BX-Digital-CEO Lidia Kurt: «Wir nähern uns dem Go-Live»

Die Handelsplattform startet nächstens mit dem Handel von tokenisierten Assets. Die Geschäftsführerin erklärt, wieso das Produkt erfolgreicher sein wird als bisherige ähnliche Projekte in der Schweiz.

0
119
«Wir sind die Einzigen, die den Blockchain basierten Handel mit tokenisierten Wertpapieren über einen Finma-regulierten Handelsplatz anbieten», sagt Lidia Kurt, CEO von BX Digital. Foto: zVg

Die Tokenisierung von Vermögenswerten (sogenannte Real-World-Assets, RWA) entwickelt sich weltweit rasch zu einer tragenden Säule der Blockchain-Adoption und der Konvergenz von traditioneller Finanzwelt und dezentraler Infrastruktur. In der Schweiz sind aber Vorstösse von Anbietern wie Daura oder Aktionariat, die Firmenanteile von KMU tokenisieren, wenig erfolgreich. Nun betritt mit BX Digital ein neuer Player das digitale Spielfeld und will mit einem anderen Ansatz und einer unterschiedlichen Strategie die Tokenisierung vorantreiben.

Bereits im März erhielt BX Digital, ein Tochterunternehmen der Gruppe Börse Stuttgart und «Schwester» der BX Swiss (ehemals Berner Börse) von der Schweizer Finanzmarktaufsicht (Finma) eine Bewilligung für den Betrieb eines DLT-Handelssystems. Dieses ist über die Knotenpunkte der Blockchain dezentral organisiert (Distributed-Ledger-Technologie, DLT).

Paneuropäische Handelsplattform wird genutzt

Im Gespräch mit schweizeraktien.net will CEO Lidia Kurt noch kein genaues Startdatum nennen, aber der Handel soll in den nächsten Monaten beginnen: «Wir kommen in der Vorbereitung gut voran und nähern uns dem Go-live.» Die Schweizer Banken Sygnum Bank, Incore Bank und Hypothekarbank Lenzburg sowie die Wertpapierhäuser ISP Group und die Euwax werden die ersten Handelsteilnehmer sein. BX Digital sei aber in Kooperationsgesprächen mit weiteren Finanzinstituten.

Vor kurzem kündete das Unternehmen an, dass BX Digital als erstes reguliertes Handelssystem Seturion nutzen werden. Mit Seturion hat die Gruppe Börse Stuttgart eine digitale, paneuropäische Abwicklungsplattform für tokenisierte Assets geschaffen, die es Finanzinstituten ermöglicht, digitale Vermögenswerte sicher, effizient und rechtskonform über Landesgrenzen hinweg abzuwickeln. Dass BX Digital nun Seturion nutzt, ist laut Kurt kein Zufall: «Unsere Plattform wurde von Beginn an für den DLT-basierten Handel und die Abwicklung digitaler Vermögenswerte entwickelt und bietet somit das ideale Umfeld, um mit diese Plattform im regulierten Markt zu starten.» Seturion löse die bisher zersplitterte Infrastruktur in Europa auf und ermögliche grenzüberschreitende Abwicklungen über öffentliche und private Blockchains.

International arbeiten marktführende Finanzinstitutionen wie BlackRock, HSBC und JPMorgan an Blockchain-Infrastrukturen, um ein breites Spektrum an Vermögenswerten – von US-Staatsanleihen bis hin zu privaten Kreditmärkten – zu tokenisieren. Auch Regierungen ziehen mit und tokenisieren teilweise Staatsanleihen. Das Volumen dürfte rund 20 Mia. US-Dollar umfassen. Ist das das Marktvolumen, das BX Digital für den Handel anvisiert?

Zuerst klassische Produkte

«Aktuell spiegeln verfügbare Kennzahlen vor allem das emittierte Volumen, ein aussagekräftiges Marktvolumen ist erst nach dem Go-Live des regulierten Handelsplatzes erwartbar», antwortet Kurt. Dies seien vor allem Assets aus dem Money-Market- und dem Private-Credit-Bereich. Das sei die aktuelle Marktperspektive. Da BX Digital in offenen Ökosystemen denke, könnte der Handelsplatz aber bereits auf diesen Markt von tokenisierten Vermögenswerten zugreifen

Der erste Use-Case der BX Digital werden Instrumente in der Kategorie der klassischen Finanzprodukte wie etwa Aktien, Obligationen, Fonds und ETP (Exchange Traded Products) sein. Es werden auch neue Anlagekategorien hinzukommen – vor allem im Bereich des direkten Eigentums (Direct Ownership), das man auf der Blockchain gut abbilden und handelbar machen kann. In diesem Bereich wir voraussichtlich einer der ersten Use-Cases aus dem Commodity-Bereich sein. «Wir ermöglichen mit unserem System einen multilateralen Handel, d.h. das Asset muss handelbar und austauschbar sein, wir können nicht Vermögenswerte, die es nur einmal gibt, auf diese Weise handelbar machen.»

Neue Funktionalitäten

Es werden gemäss Lidia Kurt tendenziell neue Instrumente sein, aber dennoch in der Kategorie der klassischen Finanzprodukte, wie etwa Aktien, Obligationen, Fonds und ETP. Mit der Zeit würden für diese Produkte immer neue Funktionalitäten eingeführt. Das könnten etwa im Fondsbereich tägliche Couponszahlungen sein. «Es werden aber auch neue Anlagekategorien hinzukommen, vor allem Direct Ownership, das man auf der Blockchain gut abbilden und handelbar machen kann», verspricht die BX-Digital-CEO.

