Immobilienmarkt: Das Klumpenrisiko für Banken und Wirtschaft meldet sich zurück

Preise und Hypothekarvolumen nehmen auf hohem Niveau wieder Geschwindigkeit auf. Kann das gut gehen?

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TechCluster Zug
Die Leitzinsen in der Schweiz notieren bei null – vielleicht bald tiefer. Das wird den bereits gut laufenden Immobilienmarkt weiter anheizen. Abb.: techclusterzug.ch

Hypotheken haben die Tendenz, Klumpenrisiken zu bilden – einerseits in der Vermögensverteilung Privater, wenn sie ein Eigenheim oder eine Wohnung kaufen, andererseit in den Bilanzen von Regional-, Kantonal- und Raiffeisenbanken. Die langfristigen Immobilienkredite an Kunden bleiben auch nach zwei Jahren mit steigenden Zinsen die dominierenden Posten auf der Aktivseite dieser Institute – und nun geht es wieder Richtung «Nullzinsen».

Die Finanzinstitute unternehmen immer wieder Versuche, diese Abhängigkeit zu brechen. Doch die wenigsten sind erfolgreich, schwergewichtig in Beratung, Vermögensverwaltung oder Firmenkredite zu expandieren. Das gescheiterte Abenteuer der Basellandschaftlichen Kantonalbank (BLKB) mit dem nachhaltigen Vermögensverwalter Radicant ist nur das jüngste Beispiel.

Zurück im Negativbereich?

In der Negativzinsphase der Jahre 2015 und 2022 war die Verzinsung der Immobilienschulden für die Kunden «spottbillig», und das bereits grosse Hypothekarvolumen nahm weiter stark zu. Die vergangenen Jahre brachten nur eine leichte Abkühlung. Doch bereits Mitte Juni 2025 fielen die Schweizer Leitzinsen erneut auf null – und einzelne Marktbeobachter rechnen bereits wieder damit, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) die Sätze, mit denen sich die Banken bei ihr verschulden können, bald in den Negativbereich senkt.

Aufgrund ihrer stabilen Rahmenbedingungen fungiert die Schweiz aus Investorensicht einmal mehr als sicherer Hafen. Ausländische Anleger halten vermehrt Schweizer Franken und treiben so dessen Wert gegenüber anderen Währungen wie Dollar und Euro nach oben. Um weiterhin Preisstabilität zu gewährleisten – und zu verhindern, dass die Preise zu stark sinken –, hat die Schweizerische Nationalbank die Leitzinsen bereits auf null Prozent gesenkt – und weitere Senkungen sind durchaus plausibel.

Wachstum ohne Unterbruch

Mit jeder Zinslockerung erhöht sich die relative Attraktivität von Immobilien aus Anlegeroptik, da sich deren Renditen – anders als jene von anderen Anlageklassen – auf Basis der Mietzinseinnahmen langfristig stabil entwickeln. So sind etwa die Renditen 10-jähriger Bundesanleihen, die ein vergleichbares Risikoprofil aufweisen, in den letzten Monaten deutlich gesunken. Gleichzeitig werden die Finanzierungskonditionen für den Immobilienerwerb wegen der tieferen Zinsen vorteilhafter, was die Nachfrage weiter anheizen wird.

Gemäss Bankenstatistik der SNB haben sich die Hypothekarforderungen von Mai 2015 von 922.69 Mrd. CHF auf 1234.13 Mrd. CHF im Mai dieses Jahres erhöht – ohne dass es in dieser Periode einen Monat mit einer Volumenabnahme gegeben hätte. Die Anzahl der Neuhypotheken erreichte im 2. Quartal 2021 den Höchststand und ist seither leicht rückläufig – zog aber zuletzt wieder etwas an.

Sichere Anlagen mit Rendite

In einem Umfeld mit negativen Renditen auf festverzinslichen Staatsanleihen und Kontoguthaben kommt es zum Anlagenotstand. Investoren suchen nach Alternativen, um ihre Vermögen zu diversifizieren. Immobilien als Renditeliegenschaften werden attraktiver. Eine Untersuchung von Wüest Partner zeigt, dass der Transaktionswert von Einfamilienhäusern über die vergangenen zehn Jahre um 45,2% und für Eigentumswohnungen um 36% gestiegen sind. Eine stolze Performance für sichere Anlagen.

