Schweizer Automobilzulieferer: Im perfekten Sturm

Ein Blick auf die kleineren Unternehmen der Industrie. Welche Aktien haben das Jammertal bald durchschritten?

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Klingelnberg
Schweizer Autozulieferer, hier eine Produktionsstätte von Klingelnberg, sind im perfekten Sturm: Starker Franken, US-Importzölle, eine Krise in Deutschland und die schwache Konjunktur belasten den Absatz. Bild: klingelnberg.com

Die Schweiz hat keine eigene Autoindustrie, trotzdem ist die Krise der Branche hierzulande spürbar. Zahlreiche Schweizer Unternehmen sind als Zulieferer teilweise oder vollständig von der Automobilbranche abhängig. Und diese hat wegen der Wirtschaftslage, falscher Modellstrategien und fehlender E-Mobilitäts-Konzepten gravierende Probleme – insbesondere die Hersteller aus Deutschland.

Der Autozulieferer Bosch hat im laufenden Jahr im nördlichen Nachbarland den Abbau von 13’000 Stellen weltweit angekündigt, der Konkurrent ZF Friedrichshafen baut bis zu 14’000 Arbeitsplätze ab. Bereits einige Monate davor hat die Huber Automotive AG in Göppingen einen Insolvenzantrag gestellt, und auch die MVI Group in Wolfsburg steckt in einem Insolvenzverfahren. Die Zulieferer sind nicht mehr wettbewerbsfähig insbesondere gegenüber der Konkurrenz aus Asien. 2019 waren bei den Autofirmen in Deutschland fast 840’000 Personen beschäftigt, aktuell sind es noch 720’000. Er gehe davon aus, dass im Zulieferfeld bis ins Jahr 2030 nochmals rund 100’000 Arbeitsplätze in Deutschland wegfallen, sagte Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer gegenüber deutschen Zeitungen.

Monate mit Schreckensmeldungen

Diese Megakrise beim Nachbarn und wichtigen Exportpartnern zeigt auch Spuren in der Schweiz. Laut einer Studie der Universität Zürich arbeiten in der Schweiz rund 32’000 Personen in der Branche der Zulieferer. Es sind vor allem auch viele kleinere und mittelgrosse Betriebe, die zusammen einen Umsatz von 13 Mrd. CHF generieren. Hier einige Meldungen aus den vergangenen Monaten: Der Autozulieferer Druckguss-Systeme St. Gallen (DGS) verlagert den Guss von Aluminiumteilen nach Tschechien. 80 Mitarbeitende verlieren ihren Job. Der Industriekonzern SFS schliesst sein Werk in Flawil (SG), ein Drittel der betroffenen 110 Arbeitsplätze wird verlagert, 75 Jobs fallen weg. Der Arboner Autozulieferer Mubea streicht 100 weitere Arbeitsplätze. Schon im letzten Frühling hat das Unternehmen 130 Leute entlassen. Am Standort Arbon werden in Zukunft noch 35 bis 40 Leute arbeiten. Der Autozulieferer Thyssenkrupp Presta verringert seine Belegschaft in der Schweiz und in Liechtenstein um gut einen Viertel und streicht Hunderte Stellen.

Der Aktienkurs von Feintool befindet sich auf einem Allzeittief. Chart: six-group.com

Doch auch Gesellschaften im ausserbörslichen Bereich und kleine an der SIX kotierte Unternehmen haben zu kämpfen. Etwa der Automobilzulieferer Feintool aus Lyss. Das Unternehmen verzeichnete schon im vergangenen Jahr einen Verlust, und nun zeigt sich, dass die Krise anhält. Der Umsatz ging weiter zurück, das Unternehmen ist in den roten Zahlen. Auch die Luzerner Komax, ein Hersteller von Kabelverarbeitungsmaschinen, hat viele Kunden in der Autoindustrei und steckt in der Krise. Im ersten Halbjahr verzeichnete das Unternehmen einen Umsatzrückgang von gut 13%, der Gewinn brach in dieser Periode sogar 40% ein. Nach Stellenstreichungen im Vorjahr will Komax weiter abbauen: 200 Stellen von insgesamt 3400 sollen weltweit wegfallen. Der Geschäftsgang spiegelt sich auch im Aktienkurs: Seit Anfang August haben die Titel über 40% verloren.

