
Die vierjährige Korrektur beim Nasdaq Biotech Index NBI ist zu Ende! Die historischen Höchststände aus 2021 am Ende der Covid-Hausse sind bereits in greifbarer Nähe. Noch im Mai dümpelte der richtungsweisende NBI unter 4000 Punkten, inzwischen liegt er 30% höher. Die beiden Schweizer Beteiligungsgesellschaften meldeten starke Quartals- und Halbjahreszahlen. Wie sind nun die weiteren Aussichten für den Biotech-Sektor?
Nach dem Covid-Impuls hatte der Biotech-Sektor die ganze Aufmerksamkeit der Investoren. Die Aktien haussierten. Angesichts der tiefen Zinsen und sprudelnder staatlich unterstützter Forschungsprogramme war die Risikoneigung ausgeprägt. Immerhin hatten BionTech und Moderna den Beweis angetreten, innerhalb bis dahin unvorstellbar kurzer Zeit eine Antwort auf die grassierende Pandemie zu finden. Danach jedoch traten andere globale Herausforderungen in den Vordergrund, vor allem Kriege und Aufrüstung, Lieferketten und Handelskonflikte.

Ende der Korrektur?
Hinzu kamen seit dem erneuten Wahlsieg von Donald Trump die grössten Zollerhöhungen seit dem Zweiten Weltkrieg und die Priorität des neuen US-Präsidenten, die Medikamentenpreise in den USA auf das Niveau der «meistbegünstigten» vergleichbaren Länder zu reduzieren. Das traf nicht nur die Pharma-Industrie bis ins Mark, sondern vor allem die Aktien der forschungsintensiven Biotech-Unternehmen. Der Sektor war bereits seit Jahren durch das höhere Zinsniveau auf einem gedrückten Bewertungsniveau. Teilweise lagen die Marktkapitalisierungen zahlreicher Biotechs sogar unter dem Cash-Bestand.
Trendwende und M&A Boom
Doch inzwischen hat die Richtung abermals gedreht. Der zuvor ausgebombte Life-Sciences-Sektor wurde in den letzten Monaten wiederentdeckt, gerade weil die Bewertungen so attraktiv geworden waren. Ein neuer Zinssenkungszyklus in den USA hat nach Ansicht der meisten Marktteilnehmer begonnen, auch wenn fraglich ist, ob die Inflation tatsächlich zurückgedrängt werden kann. Weiterer Auftrieb entsteht aus dem wiederbelebten M&A-Markt. Bis Oktober 2025 haben laut der Healthcare Investment Bank Leerink 22 Pharma-Biotech-Transaktionen im Wert von 62 Mrd. USD stattgefunden, eine deutliche Steigerung zu den 37 Mrd. USD im gesamten Jahr 2024. Konkrete Transaktionen geben Indikationen dafür, was industrielle Käufer für Unternehmen zu bezahlen bereit sind. Die hohen bezahlten Übernahmeprämien stimulieren die Fantasie der Anleger.
Neues Momentum im Biotech-Segment
Die verbesserten Marktbedingungen sorgten auch für eine Trendwende bei den beiden börsenkotierten Schweizer Beteiligungsgesellschaften mit Fokus auf Biotech respektive Healthcare. Bei HBM Healthcare wurden gleich drei Portfoliogesellschaften Ziel von werttreibenden Akquisitionen. Merus wird von der dänischen Genmab für 8 Mrd. USD übernommen. 89Bio erhielt von Roche ein Angebot über 3.5 Mrd. USD und Y-mAbs wurde von SERB Pharma für 412 Mio. USD erworben. Dazu kamen positive Nachrichten der Portfolio-Gesellschaften zu laufenden Studien, eine Zulassung in Japan und ein Lizenzabkommen mit Upside-Potenzial. Im ersten Geschäftshalbjahr zum 30. September 2025 verzeichnete HBM Healthcare einen Gewinn von 96 Mio. CHF, trotz widriger Wechselkursänderungen. Der Net Asset Value (NAV) der Beteiligungen erhöhte sich um 6,1%, der Aktienkurs um 4%. Auf dieser Basis errechnet sich ein Discount zum NAV von 28%. Im Oktober kletterte die Aktie nochmals um 10% auf rund 200 CHF. Im Juli lag der Kurs noch bei 160 CHF. Das historische Hoch war 2021 bei über 360 CHF erreicht worden.

Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Beteiligungsgesellschaften
Das Profil der Beteiligungsstrukturen ist bei den beiden Beteiligungsgesellschaften höchst unterschiedlich. Während BB Biotech auf Biotechnologie und nahezu ausschliesslich börsenkotierte Beteiligungen in den USA konzentriert ist, investiert HBM Healthcare nicht nur in Entwickler von Medikamenten, sondern auch in Medtech, Distribution oder Telemedizin. Der Schwerpunkt liegt auf privat gehaltenen Unternehmen, die bestenfalls ein IPO durchführen oder mit hohen Prämien von grösseren Life Sciences Unternehmen übernommen werden. So kommt es, dass 50% der Assets auf börsenkotierte Beteiligungen entfallen, wovon die Hälfte aus Private Equity Investments stammen, also Beteiligungsgesellschaften, die zwischenzeitlich an die Börse gegangen sind. 30% entfallen auf privat gehaltene Beteiligungen, der Rest auf Fonds und Liquidität.
Verschiedene Devisen-Exposure
Ein weiterer Unterschied liegt in der Diversifikation über Währungsräume. BB Biotech ist vollständig in US-Unternehmen investiert, bei HBM Healthcare entfallen dagegen 59% der Anlagen auf USD-Anlagen, jedoch 17% auf den Euroraum, 12% auf chinesische Anlagen und 5% auf indische. 47% der Portfoliogesellschaften sind profitabel, 12% haben ein Produkt am Markt und 35% befinden sich in Phase III oder II der klinischen Studien.
Aktie von BB Biotech steigt um 20% im Quartal
Bei BB Biotech dagegen stellen börsenkotierte Investments mit 96,6% der Anlagen die absolute Mehrheit, die Liquiditätsquote ist gering. Im dritten Quartal 2025 wurde die Anzahl der Beteiligungen von 23 auf 21 reduziert. Veräussert wurde u.a. Moderna. Die Erlöse wurden für Aufstockungen und ein neues Investment eingesetzt. Nach den jahrelang schwierigen Marktbedingungen für börsenkotierte Biotech-Aktien gelang BB Biotech im dritten Quartal ein furioses Comeback. Der NAV stieg um 24% in CHF und um 23,5% in USD, gegenüber 15,7% Performance beim Branchenindex NBI. Der Aktienkurs erhöhte sich um 20% in CHF und um 19,5% in USD. Nach einem Verlust von 157 Mio. CHF im dritten Quartal 2024 erzielte BB Biotech im dritten Quartal 2025 mit einem Gewinn von 448 Mio. CHF einen starken Swing zurück in die Gewinnzone.

Konzentriertes Portfolio
Die seit Jahresanfang unter dem neuen Geschäftsleiter Christian Koch fokussierte Anlagestrategie scheint sich also auszuzahlen. Alle Anlagen sind in USD denominiert. Nach Marktkapitalisierung betrachtet entfallen zum Stichtag am Quartalsende 28% auf Beteiligungen mit einem Börsenwert ab 30 Mrd. USD, weitere 40% auf die Kategorie 5-30 Mrd. USD sowie 27% auf 1-5 Mrd. USD. Weniger als 5% sind in Small-Caps investiert. Zwei Positionen im Portfolio liegen über 14%, die anderen 19 bewegen sich zwischen 0,1% und 9,3%.

Aussichten laut BB Biotech
Der weitere Ausblick für den Sektor ist laut BB Biotech zwar herausfordernd, jedoch auch chancenreich. Die demografische Entwicklung mit immer mehr älteren Menschen erhöht die Nachfrage nach wirkungsvollen Therapien für Zivilisationskrankheiten wie Krebs, Alzheimer und Parkinson. Zudem steht die Pharma-Industrie vor einer steil abfallenden Patentklippe. Big Pharma Unternehmen wie Astra-Zeneca, Roche, Merck und Pfizer werden daher weiterhin gezielte Übernahmen im Biotech Universum tätigen, um so das anorganische Wachstum zu beschleunigen. Die Fülle an neuen Technologien und auch der Einsatz von KI bringen den Life Sciences starke Impulse und hohe Produktivitätsgewinne. Die Kosten der Forschung und Entwicklung amortisieren sich somit schneller und steigern die Profitabilität früher. Positiv werden auch die sinkenden Finanzierungskosten eingeschätzt sowie die soliden Bilanzen der Biotech-Unternehmen. Die Aktivitäten der Regierungen zur Senkung der Medikamentenpreise und zu Kostenreduzierungen in den Gesundheitssystemen versteht BB Biotech als Anpassungen.
