Andreas Buner und Raffael Frauenfelder, Albin Kistler: «Politische Börsen haben kurze Beine»

Das laufende Jahr hat weiterhin das Potenzial, die Anleger auf die Probe zu stellen

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Der Albin Kistler Aktien Small & Mid Cap Schweiz verfolgt das Ziel, den SPI Extra Index (SPIEX) über einen ganzen Börsenzyklus hinweg zu übertreffen. Der Fonds wurde 2016 aufgelegt, investiert aktiv und mit langem Anlagehorizont. Im Unterschied zu vielen Anlagefonds werden die Investitionsentscheide im Team gefällt. Das 4-köpfige SMC-Anlagegremium wird dabei von insgesamt 20 Analysten unterstützt. Das Fondsvolumen liegt derzeit bei etwa 45 Mio. CHF.

Im Gespräch mit schweizeraktien.net äussern sich die beiden Portfoliomanager Andreas Buner und Raffael Frauenfelder zu den Fragen, welche Unternehmen die angedrohten US-Zölle am besten abfedern können, welche Investments in ihrem Fonds besonders gut performen und welche sie eher enttäuscht haben.

Andreas Buner und Raffael Frauenfelder verantworten als Co-Portfoliomanager gemeinsam den Albin Kistler Aktien Small & Mid Cap Schweiz. Bild: schweizeraktien.net

Herr Buner, Herr Frauenfelder, die Ungewissheit, welche Zölle wir aus den USA zu erwarten haben, ist weiterhin der «Weisse Elefant» bei vielen Anlegerentscheidungen. Wie gehen Sie damit um? Inwieweit beeinflusst dies Ihre Investitionsentscheidungen?

Raffael Frauenfelder (RF): Die USA haben in ihrer Wirtschafts- und Aussenpolitik einen Kurswechsel vollzogen, der einem Paradigmenwechsel gleichkommt. Nach anfänglicher Nervosität kehrte an den Märkten aber rasch wieder etwas Ruhe ein.

Bei Albin Kistler gilt seit jeher das Motto «politische Börsen haben kurze Beine». Ein zu starker Fokus auf die kurze Frist und medialen Eskapaden haben nur wenig mit seriöser Investitionstätigkeit gemein. Kurzfristig wird das Wirtschaftswachstum wohl etwas gehemmt. Wir erwarten aber mittel- bis langfristig eine Beruhigung des Handelsstreits. Die grossen Wirtschaftsräume werden sich einigen, denn die Vorteile des grenzüberschreitenden Handels sind signifikant. Wir bleiben auch in diesem Umfeld unserer Philosophie treu: Solide finanzierte Unternehmen mit tiefem Burggraben und hoher Preissetzungsmacht werden potenzielle Zolleffekte am besten abfedern können und rascher wieder zu Wachstum finden.

Sie hinken der Performance der Benchmark SPIEX über die letzten fünf Jahre gesehen zurück. Was sind die Gründe für den Rückstand?

Andreas Buner (AB): Wir hatten bis und mit 2021 ein hervorragendes Umfeld für klein- und mittelkapitalisierte Unternehmen. Dieses Umfeld, getrieben durch tiefe Zinsen und einen Anlagenotstand, führte bei Qualitätswerten, wie wir sie bevorzugen, zu einer massiven Bewertungsexpansion. Für Unternehmen wie Straumann, Belimo, EMS Chemie oder Bachem wurden Bewertungen von teilweise weit über 60 Mal den Gewinn bezahlt. Das war klar zu viel. Während Qualitätswerte ihre Stabilität normalerweise in Phasen von Marktstress wie durch den Ukrainekonflikt, den Nahostkonflikt etc. unter Beweis stellen, erfuhren diese eine starke Bewertungskontraktion und konnten nicht mit dem breiten Markt mithalten. Unser philosophiebedingtes Übergewicht in diesen Werten hat daher zum Rückstand geführt.

Performance des Albin Kistler Aktien Small & Mid Cap Schweiz im Vergleich zur Benchmark SPIEX. Grafik: zVg.

Eine Ihrer grössten Positionen ist weiterhin Straumann, daran hat sich nichts geändert, seit wir das letzte Mal vor anderthalb Jahren miteinander gesprochen hatten. Allerdings ist die Performance der Aktie seither nicht wirklich überzeugend. Bauen Sie die Position bei Preisen von um die 110 CHF weiter aus? Sie haben diese Aktie ja bereits übergewichtet im Vergleich zur Benchmark SPIEX.