Stabilität als Nachteil

Feintool produziert an seinen Umformstandorten in Deutschland, den USA und China nach eigenen Angaben jährlich rund 22 Millionen hochpräzise Teile. Bild: feintool.com

Den Zollsatz von 39%, der vorübergehend galt, habe Komax nicht an US-Kunden weitergeben können. Den US-Basiszoll von 10% seit April habe man dagegen vollständig auf die Abnehmer überwälzen können. Von daher sind die nun in Aussicht gestellten 15% eine grosse Erleichterung, doch Unsicherheit ist weiter in der Luft. Der Handelskrieg beherrscht die Weltwirtschaft schon seit Monaten, und solche Unwägbarkeiten sind schlecht fürs Investitionsklima und damit schlecht für Unternehmen, die teure Maschinen oder Technologien herstellen – wie ein bedeutender Teil der Schweizer Industrie.

Umgekehrt ist die Schweiz in geopolitischen Turbulenzen stets ein sicherer Hafen für internationale Gelder. Die Folge: Der Franken wertet sich auf. Für exportorientierte Schweizer Unternehmen ist das ein Problem, denn der seit Jahren gegenüber den wichtigen Handelswährungen stärker werdende Franken macht ihre Produkte im Ausland teurer und schwächt damit die Nachfrage – zusätzlich zum schwierigen Investitionsklima und den Zöllen in den USA. Feintool hat wegen der Wechselkursprobleme bereits 2024 angekündigt, die Grossserienproduktion aus der Schweiz nach Tschechien zu verlagern. So hat Feintool weniger Kosten in Franken.

E-Mobilität schwächelt auch

Der Zahnradschleifmaschinenhersteller Klingelnberg verzeichnet – wegen der schwachen Konjunktur der Automobilindustrie – für das erste Semester des Geschäftsjahres 2025/2026 per Ende September einen Umsatzrückgang um 18% auf 104 Mio. EUR. Das führte zu einem Betriebsverlust von 13 Mio. EUR. In der Vorjahresperiode kam das Unternehmen noch knapp in die schwarzen Zahlen. Zwar verwies das Management auf den Auftragseingang, der deutlich anzog auf 120 Mio. EUR. Dieser Wert belief sich allerdings vor zwei Jahren im ersten Halbjahr noch auf 180 Mio. EUR. Der Maschinenbauer setzt auf Diversifikation der Abnehmer, so gewinnt der Absatz von Zahnradmaschinen an die Rüstungs- und Luftfahrtindustrie an Bedeutung, und die Windenergie bleibt ein wichtiger Abnehmer. Das erste Halbjahr ist bei Klingelnberg zudem immer deutlich schwächer als das zweite. Dieses Jahr ist die Saisonalität gemäss Management besonders ausgeprägt. Das Unternehmen will im Geschäftsjahr auf Stufe EBIT schwarze Zahlen schreiben.

Chart Klingelnberg Nov25
Aktienkurs von Klingelnberg in CHF. Chart: six-group.com

Ähnlich sieht es bei Reishauer Beteiligungen aus, einem Hersteller von Schleifmaschinen, die in der Automobilindustrie eingesetzt werden. Das Schweizer Unternehmen setzt sich aus der Reishauer AG und der deutschen Felsomat GmbH & Co. KG zusammen. Wie viele Anbieter setzte auch Reishauer auf einen raschen Siegeszug der E-Mobilität – dieser geriet jedoch im vergangenen Jahr ins Stocken. Insbesondere Felsomat setzte auf eine neue Technologie (Stator-Fertigung) und rutsche im vergangenen Jahr in die Verlustzone. Zur Schwäche der Automobilindustrie kommt hinzu, dass das Unternehmen im US-Markt, der gerade wieder anzieht, stark von Importzöllen betroffen ist – die nun zumindest deutlich tiefer ausfallen dürften.

Aktien reagieren unterschiedlich

Die Aktien der kotierten und nicht kotierten kleineren Schweizer Autozulieferer bewegen sich aber nicht im Gleichschritt. Es gibt zahlreiche Faktoren, die entscheidend sind. Welche Konzerne werden beliefert? So haben europäische Hersteller deutlich mehr Probleme als jene in Übersee und China. Wird auch der aufstrebende Markt der E-Autohersteller bedient oder beschränkt sich die Produktpalette auf Verbrenner? Zudem ist auch ausschlaggebend, in welcher Phase des Abschwungs sich ein Unternehmen befindet. Hat der Bestellungsrückgang oder die Preisabschläge erst richtig eingesetzt oder ist das Unternehmen schon mehrere Quartale unter Druck und hat die notwendigen Restrukturierungen und Anpassung vorgenommen?

