Was sind Ihre wichtigsten Erkenntnisse?

Es sind die Marke & Positionierung, das Verständnis des eigenen Geschäfts und Veränderungen als Fakt. Marke & Positionierung: eine bekannte und beliebte Marke, ein gut positioniertes Angebot sowie gute Bewertungen und Empfehlungen waren schon immer zentral, mit KI wird das alles noch wichtiger. Verstehen des eigenen Geschäfts: wie funktioniert es, wie/wo werden Einnahmen generiert, wie und wo entstehen Kosten. Veränderungen als Fact: Bewusstsein und Akzeptanz dafür, dass sich in den Märkten und im Vertrieb dauernd etwas ändert. Ein Plan, der heute gut ist, kann morgen schon veraltet sein.

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