Healthcare Aktien Schweiz: Wie bedrohlich ist die US-Gesundheits- und Zollpolitik?

Pharma-Zölle bis zu 250% und Medikamentenpreissenkungen beschäftigen Politik, Wirtschaft und Investoren

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Die Rahmenbedingungen im Healthcare-Sektor erfahren starke Veränderungen. Bild: stock.adobe.com

Bei allen Beschwichtigungen, die zu hören sind, die US-Zollpolitik schadet nicht nur der Weltwirtschaft, sondern soll auch gefügig, wenn nicht unterwürfig machen. Die Schweiz mit ihren Luxusgüter-, Pharma- und Medtech-Handelsbilanzüberschüssen ist dabei besonders im Visier des US-Präsidenten. Laut Trump macht die Schweiz ein «Vermögen mit Arzneimitteln» auf dem US-Markt.

Bereits der mit 39% vergleichbar hohe allgemeine Zollsatz für Schweizer Importe in die USA hat Wirtschaft und Politik überrascht. Pharmaprodukte sind davon bisher ausgenommen. Mit diesem Sektor hat die US-Administration mehr vor! Mit Novartis und Roche befinden sich gleich zwei Schweizer Unternehmen in der Top League der globalen Industrie. Beide spielen in den USA, dem grössten Gesundheitsmarkt der Welt, eine bedeutende Rolle. Sie sollen, so Trumps Plan, sowohl massiv ihre Produktion in den USA ansiedeln als auch die Medikamentenpreise am US-Markt signifikant absenken. Beides betrifft alle Big Pharma Player wie Merck, Pfizer, Eli Lilly in den USA, die Japaner und aus Europa neben den Schweizern AstraZeneca, GSK und Sanofi.

Explodierende Gesundkeitskosten in den USA

In den USA machten 2023 Healthcare-Ausgaben 17,6% des BIP aus. Der Trend ist seit Jahrzehnten nach oben gerichtet. In vergleichbaren Ländern beträgt die Quote beispielsweise im EU-Durchschnitt 2023 nur 7,3%. Die laut Trump «sozialistischen Systeme» wie in Deutschland würden zu tiefen Preisen führen, welche die Hersteller dann durch höhere Preise in den USA kompensieren würden. Und tatsächlich entfallen die grössten Gewinnanteile der grossen Pharma-Konzerne auf den lukrativen US-Markt, was jedoch schon viele Jahrzehnte so ist.

Ohne Gewinnaussichten keine Investitionen

Die Unternehmen argumentieren, dass Innovationen und medizinischer Fortschritt hohe Investitionen erfordern, die sich nur rechnen, wenn auch die Gewinnperspektiven entsprechend ausfallen. Sind die Risiken zu hoch, werden die Investitionen nicht getätigt. Und genau so eine Situation scheint sich derzeit zu entwickeln. Unerwartet meldete die SKAN Group einen markanten Umsatzrückgang im ersten Halbjahr, vor allem, weil Kunden aus der Life Sciences Industrie Projekte für neue aseptische Abfüllanlagen aufschieben.

Chart SKAN Sept25 Der Atkienkurs von SKAN zeigt 2025 bis jetzt ein bewegtes Bild. Chart: six-group.com

Pfizer CEO antwortet US-Präsident

Der News-Flow aus der Healthcare Industrie und der US-Politik ist inkonsistent. So meldete sich am 3. September der CEO von Pfizer, Albert Bourla, zu Wort und erklärte dem US-Präsidenten auf dessen Anfrage, was die mRNA-Impfstoffe gebracht haben, dass diese während der Covid-Pandemie global 14 Mio. Leben gerettet und auch dazu beigetragen haben, einen wirtschaftlichen Kollaps zu vermeiden. Unter der Führung von Präsident Trump habe die «Operation Warp Speed» genannte schnelle Vakzin-Entwicklung das Konsumentenvertrauen wiederhergestellt, die Produktion angekurbelt und über 1 Billion USD an Hospitalisierungs-, Behandlungs- und Folgekosten erspart. Die durch «Operation Warp Speed» so erzielten Fortschritte, auch mit Blick auf die Krebsforschung, seien, so Bourla, «typischerweise der Verleihung des Friedensnobelpreises würdig.»

