Crowdfunding: Ein Silberstreif im schrumpfenden Markt

Im vergangenen Jahr fiel das Minus des Finanzierungsvolumens kleiner aus als in den Vorjahren. Die besten Karten haben B2C-Projekte aus dem Konsumgüterbereich.

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Die vegane Bäckereikette Bakery Bakery führt bereits die zweite Kapitalbeschaffung über die Crowd durch. Bild: bakerybakery.ch

Die Finanzierung über die Crowd funktioniert über jene Plattformen, welche die Dürrephase überlebt haben und ihre Marke etablieren konnten. So könnte man den Crowdfunding-Monitor 2024 des Instituts für Finanzdienstleistung in Zug IFZ der Hochschule Luzern zusammenfassen. «Nachdem die Crowdfunding-Volumina in den Jahren 2022 und 2023 deutlich zurückgingen (–16,4%, respektive –15,6%), blieb das Volumen im Jahr 2024 mit einem Rückgang von lediglich Minus 1,5% weitgehend stabil», heisst es dort.

Die Gesamtvolumina im Jahr 2024 (550.2 Mio. CHF) liegen aber noch immer deutlich unter den Rekordwerten der «Vor-COVID-Zeit». Im Jahr 2019 belief sich das Crowdfundingvolumen auf 597 Mio. CHF, im folgenden Jahr auf 606 Mio. Derzeit gebe es hierzulande noch immer 38 aktive Crowdfunding-Plattformen mit Niederlassung in der Schweiz, rapportiert das IFZ, aber «tatsächlich wurden im Jahr 2024 jedoch nur auf 23 dieser Plattformen Kampagnen finanziert».

Rasanter Start von Conda

Jene die aktiv sind, berichten dagegen von Erfolgen. «Wir verzeichnen ein signifikantes Wachstum sowohl auf Investorenseite als auch bei den durchgeführten Finanzierungsrunden. Allein im Jahr 2023 sammelten wir rund 8 Mio. CHF für Schweizer Start-ups – im vergangenen Jahr konnten wir diese Summe deutlich übertreffen und bereits über 11 Mio. CHF einsammeln», sagt Christian Klumpe, Geschäftsführer von Conda.ch. Die rasante Entwicklung hängt auch damit zusammen, dass die im Jahr 2013 in Österreich gegründete Plattform erst 2022 auf dem Schweizer Markt gestartet ist. Der Anfang sei vor allem durch Community-Aufbau geprägt gewesen – doch das zahlt sich gemäss Klumpe nun aus: Die Investorenbasis in der Schweiz sei im Vergleich zum Vorjahr um einen Viertel gewachsen.

Bereits Anfangs Jahr hielt die Schweizer Plattform Oomnium gegenüber schweizeraktien.net fest, dass sie 2025 mehr Projekte durchziehen werde und das Jahr deshalb ein Rekordjahr werde. «Wir haben uns das Ziel gesetzt, die Anzahl Finanzierungsrunden in diesem Jahr mehr als zu verdreifachen. Während wir letztes Jahr 8 Runden abgewickelt haben, liegt die Zielgrösse für 2025 bei 30 Runden. Momentan sind wir mit 17 Runden, die wir entweder bereits erfolgreich abgeschlossen haben, aktuell im Funding oder aber in der Vorbereitung sind, ziemlich genau auf Kurs», hält Leandro Davies, Mitgründer und CEO von Oomnium fest.

Nur Crowdlending legte zu

Die Studie von IFZ fasst alle Formen der Schwarm-Finanzierung zusammen. Die Normalisierung des Crowdfinancing Volumens sei in erster Linie auf das leicht gestiegene Vermittlungsvolumen im Bereich Crowdlending zurückzuführen (+2,01%) heisst es in der Studie. Die Bereiche Crowdsupporting / Crowddonating sowie Crowdinvesting verzeichneten hingegen im vergangenen Jahr rückläufige Zahlen (-7,2%, resp. -11,0%).

Oft kommt es im Crowd-Financing wegen der unterschiedlichen Verwendung der Begriffe zur Verwirrung. Vielfach wird der gesamte Bereich als Crowdfunding bezeichten. Dabei handelt es sich beim Funding jedoch um eine Geldleistung für ein konkretes Projekt, ohne dass der Geldgeber hierfür eine garantierte Gegenleistung erhält. Diese Geldbeschaffung mit Spendencharakter und «ideologischer Entschädigung» macht gemessen an Projekten den grössten Teil der Finanzierungen aus. Es ist also tatsächlich eher eine Spende. Crowdinvesting ist der Kauf von Unternehmensanteile durch den «Publikumsschwarm». Beim Crowdlending handelt es sich um Darlehen – dem Geldgeber wird versprochen, dass ihm der Betrag mit oder ohne Zinsen zurückgezahlt wird.

