Fünf Fragen an Pascal Jenny, Präsident Arosa Tourismus: «Für Arosa ist ein Einstieg ausländischer Investoren keine Option»

Wintersport bleibt auch künftig ein zentrales Asset für Arosa

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Am 21. Oktober findet im Kursaal Bern der Branchentalk Tourismus von schweizeraktien.net statt. Hochkarätige Tourismusfachleute werden an der Veranstaltung unter dem Titel «Tourismus anders denken – Chancen einer neuen Vielfalt» teilnehmen.

Im Vorfeld zu diesem Event möchten wir einigen Schlüsselfiguren die Möglichkeit geben, sich zum Thema «Toursimus anders denken» zu äussern. Heute: Pascal Jenny, Präsident von Arosa Tourismus.

Pascal Jenny war von 2008 bis 2021 Direktor von Arosa Tourismus, seit 2021 amtet er als Präsident für die Vermarktungsorganisation des Bündner Ferienorts. Jenny ist zudem Präsident des Schweizer Handballverbands SHV. Bild: zVg.

Herr Jenny, Sie bezeichnen Arosa als «Gallien der Alpen». Also als kleinen, selbstbewussten Ort, der sich gegen die Übermacht des Römischen Reiches wehrt. Was genau verstehen Sie darunter? Wer ist in Ihrer Analogie das Römische Reich?

Arosa sieht sich als kleiner, stolzer und eigenständiger Ort, der sich bewusst von den grossen Zentren, also den «Flachländern», den Städten und den Massenangeboten und auch den deutlich finanzstärkeren Ferienregionen wie Zermatt, St. Moritz oder Verbier absetzt und drauf besteht, eigene Wege zu gehen – in Tourismus, Events, Nachhaltigkeit etc.

«Arosa will nicht einfach mitlaufen, sondern mitgestalten»

Der Begriff zielt auf den «positiven Widerstand»: Arosa will nicht einfach mitlaufen, sondern mitgestalten, auch wenn das mit mehr Aufwand, Kritik oder Mut verbunden ist. Wir legen uns auch nicht einfach in das gemachte «Marketing-Bett», welches z.B. Schweiz Tourismus oder Graubünden Ferien für die Tourismusorte und DMOs bereitstellt. Wir treiben eigenständige Projekte wie das Arosa Bärenland, Veranstaltungsinnovationen und eine gezielte Positionierung voran.

Die Analogie zum «Römischen Reich» dreht sich vor allem um die touristischen Erwartungshaltungen von aussen, wie z.B. Marktforderungen und der Vergleich mit anderen Destinationen, die Normen und Strukturen, die eher für homogene Angebote stehen – die Arosa bewusst herausfordern möchte – wie das Asterix & Obelix immer wieder auf humorvolle Art getan haben.

Ende Jahr findet bereits zum 34. Mal das Arosa Humorfestival statt. Sie selbst waren der Initiator des Bärenlandes in Arosa, das 2018 seine Tore öffnete. In welchem Ausmass tragen solche Anlässe finanziell und in Besucherzahlen zur Bilanz der Gemeinde Arosa bei?

Die Besucherzahlen, Logiernächte und die damit verbundenen Ausgaben in Hotels, Gastronomie und Bahnen zeigen natürlich einen spürbaren wirtschaftlichen Beitrag an den Destinationserfolg. Solche Events und Attraktionen helfen, fixe Infrastruktur besser auszulasten, Nebensaisonverluste zu reduzieren und langfristig die Marke «Arosa» zu stärken. Auch nicht finanzielle Effekte (Image, Wiederholungsgäste, Mund-zu-Mund-Propaganda, Bindung von Partnern/Sponsoren) sind zentral – und oft mitentscheidend, ob wir als «Tourismus-Dorf» bereit sind, in solche Projekte zu investieren. Aus touristischer Sicht sind Vorsaison-Belebung wie z.B. durch das Arosa Humorfestival, Diversifizierung des Angebots, Markenbildung, Identität & Differenzierung und wirtschaftliche Effekte zentral.

Arosa ist in erster Linie bekannt als Wintersportdestination. Aber wie viele Skigebiete leiden auch Sie unter dem Klimawandel. Bleibt der Wintersport, mit dem Sie die meisten Besucher anlocken, das wichtigste Asset in den touristischen Bemühungen Arosas?

«Wintersport bleibt auch künftig ein zentrales Asset für Arosa»

Es stimmt, Arosa ist nach wie vor primär klassisch eine Wintersportdestination – und genau hier profitieren wir von unserer Lage auf über 1’800 Metern. Während andere Regionen stärker vom Klimawandel betroffen sind, hatten wir in den letzten Jahren Rekordwinter mit sehr guten Schneeverhältnissen. Der Wintersport bleibt deshalb auch künftig ein zentrales Asset für Arosa. Gleichzeitig wäre es aber kurzsichtig, nur darauf zu setzen. Wir investieren gezielt in Ganzjahresangebote wie das Humorfestival oder das Bärenland, um auch unabhängig vom Schnee attraktiv zu sein – und damit die Zukunft unserer Destination nachhaltig abzusichern.

Ausländische Unternehmen wie Vail Resort übernehmen ganze Skigebiete in der Schweiz, z.B. in Montana und Andermatt/Sedrun. Wären Sie offen für einen solchen Investor? Oder würden Sie eher den Weg gehen wie die Weisse Arena in Flims/Laax, wo die Bergbahnen jetzt an die Gemeinden verkauft werden sollen?

Für Arosa ist ein Einstieg ausländischer Investoren keine Option. Unser Modell beruht auf regionaler Verankerung, Mitbestimmung und dem Verständnis, dass die Wertschöpfung im Tal bleiben muss. Arosa lebt davon, dass Bevölkerung, Gemeinden und Betriebe gemeinsam Verantwortung tragen. Würden wir die Steuerung nach Übersee oder an rein renditeorientierte Investoren abgeben, ginge uns genau dieser lokale Spirit verloren – und damit auch die Glaubwürdigkeit gegenüber unseren Gästen. Einen Weg wie er in Laax nun im Raum steht, wo die Infrastruktur an die Gemeinde verkauft wird, erachte ich als wenig zielführend. Ich bin gespannt auf die Abstimmungen in den drei beteiligten Gemeinden.

Wie sehen Sie die Zukunft der Bergdestinationen in den Alpen?

«Destinationen, die allein auf Wachstum setzen, werden es schwer haben»

Ich bin überzeugt, dass die Zukunft der Bergdestinationen davon abhängen wird, wie gut sie vierdimensionale Nachhaltigkeit, Erlebnisqualität und lokale Verankerung miteinander verbinden. Destinationen, die allein auf Wachstum setzen, werden es schwer haben. Wenn wir aber investieren in umweltfreundliche Mobilität, authentische Natur- und Tiererlebnisse, und die Aufenthaltsdauer erhöhen, schaffen wir Mehrwert – ökonomisch, sozial und für die Umwelt. Arosa will genau diesen Weg gehen: ganzjährig attraktiv und mit starkem Bezug zur Region.

Herr Jenny, besten Dank für Ihre Antworten.

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