Chart Pfizer USD Kursverlauf der Aktie von Pfizer in den letzten 3 Jahren (in USD). Chart: nyse.com

Der «Friedensnobelpreis»

Das klingt zwar gefällig, ist aber von Bourla dennoch klug formuliert. Es ist bekannt, dass Trump den Friedensnobelpreis will. Es ist jedoch eher unwahrscheinlich, dass seine Gaza- und Ukraine-Politik zu preiswürdigen Ergebnissen führen wird. Auch die Entscheidung, das Verteidigungsministerium wieder in Kriegsministerium umzubenennen, wie es bis 1947 hiess, dürfte seinem Begehren nicht förderlich sein. Doch die mRNA-Pioniere Katalin Kariko und Drew Weissman erhielten tatsächlich 2023 den Nobelpreis für ihre jahrzehntelange mRNA-Forschung und Leistung bei der Vakzinentwicklung gegen das tödliche
Covid-Virus.

mRNA-Projekte gestrichen

Unter dem Gesundheitsminister Robert Kennedy Jr. wurde dagegen die weitere Finanzierung von mRNA Studien und Projekten eingestellt, die Zulassung der jüngsten Generation der Covid-Vakzine wurde sehr stark auf über 65-Jährige beschränkt. Es geht um viele Mrd. USD. Unter der Biden Administration hatte Moderna 766 Mio. USD für die Entwicklung eines mRNA-basierten Vakzins gegen die H5N1-Variante der Vogelgrippe erhalten, doch die Finanzierung wurde nun im August gestrichen. Das Vakzin war bereits in Phase III der klinischen Studien und versprach einen wirkungsvollen Schutz gegen das Virus, dessen Mutationen Wildvögel, Säugetiere und auch den Menschen infizieren. Solche Nachrichten führen zu Verschiebungen von Investitionen, wie sie bei der SKAN Group sichtbar wurden. Auch viele andere Unternehmen im Healthcare Universum sind von den diversen Massnahmen der Trump Administration direkt oder indirekt betroffen.

US-Importzölle bis zu 250%?

Die grösste Unsicherheit für die Schweizer Unternehmen des Sektors besteht derzeit in der Zollandrohung. Ab 1. August gerechnet hat Trump den Pharmakonzernen eine 60-Tagesfrist gesetzt, um ihre Medikamentenpreise in den USA zu senken, also bis Ende September. Er kündigte an, dass die Zölle für Pharmaprodukte erst 15% oder 20% ausmachen könnten, dann aber auf 100% oder sogar 250% angehoben werden. Die Produktion soll in den USA stattfinden, was auch Eli Lilly und Pfizer mit ihren beträchtlichen Produktionsstätten in Europa betrifft. Vor allem aber betrifft es Novartis, Roche und die weiteren europäischen Player. Die hatten grossteils schon im Vorfeld angekündigt, in die Produktion in den USA zu investieren, was im Mai auf schweizeraktien.net evaluiert wurde. Die Entscheidungsträger der Pharma-Industrie werden bestimmt noch einmal rechnen. Legt man die von Trump verlangten Preise entsprechend denen des am meisten begünstigten vergleichbaren Landes zugrunde, errechnen sich zukünftige Erlöse und Gewinne in den USA, die sehr weit von den Renditeanforderungen der Industrie entfernt sind.