AB: Straumann bleibt eines der wachstumsstärksten Unternehmen im Bereich Zahnimplantate. Die fundamentale Geschäftsentwicklung ist weiterhin sehr solide. Allerdings haben die jüngsten Zölle die ohnehin vorhandenen makroökonomischen Bedenken und insbesondere die gedämpften Aussichten für das Konsumentenvertrauen im bedeutenden US-Markt zusätzlich verstärkt. Die Aktienkursentwicklung von Straumann zeigt historisch eine gewisse Korrelation mit dem Konsumvertrauen.

«Straumann ist weiterhin gut für nachhaltiges Wachstum»

Ungeachtet dessen setzt das Unternehmen konsequent auf seine Innovationskraft und seine Fähigkeit, Marktanteile sowohl in etablierten als auch in aufstrebenden Märkten auszubauen. Diese langfristige Perspektive, in Verbindung mit der soliden fundamentalen Performance, positioniert Straumann unserer Einschätzung nach weiterhin gut für nachhaltiges Wachstum. Aus diesen Gründen halten wir an dieser Position fest.

Sie halten nicht nur die Lindt & Sprüngli Aktie, sondern auch den PS des Schokoladeherstellers. Insgesamt liegt Ihr Engagement in diesen Titel bei fast 9% des Portfolios. Sie scheinen Schoggi-Liebhaber zu sein?

RF: Wir mögen Schokolade, aber noch vielmehr die Qualität von Lindt & Sprüngli.

Das Schokolade-Segment ist momentan extrem herausfordernd. Grund dafür ist der Kakao-Preis, der sich in den letzten Quartalen aufgrund schlechter Ernten vervielfacht hat. Die Qualität der Firma kommt in dieser Situation stärker zum Vorschein als je zuvor. Viele Konkurrenten haben grosse Probleme damit, steigende Rohstoffpreise an ihre Kunden weiterzugeben. Lindt & Sprüngli hat damit aufgrund von Markenstärke und gutem Management deutlich weniger Mühe. Wachstum und Margenentwicklung können auch in diesem Umfeld aufrechterhalten werden.

Das grösste Übergewicht zum SPIEX halten Sie in Belimo. Die Aktie notiert mit einem Preis von knapp 800 CHF auf Allzeithoch. Halten oder verkaufen?

RF: Belimo ist für uns eine Kernanlage im Bereich Small & Mid Caps, weshalb ein Totalverkauf des Engagements trotz der stattlichen Bewertung zum heutigen Zeitpunkt keine Option darstellt. Allerdings bieten kurzfristige Übertreibungen der Börse in beide Richtungen Gelegenheiten für Zukäufe (Liberation Day) oder auch Gewinnmitnahmen auf den aktuellen Niveaus.

Bei unserem letzten Gespräch waren Sie noch des Lobes voll für Bachem. Wie sind Sie seither mit dieser Position umgegangen, die vielen Anlegern Kopfschmerzen bereiten dürfte?

AB: Die grossen Verzögerungen des so wichtigen Neubaus K, welcher die Kapazitäten von Bachem verdoppeln wird, haben zu einem Vertrauensverlust geführt. Trotz weiteren möglichen Herausforderungen wie etwa der US-Zollthematik glauben wir an die strukturellen Wachstumsmöglichkeiten im CDMO-Markt für Peptide sowie an die übergeordnete Marktstellung von Bachem. Die Bewertungsmultiples befinden sich auf einem klaren Mehrjahrestief und werden der Qualität sowie den Wachstumsmöglichkeiten von Bachem nicht gerecht. Wir haben die Aktie nach wie vor übergewichtet.

Welche Titel aus Ihrem Portfolio möchten Sie positiv herausstreichen?

AB: Zum einen Sensirion. Nach dem schwierigen, von Lagerabbau geprägten Jahr 2023 hat das Unternehmen im vergangenen Jahr wieder auf den Wachstumspfad zurückgefunden. Auch der Ausblick für das Geschäftsjahr 2025 hat positiv überrascht, weshalb die Aktie im laufenden Jahr zu den Gewinnern zählt. Sensirion investiert etwa 20% des Umsatzes in Forschung und Entwicklung und schafft es so, doppelstellige Wachstumsraten zu erzielen. Mit den innovativen Produkten ist Sensirion meist Markt- und Technologieführer in den jeweiligen Nischen. Beispielsweise müssen Klimaanlagen in Amerika zukünftig mit einem für die Umwelt weniger schädlichen Gas betrieben werden, welches aber leichter entflammbar ist. Aus diesem Grund hat Sensirion einen spezifischen Leckage-Sensor entwickelt, der nun zur Anwendung kommt. Das Unternehmen dürfte auch in Zukunft mit innovativen Produktenentwicklungen überraschen.

