Das Westschweizer Energieunternehmen Holdigaz hat sich in diesem November in Holdinova umbenannt. Damit antizipieren die Waadtländer einerseits die Strategie hin zu einem Angebotsmix aus erneuerbaren Energien, andererseits will das Unternehmen auch weiter an fossilen Energieträgern wie Erdgas festhalten.
Im Interview mit schweizeraktien.net äussert sich Holdigaz-Chef Philippe Petitpierre zu den Gründen für die Umbenennung und erläutert, warum sein Unternehmen in Zukunft nicht nur, aber auch auf Biogase setzen will.

Herr Petitpierre, die Generalversammlung ist im September Ihrem Wunsch nachgekommen, das Unternehmen Holdigaz in Holdinova umzufirmieren. In diesem November sollen alle Aufwendungen rund um die Umbenennung abgeschlossen sein. Mit welchen Überraschungen sehen Sie sich durch die Umbenennung konfrontiert?
Wir haben alle notwendigen und sinnvollen Massnahmen ergriffen, um diesen Wandel unter bestmöglichen Bedingungen zu gestalten. Dies ist seit dem 3. November geschehen. Dem Beispiel von Holdinova folgend, haben alle Konzerngesellschaften, deren Name mit HOLDIGAZ beginnt, denselben Wandel vollzogen. Dieser Wandel wird von unseren Stakeholdern im Allgemeinen begrüsst.
Der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen rückt immer näher, in 20 Jahren soll kein Erdgas und kein Erdöl mehr verbraucht werden. Sie haben diesen Zeitplan wiederholt kritisiert. Fügen Sie sich jetzt dem Unvermeidlichen?
«Die Energiewende wird ohne den Erhalt eines Anteils von Erdgas an der globalen und schweizerischen Energiebilanz nicht gelingen»
Die gleichen Vorbehalte bleiben bestehen: Die Energiewende wird ohne den Erhalt eines Anteils von Erdgas an der globalen und schweizerischen Energiebilanz nicht gelingen. Der Einsatz erneuerbarer Gase und die Abscheidung des bei der Verbrennung entstehenden CO² gehören zu den Massnahmen, die konsequent umgesetzt werden müssen. Darüber hinaus wurden diese Strategien vor dem Hintergrund eines sinkenden Stromverbrauchs entwickelt, während der Energiebedarf mit dem Aufkommen künstlicher Intelligenz steigt. Die Schweiz befindet sich bereits jetzt in einer Situation mit einem Stromerzeugungsdefizit im Winter. Gaskraftwerke sind bereits jetzt notwendig, und ihre Bedeutung wird in Zukunft weiter zunehmen. Wir bei Holdinova haben stets betont, dass die Energiewende ohne Erdgas nicht möglich ist, und diese Überzeugung bestätigt sich mit jedem Jahr aufs Neue.
Im Kanton Bern werden bereits Nägel mit Köpfen gemacht. So informiert die Stadt Bern derzeit die Hausbesitzer proaktiv über die Abschaltung zwischen 2040 und 2045. Wie sieht die Lage in der Westschweiz aus?
Die Situation in der französischsprachigen Schweiz ist uneinheitlich; einige Industrieunternehmen orientieren sich mit unterschiedlichem Engagement an der Position der Berner. Die Festlegung präziser Daten oder Zeiträume, nach denen die Erdgaslieferungen eingestellt werden, erscheint heikel. Unsere oben dargelegte Position trägt der aktuellen Unsicherheit Rechnung. Wir bei Holdinova konzentrieren uns bevorzugt auf erneuerbare Gase, insbesondere Biomethan. Seit April 2025 stammen aus unseren Lieferungen zusätzlich zu den 5% lokal produziertem Biomethan 10% europäisches Biomethan. Das Gasnetz wurde damals von Pionieren errichtet, und wir sind überzeugt, dass wir seinen Wert durch die Integration von Biomethan weiter steigern müssen, anstatt es abzubauen, um mit hohem Kostenaufwand ein Fernwärmenetz auf denselben Strecken zu errichten.
Holdinova glaubt weiterhin an die Stärke der Gasinfrastruktur und hat nicht die Absicht, die Versorgung unserer Kunden zu unterbrechen.
Wie gehen Sie mit der Tatsache um, dass Sie unter Umständen auch noch nach 2045 Gas vertreiben, dann eben Biogas?
Biogas sollte, wie oben erwähnt, nicht die einzige Energiequelle für unseren Energiebedarf sein. Andere erneuerbare Gase können zur Bedarfsdeckung beitragen. Darüber hinaus erfüllt die Abscheidung von Treibhausgasen bei der Verbrennung mittels geeigneter Abscheideverfahren objektive Umweltkriterien.
«die Abscheidung von Treibhausgasen bei der Verbrennung mittels geeigneter Abscheideverfahren erfüllt objektive Umweltkriterien»
Sind die Gasnetze nach Umstellung z.B. auf Fernwärme nicht mehr benutzbar?
Gasleitungen können nicht in Fernwärmenetze umgewandelt werden.
Sie haben die Gasnetze der Holdigaz mit einem Bruttowert von 312 Mio. CHF auf 14 Mio. CHF abgeschrieben. Damit setzen Sie Ihr offensives Vorgehen bezüglich Abschreibungen fort und begründen dies mit der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit.
Die vereinbarten Abschreibungen sind Ausdruck einer Politik solider Rechnungslegung, um uns mehr finanzielle Flexibilität zu ermöglichen und die Berücksichtigung nicht abschreibungsfähiger Investitionen (NAIs) bei schwierigen finanziellen Entwicklungen zu vermeiden.
Verordnen Sie dem Unternehmen einen Investitionsstopp, was die Gasnetze anbelangt?
Es gibt keine Einfrierung der Massnahmen zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit. Unsere Investitionen in die Qualität unserer Pipelines werden nicht reduziert. Holdinova verfolgt seit jeher eine gewinnbringende Investitionspolitik für seine Netze. Netzerweiterungen werden nur bei Rentabilität durchgeführt. Diese Politik ist seit über 15 Jahren unverändert.
Einerseits scheinen 20 Jahre für die komplette Energieumstellung sehr nahe, andererseits ist der Zeitpunkt 2045 noch fast eine Generation weit weg. Was könnte sich in den nächsten 20 Jahren noch alles an Überraschungen für Energieunternehmen wie das Ihre ergeben?
Leistungsstarke technologische Entwicklungen zur Abscheidung und Nutzung von Treibhausgasen könnten einen positiven Beitrag zur Erfüllung der Anforderungen an Energieunternehmen wie unseres leisten. Generell wird der globale Energiebedarf nicht sinken, und Erdgas mit seinem vielseitigen Profil erweist sich als die optimale Lösung für maximale Flexibilität.
«mit seinem vielseitigen Profil erweist sich Erdgas als die optimale Lösung für maximale Flexibilität»
Wir haben diese Situation jedoch nicht zur Diversifizierung genutzt: Im Jahr 2005, dem Gründungsjahr des Konzerns, besass das Unternehmen vier Geschäftsbereiche. Heute besitzt das Unternehmen mehr als zwanzig. Durch diese Diversifizierung der Aktivitäten positioniert sich Holdinova als pragmatischer Partner, der bereit ist zu reagieren.
Herr Petitpierre, vielen Dank für dieses Gespräch.