Neue Geschäftsfelder eröffnet

Weil das Wachstum stockt, wenden sich die Plattformen teilweise anderen Geschäftsfeldern zu. «Wir haben uns zwischenzeitlich zwar nicht von Crowdfinancing- und -funding verabschiedet, aber bieten unterdessen mehr als nur öffentliche Finanzierungsrunden an», sagt Davies. Oomnium habe vergangenen Herbst zwei neue Angebote für Private Placements – mit oder ohne Miteinbezug der eigenen Investorenbasis lanciert, mit denen das Unternehmen gezielt auch vielversprechende Early Stage B2B-Cases anspreche. «Dabei handelt es sich meist um grössere Runden, bei denen wir mit professionellen Investoren zusammenspannen, um dann einen Teil der Runde exklusiv für das Netzwerk des Unternehmens und unsere Investoren öffnen», sagt der Oomnium-CEO.

Erfolgsversprechend für Crowdfinanzierung sind vor allem Jungunternehmen aus der Konsumgüterbranche mit bekannten Marken, die im Markt bereits sichtbar sind und eine bestehende Nutzer-Community aufweisen. «Diese Unternehmen haben häufig bereits ein starkes Kundenverständnis, sind in der Lage, ihre Community zur Unterstützung zu mobilisieren und können auch digitales Marketing gezielt einsetzen», sagt der Conda-Geschäftsführer. Auch nachhaltige Marken oder Direct-to-Consumer-Produkte würden überdurchschnittlich performen.

Investoren promoten die Marke

In der Schweiz seien auch Fintechs nach wie vor beliebt und könnten starke eigene Communities aufbauen – «vor allem Unternehmen die ein Crowdinvesting nicht nur als Kapitalbeschaffung, sondern als zusätzliches Marketinginstrument und die Investoren als starke Brand Ambassadors nutzen, sind besonders erfolgreich». Aber auch einige B2B-Start-Ups waren gemäss Klumpe erfolgreich, insbesondere wenn Sie das Thema Nachhaltigkeit und Innovationskraft betonen. Einzig der Bereich Life Sciences wird aufgrund der Komplexität im Due Diligence Prozess und der sehr kapitalintensiven R&D-Kosten und Dauer bis zu Marktreife von Conda nicht bedient.

Eine erfolgreiche B2C-Geschichte ist Bakery Bakery auf der Oomnium-Plattform. «Bakery Bakery war bereits mit ihrer ersten Finanzierungsrunde Anfang 2024 über 1.4 Mio. CHF mitunter eine der erfolgreichsten Kampagnen auf unserer Plattform», führt Davies aus. Die aktuelle Kapitalerhöhung zeige, dass direkte Investments in aufstrebende Startups nicht nur ein hohes Risiko mit sich brächten, was unabhängig von der Wahl der Finanzierungsart in der Natur der Sache liege, sondern eben auch ein starkes Upside-Potential im Erfolgsfall. «Das Schöne am Bakery-Bakery-Case ist, dass sie in der aktuellen Folgerunde verkünden können, dass sie sämtliche vor einem Jahr kommunizierten Ziele erreicht oder übertroffen haben», erklärt der Oomnium-CEO den Erfolg von Bakery Bakery.

Veganes Erfolgsmodell

Das 2019 gegründete Unternehmen ist die erste vegane Bäckerei in der Schweiz und betreibt mittlerweile Filialen in Bern, Zürich, Basel, Winterthur und Luzern. Der Unternehmensmitgründer und CEO, Kevin Schmid, hatte zuvor bereits Outlawz Food einen Anbieter von veganen Fleischersatzprodukten lanciert – und teilweise ebenfalls über die Crowd finanziert. Mit der zweiten Kapitalrunde soll die weitere Expansion und Marketingmassnahmen finanziert werden. Anfangs 2025 sind Geschäftssitz und die Produktion von Bakery Bakery und Outlawz Food in einen Produktionshub für Startups in Zollikofen verlegt worden. Dessen Infrastruktur wird von der Fenaco bereitgestellt.

Oomnium berichtet, dass die durchschnittliche Ticketgrösse im Vorjahresvergleich um 40% gestiegen sei – der Median sogar um 85%. Das liege natürlich auch am neuen Angebot, sagt Davies. «Während das Durchschnittsticket in öffentlichen Runden meist im Bereich von 1000 bis 2000 CHF liegt, ist es bei privaten Runden exklusiv für das eigenen Investoren-Netzwerk je nach Projekt zwischen 5000 und 10’000 CHF». Dieses Netzwerk umfasse mittlwerweile über 10’000 registrierte Retail-Investoren und Business Angels.

Die durchschnittliche Investmenthöhe bei Conda liegt bei rund 1500 CHF – ein Wert, der seit der Gründung stabil sei. Dabei beobachtet die Finanzierungsplattform zwei dominante Gruppen. Zum einen wiederkehrende Kleinanleger, die regelmässig kleinere Beträge von 300 bis 500 CHF investieren, zum anderen Gelegenheitsinvestoren, die gezielt in einzelne Projekte grössere Summen, oft über 5000 CHF, investieren. Diese Mischung sei ein zentraler Erfolgsfaktor für die Plattform, da sie eine hohe Beteiligungsquote mit attraktiven Ticketgrössen verbinde, sagt der Conda-Geschäftsführer.