«das Geschäftsmodell von Swissquote ist hoch profitabel und gut skalierbar»

Ein weiteres Unternehmen ist Swissquote. Die Bank hat in den letzten Jahren eine beeindruckende operative Entwicklung gezeigt. Dank dem umfassenden und fair bepreisten Leistungsangebot ist das Unternehmen in der Lage, eine Vielzahl an Neukunden und Kundenvermögen anzuziehen – zunehmend auch ausserhalb des Heimmarkts. Darüber hinaus wurde die Diversifizierung der Ertragsströme vorangetrieben, was die Zyklizität des naturgemäss schwankungsanfälligen Geschäfts verbessert hat. Dazu ist das Geschäftsmodell hoch profitabel und gut skalierbar, was zu überproportional steigenden Gewinnen führt.

 

Welche Titel haben Sie aufgrund der Performance eher enttäuscht?

RF: Von der Aktienkursentwicklung von Georg Fischer sind wir etwas enttäuscht. Vom Unternehmen aber nach wie vor sehr überzeugt. GF befindet sich in einer Transformation vom Konglomerat zum Marktführer im Bereich Water and Flow Solutions. Nach der Ankündigung dieses Plans erreichte die Aktie im März beinahe ein neues Allzeithoch, doch nach dem Absturz infolge des Liberation Day fehlt die Dynamik. Die Ankündigung der Übernahme der VAG-Group, einem Spezialisten für Metallarmaturen, ist strategisch passend. Doch strapaziert diese die Bilanz weiter. Der Abschluss des Verkaufs von Machining Solutions wird sehnlichst erwartet. Und auch Neuigkeiten zur Überprüfung der strategischen Optionen von GF Casting Solutions könnten helfen, die Anleger wieder zu mehr Engagement zu motivieren.

«Bei tecan überwiegen kurzfristig die belastungsfaktoren»

Bei Tecan blicken wir auf ein herausforderndes Geschäftsjahr 2024 zurück, geprägt von rückläufigem Umsatz und sinkenden Margen. Die Investitionsbereitschaft im Biopharmabereich ist insgesamt gedämpft, insbesondere aus China kommen weniger Aufträge. Hinzu kommt die Unsicherheit durch die von Donald Trump angekündigten Budgetkürzungen für staatliche Forschungseinrichtungen wie Universitäten und Spitäler. Auch Lagerabbau bei Kunden und verlängerte Investitionszyklen bremsen das Neugeschäft. Zwar arbeitet Tecan intern an Effizienzsteigerungen, doch kurzfristig überwiegen die externen Belastungsfaktoren. Ein qualitativ hochwertiges und innovatives Unternehmen mit einer soliden Bilanz, bei der es Geduld braucht, bis die Erholung kommt.

Sie halten mit PSP Swiss Property und Allreal auch Immobilientitel in Ihrem Fonds. Von welchem Zinsszenario gehen Sie in 2025 aus?

AB: Wir halten mit PSP einen der beiden grossen Immobilientitel im SPI Extra. Ergänzt wird das Portfolio mit Allreal. Insgesamt sind wir bezüglich Immobilientitel aber untergewichtet gegenüber unserem Vergleichsindex. In der aktuellen Phase von wieder sinkenden Zinsen weisen Immobilientitel ein gewisses Potenzial auf. Es fliesst viel Kapital in den Schweizer Immobilienmarkt. Wenn das Zinsniveau wie jetzt bereits wieder Richtung null tendiert resp. nahe null ist, fliesst dies in die Bewertung der Immobilienaktien ein und deren Attraktivität nimmt gegenüber anderen Unternehmen wieder ab.

Bezüglich unserem Zinsszenario: Viel Handlungsspielraum hat die SNB nicht mehr. Die Inflation ist weit unter 1%, der Schritt zu Null-Zinsen eine Frage der Zeit.

Auf was sollten Anleger in diesem Jahr achten?

RF: Der Liberation-Day hat erneut gezeigt, dass gewisse Entwicklungen nur schwer antizipiert werden können. Anleger sind gut beraten, in solch volatilen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren und Vertrauen in die gewählte Anlagestrategie sowie die Marktkräfte zu haben.

Das laufende Jahr hat weiterhin das Potenzial, die Anleger auf die Probe zu stellen. Geopolitische Herausforderungen und rezessive Tendenzen stehen einer grundsätzlich gesunden Unternehmenswelt gegenüber.

Wir machen akribisch unsere Hausaufgaben, behalten den Fokus auf Qualität und bleiben unserer Strategie treu – das gleiche, wie alle Anleger in solch einem Umfeld tun sollten.

Herr Buner, Herr Frauenfelder, herzlichen Dank für dieses Gespräch. 

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