Dabei entsteht nicht einfach eine weitere Kryptohandelsplattform. Ganz bewusst lässt BX Digital den Handel mit Kryptowährungen aus. Lidia Kurt führt aus: «Dieser Markt ist sehr liquid, und es gibt bereits viele, gute Player. Wo eine Lücke herrscht, ist bei regulierten Handelsplätzen für tokenisierte Wertpapiere.» Erst wenn hier ein funktionierender und regulierter Sekundärmarkt besteht, kann ein neues Marktsegment entstehen.

Mit traditionellem Franken

Die Abrechnung erfolgt aber über traditionelle Fiat-Franken: «In Bezug auf die Schweiz ist einfach noch nicht klar, wie On-Chain-Cash aussehen wird. Das könnten Stablecoins, aber auch Wholesale CBDC sein», sagt Kurt dazu. Deshalb bleibe BX Digital offen und warte ab, in welche Richtung sich die Industrie entwickle. Das Unternehmen nimmt auch am Helvetia-Projekt der Nationalbank teil, wo mit Hilfe einer Blockchain-Abrechnungswährung für Finanzinstitute (Wholesale Central Bank Digital Currency) experimentiert wird. BX werde sich dieser Entwicklung nicht verschliessen – im Gegenteil. Es gebe aber noch viele offene Fragen um On-Chain-Cash.

Beim Blick auf den Schweizer Tokenisierung-Markt hat man den Eindruck, dass das Entscheidende der Nachfragedruck der Kunden ist – der bei Anbietern wie Daura und Aktionariat eher dürftig war. Bei Kryptowährungen wie Bitcoin hat man gesehen, dass auch «konservative» Banken ein Angebot auflegten, als unübersehbar war, dass die Kunden dort investieren wollen. «Nachfragedruck spielt sicher eine wichtige Rolle, und wir sehen dieses Interesse aktuell stark wachsen», sagt Lidia Kurt. Dennoch sei das nur ein Teil des Puzzles. Im Gegensatz zu Kryptowährungen, bei denen eine völlig neue Asset-Klasse entstanden sei, handle es sich bei tokenisierten Wertpapieren vielmehr um ein technologisches Upgrade bestehender Anlageklassen.

Das bedeutet: Der Antrieb kommt hier oft nicht nur von der Investorenseite, sondern ebenso stark von Emittenten, Banken und Infrastrukturprovidern, die ihre eigenen Prozesse auf den neuesten technologischen Standard heben wollen, um effizienter, kostengünstiger und funktional flexibler zu werden. «Der Erfolg der Tokenisierung wird also nicht allein durch Kundennachfrage bestimmt, sondern auch durch das strategische Interesse der Marktinfrastruktur, sich zukunftsfähig aufzustellen», sagt die BX-Digital-CEO.

Effizienz ist der Treiber

Schliesslich sei es auch beim Wechsel von urkundlich verbrieften Wertpapieren zu elektronischen Registern nicht der Endkunde gewesen, der den Wandel forciert hat, sondern der Wunsch nach Effizienz und Modernisierung. Die Tokenisierung sei in dieser Entwicklung schlicht der nächste logische Schritt – hin zu noch mehr Automatisierung, Transparenz und Geschwindigkeit im Finanzmarkt. «Somit sind alle Finanzprodukte gleichermassen von der Entwicklung betroffen», sagt Kurt.

Die Banken, mit denen BX Digital zusammenarbeite, seien innovativ und im digitalen Bereich an vorderster Front. «Ihre Kooperation mit uns zielt darauf ab, ihr Angebot zu erweitern. Zudem gibt es niemand anderen, der das anbietet, was wir haben – den Blockchain basierten Handel mit tokenisierten Wertpapieren über einen Finma-regulierten Handelsplatz», sagt Kurt. Den Banken bleibe also keine andere Wahl, als zu BX Digital zu kommen, wenn sie diese Produkte wollten.

Banken wollen Innovation

Mit der Verwahrung auf der Blockchain entfallen für die traditionelle Finanzindustrie wichtige Arbeitsschritte wie das traditionelle Settlement und Custody und damit auch wichtige Einnahmenquellen. Das dürfte doch zu Widerstand bei Banken und Dienstleistern führen. «Das Custody fällt nicht weg. Dieses wird im digitalen Asset-Bereich direkt durch die Bank ausgeführt, die Wertschöpfungskette im Handel wird für die involvierten Banken noch tiefer», erklärt Kurt.

Auch im Bereich des Settlements hätten die Banken weiter wichtige Funktionen inne – Stichwort Corporate Actions. BX Digital werde also enger mit den Banken zusammenarbeiten und spüre keinen Widerstand – im Gegenteil. «Es wird begrüsst, dass sich der Schweizer Finanzmarkt innovativ aufstellt. Die Banken sehen, was im Ausland passiert, und wollen an der neuen Entwicklung dranbleiben», sagt die BX-Digital-Managerin.

Kurt sieht auch keinen Widerstand durch die Schweizer Banken, weil diese als Besitzerinnen der Schweizer Börse SIX, indirekt selbst am Konkurrenten SDX, dem digitalen Handelsplatz der SIX, beteiligt sind. In ihren Gesprächen mit Banken stelle sie nichts dergleichen fest, sagt Kurt. «Das grösste Interesse der Banken ist, dass der Finanzplatz kompetitiv und innovativ bleibt und sich global positionieren kann». Die Banken würden sehen, was im Ausland passiert und seien froh, dass es in der Schweiz auch Innovation gibt und dass es vorwärts geht.

Kommentar verfassen