Eine Kapitalbeschaffung dauert sechs Wochen

Eine typische Finanzierungsrunde läuft in zwei Phasen: In einer ersten Pre-Phase von zwei Wochen beteiligen sich «Family & Friends», die öffentliche Kampagne laufe dann rund vier Wochen, erklärt Klumpe. Insgesamt dauert eine Kapitalbeschaffung also in der Regel sechs Wochen. Sowohl Oomnium als auch Conda konzentrieren sich vor allem auf die Eigenkapitalbeschaffung. Wobei in Ausnahmefällen auch Kapital mit Hilfe von Wandelanleihen aufgenommen wird. Bei Conda wird diese allerdings mit der klaren Auflage verbunden, dass diese im Anschluss an die Kampagne vollständig in Eigenkapital umgewandelt werden. «Unser Ziel ist es, langfristige Beteiligungen zu schaffen, die auch regulatorisch sauber und für Investoren transparent sind», sagt Klumpe.

Derzeit betreibt Conda keinen eigenen Sekundärmarkt, da die Investoren in der Regel langfristig orientiert sind. Der Sekundärhandel finde bisher nur vereinzelt statt. «Wir kooperieren allerdings mit Partnern wie Aequitec oder Aktionariat, um Start-ups bei Bedarf eine Lösung zu bieten. Die Entscheidung über den Handel und die Plattform liegt dabei beim Start-up selbst», sagt Klumpe. Aus technischer Sicht wäre es für Conda nach eigenen Angaben relativ einfach, eine eigene Lösung anzubieten – auch weil das Unternehmen bereits die Aktionärsverwaltung und Investor-Relations-Dienstleistungen integriert habe. «Sollte die Nachfrage nach Liquidität steigen, sind wir bereit, diesen Schritt zu gehen. Allerdings bleibt das Thema vor allem eine Frage der Marktliquidität – weniger der technischen Machbarkeit», fügt der Conda-Geschäftsführer an.

Tokenisierung harzt

Oft sind in den vergangenen Jahren Crowdfinancing-Projekt auch tokenisiert worden. Mit Hilfe der Token wird die Verwahrung und Handelbarkeit der Unternehmensanteile auf der Blockchain ermöglicht. Doch nach einer ursprünglichen Euphorie ist die Aktivität auf den Tokenisierungsplattformen stark zurückgegangen. «Unabhängig von einer Tokenisierung sehen wir aktuell leider noch nicht ausreichend Handelsmöglichkeiten für die Beteiligungen», sagt Leandro Davies.

Investitionen in Startups seien Investitionen langfristiger Natur und würden sich im Falle eines Exits – oder seltener über eine Dividende – auszahlen. Genau das kommuniziere Oomnium auch den Investoren. Bei der Wahl einer Tokenisierung seien meist andere Argumente ausschlaggebend – wie Investor-Handling, vereinfachte Durchsetzbarkeit von «Mitziehklauseln» für Minderheitsaktionäre etc. Tokenisierung sei dann sinnvoll, wenn es sich entweder um eine grosse Anzahl Minderheitsaktionäre oder einen Case mit einer klaren Exit-Strategie handle.

Auch Conda ist gemäss Geschäftsführer technologisch bereit, Beteiligungen zu tokenisieren – das Unternehmen könnte dies auf Wunsch sofort umsetzen. In der Praxis habe sich bisher jedoch kein Projekt aktiv für eine Tokenisierung entschieden. Obwohl Blockchain und Tokenisierung in der öffentlichen Wahrnehmung präsent sind, bevorzugt die Mehrheit der Investoren weiterhin klassische Beteiligungsstrukturen. «Diese sind regulatorisch einfacher zu handhaben, bieten mehr Verlässlichkeit und sind für viele Anleger leichter zu verstehen», sagt Klumpe.

Kaum Wachstum in Sicht

Die Studienautoren vom IFZ gehen davon aus, dass der Crowdinvesting-Markt im Jahr 2025 wachsen wird. Dieses Segment werde jedoch stark durch Beteiligungsmodelle im Immobilienbereich geprägt und wegen des gesunkenen Zinsniveaus erwarten die Autoren dort kein Wachstum. Dafür könnte die Zinswende im Crowdlending, das in den vergangenen eine Kontraktion aufwies, nach den Zinssenkungen der Schweizerischen Nationalbank ab 2024 wieder zu einer leichten Beschleunigung führen.

Alles in allem erwartet das IFZ weiterhin eine Stagnation im gesamten Crowdfinancing. Die Autoren fügen an, dass in den bisherigen Studienausgaben von einer «Marktkonsolidierung» die Rede gewesen sei, doch nun zeichne sich zunehmend ein anderes Bild ab: Einige Plattformen bestehen zwar formal weiter, sind operativ aber kaum noch aktiv – sogenannte «living dead»-Plattformen. Das Institut geht davon aus, dass sich an diesem Zustand wenig ändern wird und das Marktvolumen künftig von einer noch kleineren Zahl tatsächlich aktiver Anbieter getragen wird.

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