Branchenüberblick Schweizer Biotech Aktien
Mit einer Marktkapitalisierung von 2.7 Mrd. USD wird BB Biotech als das grösste börsenkotierte Biotech-Unternehmen der Schweiz eingestuft, auch wenn die Investments ausnahmslos in den USA angesiedelt sind. Nach Marktkapitalisierung folgt Kuros Biosciences mit 1.5 Mrd. USD. Es ist eine Erfolgsgeschichte. Noch 2023 bewegte sich die Aktie bei wenig über 1 CHF. Inzwischen pendelt die Aktie bei Kursen um 30 CHF. Eine weitere positive Überraschung stellt Idorsia dar. Die Market Cap beträgt 900 Mio. USD. Im ersten Quartal 2025 dümpelte die Aktie zeitweilig unter 70 Rappen, stieg jedoch seitdem in der Spitze auf fast 5 CHF. Bei Kuros und Idorsia gab es positive Entwicklungen, die den jeweiligen Kursanstieg begründen können. Im Ranking nach Market Cap folgt Basilea mit 740 Mio. USD. Der Kurs liegt auf dem Niveau von vor fünf Jahren. Abgeschlagen folgen Santhera Pharmaceuticals mit 165 Mio. USD und Molecular Partners mit 130 Mio. USD. In den Bereich der Micro-Caps abgerutscht sind Relief Therapeutics mit 44 Mio. USD, Addex Therapeutics mit 13 Mio. USD sowie Evolva mit 7 Mio. USD. Die seit 2022 an der SIX gehandelte Inkubatoren- und Beteiligungsgesellschaft Xlife Sciences meldete zuletzt einen Halbjahresverlust von 53 Rappen je Aktie. Der Kurs bewegt sich seitwärts um die 20 CHF-Marke. Die bisher schwache Kursentwicklung könnte durch das beabsichtigte Nasdaq-Listing von Veraxa aus dem Beteiligungsumfeld stimuliert werden.
BioVersys Update
Bei BioVersys, dem ersten IPO des Jahres an der SIX, ist der Kurs unter deutlich erhöhten Aktienumsätzen nach Ablaufen der Lock-up-Frist gesunken. Dem stehen weitere Entwicklungsschritte bei der Kommerzialisierung der Wirkstoffe gegen multiresistente Pathogene entgegen. Eine neue Partnerschaft mit dem japanischen Pharma-Konzern Shionogi soll die Entwicklung von BV500 beschleunigen. Eine globale Phase III Studie für den Kandidaten BV100 startet in Kürze. Das Studiendesign ist mit der FDA abgestimmt. Und der Kandidat Alpibectir wird mit dem Partner GSK weiterentwickelt. Die Kandidaten von BioVersys haben sowohl von der FDA wie deren europäischem Äquivalent EMA Orphan Drug Status verliehen bekommen, was bevorzugte und beschleunigte Zulassungsprozeduren sowie Marktexklusivität für 10 Jahre bedeutet. Die EIB hat Vergünstigungen bei einer bestehenden Kreditlinie eingeräumt. Dies alles sind deutliche Signale dafür, wie dringend neuartige und wirkungsvolle Antibiotika-Therapien in den Gesundheitssystemen benötigt werden. Das Gesamtbild ist für BioVersys seit dem IPO im Februar allenfalls noch überzeugender geworden.
Fazit
Bei den beiden börsenkotierten Beteiligungsgesellschaften HBM Healthcare und BB Biotech hat das Pendel wieder in Richtung Norden zu schwingen begonnen. Trotz der Risiken durch staatlichen Dirigismus, die ungelöste Zollproblematik und anhaltendem inflationären Druck, könnten sich doch die Auftriebskräfte weiter fortsetzen. Da die Bewertungen im Biotech Universum immer noch günstig sind, der M&A-Markt sich belebt und innovative neue Therapien verstärkt für Schlagzeilen sorgen werden, bleiben die Perspektiven für Investoren gut. In aller Regel ist der Biotechmarkt von langen Aufschwungphasen geprägt, die von Phasen der Abkühlung unterbrochen werden. Die Eiszeit scheint im dritten Quartal geendet zu haben. Die Einschätzung von Dezember 2024, dass die Korrekturphase an ihrem Ende ankommt, hat sich somit bestätigt, auch wenn die Kurse zunächst noch tiefer gingen.





