KMU-Parlament: Ein Plädoyer für geringere Staatsausgaben und weniger Bürokratie

46 Firmenchefinnen und -chefs debattierten im Ständeratssaal

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Die Abstimmungen über die Vorstösse des 1. KMU-Parlaments fanden im Ständeratssaal statt. Alle Bilder: Swiss Economic Forum/Saeny Blaser

Im Ständerat vertreten 46 Politikerinnen und Politiker die Schweizer Kantone. Vergangenen Montag waren es jedoch nicht Vertreterinnen und Vertreter aus der Politik, die im ehrwürdigen Ständeratssaal debattierten, sondern 46 Unternehmerinnen und Unternehmer aus allen Landesteilen. Sie bildeten das erste Schweizer KMU-Parlament, das nach einer Idee von Andri Silberschmidt (FDP-Nationalrat) ins Leben gerufen wurde. Das Ziel: die Interessen der Schweizer KMU in den politischen Prozess einspeisen. Ausserdem: Vertreterinnen und Vertreter von KMU motivieren, sich politisch zu engagieren.

Zumindest das erste Ziel dürfte gelungen sein. Denn von 34 konkreten Vorstössen, die im KMU-Parlament diskutiert wurden, fanden 32 unter den Unternehmerinnen und Unternehmern eine Mehrheit. Diese werden nun von Nationalrätinnen und Nationalräten der Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) in den politischen Prozess eingebracht.

Unterstützung durch Vertreter der Wirtschaftskommission

Zu Beginn der zweitägigen Session mussten sich die KMU-Parlamentarier mit den politischen Prozessen beschäftigen: Was ist eine Motion? Wann ist es besser, einen Vorstoss in ein weniger verbindliches Postulat umzuwandeln? Oder soll das Anliegen besser nur in Form einer Interpellation eingebracht werden?

Am ersten Sessionstag erhielten die KMUler Tipps von erfahrenen Parlamentariern wie Mitte-Nationalrat Philipp Matthias Bregy.

Um die Unternehmerinnen und Unternehmer bei diesen Entscheidungen zu unterstützen, stiessen erfahrene Parlamentarier am ersten Sessionstag zu den Arbeitsgruppen hinzu. Sie halfen auch bei Auswahl und Ausformulierung der Vorstösse, über die schliesslich am zweiten Sessionstag abgestimmt wurde. Schnell wurde den Wirtschaftsvertretern auch klar, dass Entscheidungsprozesse in der Politik sehr lange dauern — ganz im Gegensatz zu ihrer täglichen Arbeit im eigenen Unternehmen.

Breite Liste mit über 80 Ideen

Die Liste der Ideen, mit denen die KMU-Parlamentarier in ihre Session gingen, war mit rund 80 Vorschlägen sehr lang. Sie umfasste einerseits sehr individuelle Anliegen wie beispielsweise die Förderung des Weintourismus in der Schweiz. Andererseits auch gesellschaftspolitisch relevante Themen, wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ebenso standen Raumplanungsthemen und die Förderungsmöglichkeiten von Start-ups zur Diskussion.

Johannes Läderach, CEO des gleichnamigen Chocolatiers, bei seinem Votum.

Das wohl wichtigste Anliegen: der sich immer stärker ausbreitende Staatsapparat und die damit verbundene Bürokratie. «Die Staatsquote muss runter. Diese beeinflusst auch die meisten anderen Punkte, die uns KMUler zu schaffen machen», fasst es ein Unternehmer zusammen.

Diese lag 2024 nach OECD-Definition bei 32 % des BIP, erweitert sogar bei 40 bis 45 %. In einem Postulat fordern die KMU-Parlamentarier, diese zu reduzieren und sinnvoll zu limitieren. Auch eine Anbindung an die Entwicklung des BIP sei hier sinnvoll.

Wettbewerb um Fachkräfte mit der öffentlichen Hand

Für Unverständnis sorgt in diesem Kontext — gerade in Zeiten des Fachkräftemangels — der Wettbewerb um Talente zwischen der öffentlichen Verwaltung und den KMU. Dieser führe zu Marktverzerrungen und schwäche die Innovations- und Leistungsfähigkeit der Privatwirtschaft, formulierte es ein Unternehmer in seinem Vorstoss.

Mit einer Motion wollen die KMU-Parlamentarier nun erreichen, dass künftig eine Anstellung in der öffentlichen Verwaltung keine überproportionalen Vorteile mehr gegenüber der Privatwirtschaft bietet. Zu diesen Punkten gab es während der Debatte im Ständeratssaal wenig Diskussionsbedarf, wie auch bei den meisten anderen Vorstössen, die oft einstimmig angenommen wurden.

Markt und nicht der Staat soll entscheiden

Kritischer diskutiert wurden hingegen eine Motion zur Gewichtung von Regionalität und Wertschöpfungsgrad bei öffentlichen Ausschreibungen. Hier schwang auch die öffentliche Diskussion um den Auftrag der SBB für S-Bahn-Züge mit, die der Schweizer Hersteller Stadler Rail an die deutsche Firma Siemens Mobility verloren hatte. Einige KMUler zeigten zwar Verständnis für das Anliegen, die Regionalität bei den Submissionen stärker zu gewichten. Doch als Liberale konnten sie dem Vorstoss wenig abgewinnen, da am Ende der Markt und nicht der Staat durch zusätzliche Regulierung über die Auftragsvergabe entscheiden soll.

Fitnessprogramm für weniger Regulierung

In die Stossrichtung weniger Regulierung gingen auch weitere Motionen, u. a. für eine jährliche Clean-up-Session, die zur Streichung überflüssiger Normen führen soll, und ein Fitness- und Wohlstandsprogramm mit dem Ziel, die Fiskalquote auf 25 % des BIP festzuschreiben.