«Die Zahlungsbereitschaft für Wohneigentum ist im zweiten Quartal 2025 erneut gestiegen», schreibt der Immobiliendienstleister IAZI anlässlich der Publikation des «IAZI Private Real Estate Price Index» Mitte Juli. Die Transaktionspreise haben gemäss diesem Index im schweizweiten Durchschnitt im zweiten Quartal um 0,9% zugenommen. Der IAZI-Index wird auf Basis effektiver Handänderungen von Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen berechnet, wobei ausschliesslich Transaktionen zu freien Marktbedingungen einfliessen. Einzeln nach Objekttyp betrachtet übertraf die Wertsteigerung von Eigentumswohnungen (+1,1%) jene von Einfamilienhäusern (+0,8%) leicht.

Im Jahresvergleich stiegen die Preise für Wohneigentum um 2,5 % – und liegen damit wieder nahe am langjährigen Mittel von rund 3% pro Jahr (seit 1998). «Ob Wohneigentum oder Renditeobjekte – die erhöhte geopolitische und wirtschaftliche Unsicherheit wirkt sich auf sämtliche Immobilien-Teilmärkte in Form einer anziehenden Nachfrage aus und dürfte die Preisentwicklung in den kommenden Monaten weiter anheizen», schreibt IAZI weiter. Der Schritt bei den Zinsen in den negativen Bereich sei je nach Entwicklung der Teuerung ebenfalls wieder denkbar.

Spuren in den Bankbilanzen

Die Semesterzahlen der Finanzinstitute, welche diese für das erste Halbjahr 2025 bereits ausgewiesen haben, deuten darauf hin, dass das Hypothekarvolumen wieder anzieht – oder zumindest nicht nachlässt. Die jurassische Kantonalbank weist seit Jahresbeginn eine Volumenzunahme um 3,3% auf 3.24 Mrd. CHF auf. Bei der BLKB nahmen die Hypothekarforderungen um 0,9% auf 24.67 Mrd. CHF zu, während die Kundeneinlagen schmolzen. Bei der Zuger Kantonalbank legte der Posten um 0,2% auf 14.65 Mrd. CHF zu, gleichzeitig nahmen die meisten übrigen Bilanzposten ab. Auch die bereits vorliegenden Abschlüsse von einzelnen Raiffeisenkassen im Land zeigen, dass dort die Hypothekarkredite überall um über 1% zulegten.

Der Hypothekarmarkt reagiert mit einer gewissen Verzögerung auf eine Veränderung des Zinsumfelds. Der starke Zinsanstieg in den Jahren 2022 und 2023 machte sich erst mit einem Jahr Verzögerung bemerkbar und führte 2023 zu einem Rückgang des Wachstums auf immer noch 2,4% – was aber unter dem Schnitt der vergangenen zehn Jahre von 3,1% lag.

Somit muss man davon ausgehen, dass sich das Hypothekenwachstum erst in den kommenden Monaten so richtig beschleunigen wird. Die Diskussion, ob einzelne Banken, der Sektor an sich und das ganze Land durch die (zu) hohe Immobilienverschuldung gefährdet ist, wird sich dann – zu Recht – wieder intensivieren. In anderen europäischen Ländern hat sich in den Jahren 2022 und 2023 gezeigt, was bei einem Zinsschock mit schnell steigenden Zinsen in einem überhitztem Immobilienmarkt geschehen kann und dass damit auch Finanzinstitute und die Gesamtwirtschaft in Mitleidenschaft gezogen werden.

Hinweis in eigener Sache: am 21. August 2025 findet der Branchentalk Banken in Zürich statt. Im Fokus steht das Thema „Vertrauen als Schlüssel zur Stabilität“. Mehr Infos unter www.schweizeraktien.net/branchentalk-banken-21-august-2025/

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