Chart Roche Sept25 Kursverlauf bei Roche in den letzten 3 Jahren. Chart: six-group.com

Der Präsident vs. die Pharmaindustrie

Es scheint auf einen lange andauernden Konflikt hinauszulaufen. Die Pharmaindustrie hat tiefe Taschen, eine überaus mächtige Lobby und ist nicht bekannt dafür klein beizugeben. Unter allen Umständen hat es die Industrie sehr gut verstanden, ihre hohen Gewinnmargen zu steigern und zu erhalten. Der US-Präsident hat zwar eine «temporär» dominante Stellung, wird sich die hochprofitable Industrie aber nicht wirklich zum Feind machen wollen. Wird sich Trumps Geschäftssinn durchsetzen oder folgt er weiterhin den obskuren Theorien seines Gesundheitsministers Kennedy und dessen Anhängern? Die Öffentlichkeit in den USA ist durchaus beunruhigt. So sind die unter 5-jährigen Kinder in vielen US-Staaten nur zu 5% gegen Covid geimpft und stellen deshalb den Grossteil der Covid-Toten der jüngeren Vergangenheit. Eine Masern-Epidemie greift um sich, von der wenig zu hören ist. Die Herdenimmunität liegt bei Masern bei 95%. Da in den letzten Jahren vor allem in evangelikalen Regionen kaum noch geimpft wurde, breitet sich die hochinfektiöse Krankheit mit teilweise fatalen Folgeerscheinungen weiter aus.

«Totale Implosion» der Seuchenschutzbehörde

Es fügt sich ins Bild, dass die US-Seuchenschutzbehörde CDC eine «totale Implosion» und ein «komplettes Desaster» erlebt, wie es eine ehemalige leitende Mitarbeiterin formulierte. Erst Anfang August als Behördenleiterin ernannt, wurde Susan Monarez bereits drei Wochen später gefeuert. Im Juli war sie noch vom Senat für die Position bestätigt worden. Der Grund für die plötzliche Beendigung der Berufung war, dass sie «keine unwissenschaftlichen Anweisungen» befolgte, was sich im Wesentlichen auf die Änderungen der Impfpolitik durch Kennedy sowie die verlangte Entlassung bewährter Mitarbeiter bezog. Drei weitere Behördenleiter der CDC traten aus Protest zurück, sodass die CDC nun kopflos erscheint. Als interimistischer Nachfolger wurde Jim O´Neill ernannt, ein Biotech Investor und ehemaliger Redenschreiber der Bush Administration ohne medizinische Vorbildung. In der Covid-Ära hatte er sich, ebenso wie Kennedy, durch Empfehlungen von Hydroxychloroquin und Vitamin D zum Schutz vor Infektionen als Experte betätigt.

Fazit

Die Rahmenbedingungen im Healthcare-Sektor erfahren starke Veränderungen durch die dirigistischen Eingriffe der Trump Administration in den Markt. Die Trump-Politik zeichnet sich durch blanke Machtausübung auch gegenüber den traditionellen Verbündeten und Wirtschaftspartnern aus. Die Ära Trump 2.0 zeichnet sich ebenfalls durch Stil- und Strukturbrüche aus, die zu allgemeiner Verunsicherung führen. Unvorhersehbarkeit der Aktionen und wechselnde Ankündigungen sind Teil des Dealmaking. Dass es dabei, wie politische und wirtschaftliche Experten in Europa konstatieren, vordergründig vor allem darum geht, den US-Präsidenten bei Laune zu halten, dokumentiert die offensichtliche Sprach- und Ratlosigkeit der Protagonisten. «Hoffnung» ist daher eines der derzeit am meisten verwendeten Wörter auf der Seite all derer, die einseitig und unverschuldet unter den Trump-Massnahmen zu leiden haben.

An den Börsen haben die Kurse vieler Healthcare-Aktien auf beiden Seiten des Atlantiks im letzten Jahr zum Teil deutliche Korrekturen erfahren, in den meisten Fällen aber zwischenzeitlich einen Boden ausgebildet. Novartis und Roche sind in jeder Hinsicht breit diversifiziert und werden auch mit schwierigen Bedingungen umzugehen wissen. Ypsomed und SKAN Group produzieren in der EU und bauen in den USA eine Produktion auf. Und manche Unternehmen wie Lonza, Straumann und Medartis sind schon länger in den USA mit eigener Produktion präsent. Die Unternehmen sind also vorbereitet. Dennoch können die Markteingriffe der Trump Administration und die politisch motivierte «weaponization of healthcare» beträchtliche langfristige Schäden anrichten.

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