Es vergeht kaum ein Tag, an dem die europäische und insbesondere die deutsche Automobilindustrie nicht in den Schlagzeilen steht. Erst kürzlich hatte der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck zu einem Autogipfel geladen, um die Schwierigkeiten in der Branche und Lösungsansätze zu besprechen. Auch die Schweizer Reishauer Gruppe, zu der die deutsche Tochter Felsomat gehört, spürt das schwierige Umfeld. Für 2024 sind die Auftragsbücher noch gut gefüllt. Im Jahr 2025 dürfte es schwieriger werden, bevor 2026 und 2027 ein Aufschwung erwartet wird. Dies berichtet Verwaltungsratspräsident Alex Waser auf Nachfrage von schweizeraktien.net. Der Aktienkurs von Reishauer hat den drohenden Abschwung bereits vorweggenommen und sich seit Jahresbeginn halbiert.
Zurückhaltung in der Elektromobilität
Waser ist gerade von der AMB, einer internationalen Messe für Metallbearbeitung in Stuttgart, zurückgekehrt. Die Transformation vom Verbrenner hin zu batteriebetriebenen Fahrzeugen (BEV) sei in vollem Gang, so Waser. Das Interesse an den neuen Maschinen und Applikationen der Reishauer-Gruppe sei gross. Doch insgesamt spüre auch Reishauer die Zurückhaltung der europäischen OEMs. Mittlerweile erzielt die Reishauer Gruppe zwei Drittel der Umsätze mit Maschinen und Anlagen im Bereich der Elektromobilität. In Fernost läuft das Geschäft nach wie vor gut. Mehr als 50% der Aufträge entfallen auf diesen Markt, 10% auf Indien, 25% auf Europa und der Rest auf den amerikanischen Kontinent.
Doch der negative Trend der Automobilindustrie geht an Reishauer und Felsomat nicht vorbei. «Viele Projekte wurden gestoppt, verschoben oder reduziert», so Waser. Nach dem ersten Nachfrageboom, vor allem nach Fahrzeugen im Premium-Segment, sei dieser Markt vorerst gesättigt. Es fehlten bezahlbare elektrisch betriebene Fahrzeuge im niedrigen und im Einsteiger-Segment. Neben den politischen Unsicherheiten nennt Waser auch die derzeit noch nicht ebenbürtige Alltagstauglichkeit der Fahrzeuge als Gründe für die Zurückhaltung bei den Endkunden. Positiv bewertet er hingegen, dass es immer mehr Anwendungen für elektrische Antriebe gibt. «LKW, Busse, Baumaschinen und auch Landmaschinen wie Traktoren gibt es jetzt als BEV», so Waser.
«Elektromobilität wird sich durchsetzen»
Alex Waser, der zuvor als CEO beim Spezialisten für Laserschneiden, Bystronic, tätig gewesen ist, zeigt sich mittel- bis langfristig überzeugt davon, dass sich die Elektromobilität durchsetzen wird. Dies, obwohl es derzeit danach aussehe, dass es eine vorübergehende Tendenz zurück zu Hybridantrieben und reinen Verbrennern gebe, so Waser. Für die Reishauer-Gruppe stellt dies wiederum eine Chance dar, denn das Kerngeschäft des über 200 Jahre alten Maschinenbau-Unternehmens sind Schleifmaschinen für Zahnräder, die in Fahrzeugen mit mehrstufigen Getrieben eingesetzt werden. «Wir sind in beiden Welten gut aufgestellt», sagt der Verwaltungsratspräsident.
Durststrecke für 2025 erwartet
Im laufenden Jahr rechnet die Reishauer-Gruppe mit «einem vernünftigen Jahr», wobei Projektverzögerungen bei Felsomat eine Herausforderung darstellen. Für 2025 falle die Nachfrage jedoch bereits jetzt geringer aus, sodass interne Sparmassnahmen eingeleitet wurden. Dies kann bis hin zur Kurzarbeit gehen. «Wir wollen uns 2025 aber auch bereit für den Aufschwung machen», so Waser. Diesen erwartet das Unternehmen für 2026, spätestens 2027. Die Investitionen in neue Technologie-Projekte und auch in die mittelfristig geplante Bauetappe in Wallisellen sieht Waser nicht als gefährdet an und verweist auf die solide Bilanz mit einer Eigenkapitalquote von mehr als 50%. Im Geschäftsjahr 2023 erzielte die Reishauer-Gruppe noch einen Umsatz von 513.3 Mio. CHF und wies einen Gewinn von 15.8 Mio. CHF aus.
Fazit
Die Tochtergesellschaften der Reishauer Beteiligungen AG leiden unter der schwachen Automobilkonjunktur. Der Kursverlauf der Aktie gleicht dabei dem vieler anderer Automobilzulieferer. Positiv ist zumindest in der aktuell herausfordernden Lage, dass weder die Reishauer AG noch die Felsomat GmbH & Co. KG von einem oder nur wenigen Kunden abhängig sind. Hinzu kommt die breite geografische Diversifikation. Auch die Bilanz ist solide, das Eigenkapital je Aktie lag per Ende 2023 noch bei 36’000 CHF. Allerdings muss es Reishauer auch gelingen, die nächsten zwei schwachen Jahre ohne Verluste zu überstehen, damit sich das Eigenkapital nicht verflüchtigt. Ebenso ist es wichtig, dass die Bilanzstruktur gut gemanagt wird, denn die Bilanz wurde im vergangenen Jahr wegen vieler in Arbeit befindlicher Projekte aufgebläht. Auch die Aufnahme von Darlehen wäre, wenn man die Reishauer-Historie betrachtet, ein Traditionsbruch.
Nach dem jüngsten Kurszerfall sind die auf OTC-X gehandelten Aktien allerdings mit zuletzt 20’100 CHF nicht mehr zu teuer. Gelingt es, die Durstrecke im kommenden Jahr ohne grosse Blessuren zu überstehen, dürfte sich ein Investment in die Aktie für mittelfristig handelnde Anleger auszahlen. Schaut man die Dividendenhistorie an, so wurden in den vergangenen zehn Jahren selbst in schwierigen Zeiten wie 2020 und 2022 Ausschüttungen getätigt. Es kann daher zwar nicht als sicher, aber als sehr wahrscheinlich angenommen werden, dass auch für 2024 und 2025 Ausschüttungen erfolgen werden.