Abstimmungen gehörten auch im KMU-Parlament dazu.

Ebenso forderten die KMUler, dass der Bundesrat bei künftigen Gesetzes- und Verfassungsänderungen die Rückwirkung ausschliesst. Gerade bei der aktuellen Volksabstimmung zur Einführung einer Erbschaftssteuer von 50 % ab einem Vermögen von 50 Mio. CHF, die bei Annahme sofort wirksam werden soll, sorge dies bei Unternehmerfamilien für Verunsicherung. Die Rückwirkungsmöglichkeit führe bei Unternehmen zu Unsicherheiten, da die Rechtssicherheit nicht mehr gewährleistet sei.

Abstimmung im «richtigen» Parlament

Die 32 Vorstösse werden nun von den anwesenden Nationalräten der WAK weiterbearbeitet, zusammengefasst und könnten dann in die «richtigen» Ratssitzungen eingebracht werden. Bei einigen Vorstössen zeigte sich allerdings, dass sich diese mit bereits eingereichten, ähnlichen Anliegen überschneiden. Es wird daher noch einige Monate dauern, bis sich zeigt, ob das erste KMU-Parlament einen Prozess in Gang setzte, der auch zu entsprechenden Ergebnissen führt.

Ideengeber und Vorsitzender des KMU-Parlaments, FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt, war zufrieden mit der ersten Ausgabe des KMU-Parlaments.

Die Nationalräte, welche den Prozess begleitet haben, nutzten die Gelegenheit zum Aufruf an die Unternehmerinnen und Unternehmer, sich künftig selbst politisch zu engagieren. 2027 seien Gesamterneuerungswahlen, so der Hinweis von Nationalrat Andri Silberschmidt. Es könnte durchaus sein, dass sich der eine oder andere Teilnehmende dies überlegt. Doch eines wurde während der zwei Sessionstage auch deutlich: Die politischen Mühlen mahlen langsam. Ein Prozess, der nicht bei jedem Unternehmer auf Gegenliebe stösst.

Fazit

Die Idee, die Anliegen der Schweizer KMU mit einer eigenen Session ins Parlament zu bringen, ist sehr erfreulich. Grossunternehmen können über Lobbyisten direkten Einfluss auf den politischen Prozess nehmen. Für kleinere und mittlere Firmen übernehmen die Branchenverbände teilweise diese Aufgaben. Doch ein direkter Draht von Unternehmer zu Politik ist nicht vorhanden. Und für die Übernahme eines politischen Mandats fehlt oft die Zeit. Dies ist bedauerlich, denn 99 % aller Unternehmen in der Schweiz sind KMU mit weniger als 250 Beschäftigten. Per Ende 2023 wies das Bundesamt für Statistik 624’219 Betriebe mit insgesamt 3.2 Mio. Beschäftigten aus.

Obwohl das Schweizer Parlament ein Milizparlament ist, gehören dem Nationalrat mittlerweile 34,5 % Berufspolitiker an. Nur 27,0 % werden laut Statistik als Unternehmer ausgewiesen, wozu allerdings auch die Landwirte zählen.

Die Statistiken zeigen — gemessen an der Bedeutung für die Schweizer Volkswirtschaft — eine deutliche Untervertretung dieser Gruppe. Es wäre daher erstrebenswert, wenn das KMU-Parlament die Unternehmerinnen und Unternehmer sensibilisiert hat, sich stärker politisch zu engagieren.

Als Alternative bleibt ihnen das KMU-Parlament. Denn sowohl Nationalrat Andri Silberschmidt als auch das Swiss Economic Forum als Mitinitiator haben angekündigt, dass es in zwei Jahren ein weiteres KMU-Parlament geben wird.

Stossrichtungen der angenommenen Vorstösse

Staat & Regulierung entschlacken
Das KMU-Parlament verlangt klare, verlässliche Regeln. Angenommen wurden Vorstösse gegen rückwirkende Rechtsprechung, überbordende Kontrollpflichten und Bürokratie – etwa zur Abschaffung des IKS und zur Clean-up-Session, damit Gesetze wieder unternehmertauglich werden.

Standort & Wertschöpfung stärken
Angenommen wurden Vorstösse für schneller verfügbare Industrieflächen, regionale Kompensation bei Waldfestlegung sowie die Förderung der nationalen Wertschöpfung bei KMU.

Arbeitsmarkt & Fachkräfte sichern
Das KMU-Parlament setzt auf höhere Arbeitsanreize und mehr Talente. Angenommen wurden Vorstösse zu AHV-Freibetrag, Vollzeit-Anreizen, fairen Wettbewerbsbedingungen gegenüber der Verwaltung sowie zu einfacheren Bewilligungen und Arbeitszugängen für Fachkräfte.

Innovation, Kapital & Digitalisierung vorantreiben
Angenommene Vorstösse fordern wirksamere Innovationsförderung, besseren Zugang zu Wachstumskapital, digitale Register und eine «E-CH Wallet». Ziel: weniger Reibungsverluste, mehr Tempo bei der digitalen Transformation der KMU.

Nachhaltigkeit, Mobilität & Versorgungssicherheit neu denken
Das KMU-Parlament will praktikable Lösungen statt Symbolpolitik – mit Vorstössen zu unbürokratischer Nachhaltigkeit, Hürdenabbau für Bio-Betriebe, CO₂-Anreizen für Microcars und Multifunktionsanlagen für eine resilientere Versorgung.

Mehr Infos: SEF | KMU-Parlament

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