Die Aktionariat AG sieht die Zeit für einen strategischen Wandel gekommen. Wie auf schweizeraktien.net bereits öfter zu lesen war, kommt das Geschäft mit tokenisierten Unternehmensanteilen nicht wie gewünscht in die Gänge. Der Blockchain- und Tokenisierungsdienstleister Aktionariat nimmt deshalb eine Neuausrichtung vor und macht auch im Management Anpassungen. Auf Linkedin schreibt das Unternehmen: «In Zukunft wird sich die Aktionariat AG darauf konzentrieren, einem Blockchain-affinen Publikum erstklassige technische Tools zur Verfügung zu stellen. Wir wollen skalierbare Investor Relations für Unternehmen Wirklichkeit werden lassen, die die Vorteile der Blockchain-Technologie verstehen».
Seit einigen Jahren ist die Erwartung an die Tokenisierung von Wertpapieren gross. In der Schweiz gehörte Aktionariat zu den Pionieren bei der Tokenisierung von Aktien. Das Unternehmen hat mehr als 50 tokenisierte Unternehmen mit Zehntausenden von Investoren auf die Blockchain gebracht. Doch das ist nicht ausreichend, um erfolgreich wirtschaften zu können. Das bisherige Geschäftsmodell würde jedoch Hunderte, wenn nicht Tausende von Emittenten erfordern, um Aktionariat erfolgreich zu machen.
Nicht erste Wahl bei Kapitalsuche
Aktionariat musste feststellen – wie andere Anbieter auch –, dass eine «Blockchain-Aktie» bei den Unternehmen trotz grossem Hype um Bitcoin und andere Kryptowährungen nicht erste Wahl ist. «Viele unserer Kunden nutzten unsere Tools jedoch in erster Linie, um Mittel zu beschaffen, nachdem andere Fundraising-Versuche gescheitert waren. Das ist keine solide Grundlage für die Schaffung von Mehrwert für Investoren und Aktionäre», heisst es im Blog der Firma.
«So viel ändert sich gar nicht», räumt Verwaltungsratspräsident Luzius Meisser gegenüber schweizeraktien.net ein. Bisher habe sich das Unternehmen auf den Vertrieb der Produkte konzentriert. Das habe auch erfolgreich begonnen, man habe schnell 50 Firmen an Bord gehabt. «Doch dann kam das Geschäft ins Stocken, und unser Ziel von 500 Firmenkunden im Jahr 2025 ist nicht erreichbar», so Meisser. Jetzt mache man einen Schritt zurück, werde technischer und verbessere das Produkt, sodass es sich «im Idealfall von selbst verkauft». Der VRP fügt an: «Im Kern bleibt die Vision von Aktionariat die gleiche, es wird einfach ein anderer Weg eingeschlagen, um den Gipfel zu erklimmen.»
Der bisherige CEO geht
Die «technische Ausrichtung» zeigt sich auch im Management. Der Mitbegründer und bisherige Chief Technology Officer, Murat Ögat, wird das Amt als CEO übernehmen. Unterstützt wird er dabei von Konstantinos Zavoudakis, der zum Chief Operation Officer befördert wird, und von Luzius Meisser, der sich wieder stärker als Vorstandsvorsitzender einbringen wird. Der bisherige CEO Nicola Plain und der Chief Growth Officer Béla von Mérey verlassen das Unternehmen. Sie hatten massgeblich dazu beigetragen, Aktionariat zum beliebtesten Anbieter für die Tokenisierung von Schweizer Aktien zu machen. Meisser, der auch der wichtigste Kapitalgeber ist, räumt ein, dass es auch finanzielle Gründe gibt für die Neuausrichtung: «Bei allem Idealismus braucht es zumindest eine mittelfristige Aussicht auf Profitabilität, sonst kann das Geschäftsmodell nicht dauerhaft Bestand haben.»
Die Aktionariat AG habe es bewusst vermieden, eine Crowdfunding-Plattform zu werden oder sich als solche zu präsentieren – das möchten gemäss Meisser bereits viele andere Gesellschaften. Die Hoffnung von Aktionariat war, dass sich auf der eigenen Plattform ein Markt für die Aktien einiger Hidden Champions der Schweizer Wirtschaft entwickle. Das sind kleine, aber robuste Unternehmen mit stetigem Wachstum, die für Risikokapitalgeber nicht ehrgeizig genug sind, aber langfristig Wert schaffen. Nun erfolgt ein Wechsel der Zielgruppe: Statt zuerst Schweizer Klein- und Mittelbetriebe anzusprechen, verlegt sich die Aktionariat AG auf die Tokenisierung von internationalen Blockchain-affinen Unternehmen.
Suche nach Blockchain-affinen Unternehmen
Darunter versteht Meisser Unternehmen, die bereits mit den Eigenheiten der Blockchain vertraut sind und diese zu schätzen gelernt haben. Darauf aufbauend kann man die Vorteile der Technologie besser ausschöpfen. Aktientoken beispielsweise sogenannten «DeFi-Protokollen» zuführen und dort nicht nur handeln, sondern auch als Sicherheiten für Kredite verwenden. «Ich erkenne an, dass unser Angebot noch viel Potenzial hat, was die Benutzerfreundlichkeit angeht», sagt Meisser. Eines der nächsten Ziele sei es, die Automatisierung zu erhöhen und den Aufwand für das Onboarding für die Emittenten zu reduzieren, die bereits eine Ahnung davon haben, worum es geht.
Meisser hat eine Theorie, wieso die Tokenisierung bei KMU in der Schweiz wenig Anklang fand. «Viele gute Firmen wollen gar nicht öffentlich exponiert sein.» Zudem sei eine öffentliche Finanzierung über die Jahrzehnte schwieriger geworden. Als 1932 die Fähre Meilen-Horgen Kapital gesucht habe, verstand jeder, wofür dieses gebraucht wurde. «Der Investor konnte aus dem Fenster schauen und sah: Die Fähren pendeln über den See.» Heute fliesse bei Start-ups vieles in die IT. Es sei schwierig von aussen zu sehen, ob das Kapital effizient eingesetzt werde. Die Blockchain kann gemäss Aktionariat-VRP auch dafür die Lösung sein: «Wenn alle Kalkulationen, Abrechnungen und Geschäftszahlen auf der Blockchain einsehbar sind, erhöht das die Transparenz.»