DIe Aktie von Autoneum konnte innert Jahresfrist um fast 50% zulegen. Chart: six-group.com

Ein Beispiel dafür ist etwa Autoneum, obwohl das Unternehmen aus Winterthur, das Komponenten für Lärm- und Hitzeschutz für Fahrzeuge herstellt, mit 15’000 Mitarbeitenden und einen Vorjahresumsatz von 2.3 Mrd. CHF nicht zu den «Kleinen» gehört. Die Titel beliefen sich anfangs 2018 auf fast 300 CHF und haben seither über Jahre zu Schwäche tendiert und notieren aktuell auf knapp 150 CHF. In diesem Jahr gehören die Titel mit einer Avance von 26% jedoch zu den besten Titeln an der Schweizer Börse – ohne dass Spektakuläres vorgefallen wäre; aber Zahlen und Ausblick stabilisieren sich.

Profiteur der Einigung im Zollstreit

Mit dem Halbjahresabschluss bestätigte das Autoneum-Management die Jahresprognose: von 2.3 bis 2.5 Mrd. CHF Umsatz; dies umfasst die jüngste Akquisition der Jiangsu Huanyu Group in China. Die EBIT-Marge soll sich auf 5 bis 6% belaufen, und zudem wird ein freier Cashflow von 100 Mio. CHF prognostiziert. Dank Produktionsstätten in 25 Ländern ist Autoneum gut positioniert, um die Auswirkungen der neuen Handelszölle abzufedern. Mit dieser Produktionsstrategie ist Autoneum auch von der Frankenstärke weniger betroffen als viele Mitbewerber.

Der Kurs der Komax-Aktien hat sich in den letzten zwölf Monaten halbiert. Chart: six-group.com

Komax wird allgemein zu den grössten Profiteuren der Anpassung des Import-Zollsatzes für die USA angesehen. Das dürfte für die Aktien etwas Entspannung bringen, denn Komax durchläuft eine schwierige Phase. Im ersten Semester ist der Kabelmaschinenbauer von der konjunkturellen Flaute stärker getroffen worden als erwartet. Das Unternehmen rutschte in die roten Zahlen. Wichtig wäre für Komax, in China Marktanteile zu gewinnen. Das Unternehmen hat jüngst einen chinesischen Mitbewerber wegen Patentverletzung verklagt. Nach dem schwachen jüngsten Ergebnis wurden sowohl die Zahlen für 2025 als auch für 2026 nach unten revidiert. Die Aktien tendieren seit März 2023 zur Schwäche. Der jüngste Zollentscheid brachte nur wenig Entspannung.

Wenn die Nacht am dunkelsten ist…

Für die Feintool-Aktien gibt es wenig Grund zur Hoffnung. Der Umsatz des auf Feinschneiden, Umformen und Elektroblechstanzen spezialisierten Metallverarbeiters hat in allen Märkten wegen Währungseinflüssen und tiefen Verkaufspreisen nachgegeben. Das Unternehmen schreibt rote Zahlen, und die Aktie notiert unter 10 CHF auf einem Allzeittief. Das wiederum eröffnet ein gewisses Potenzial – viel tiefer kann es nicht mehr gehen. In China und in den USA, den aktuell besseren Automärkten, wurde investiert, das laufende Restrukturierungsprogramm zeigt erste Effekte, und dank Einsparungen wurde die Gewinnschwelle herabgesetzt.

Bei Klingelnberg lässt sich der Umfang des Desinteresses der Investoren am Unternehmen kaum erklären – die Aktien haben im laufenden Jahr einen Viertel an Wert verloren. Die Marktkapitalisierung mit knapp 100 Mio. CHF entspricht einem Abschlag von rund 30% auf das Eigenkapital. Bei den ersten Anzeichen von leichtem konjunkturellem Rückenwind sollten auch hier die Titel des gut positionierten Unternehmens Auftrieb erhalten.

Chart Reishauer Nov25
Aktienkurs von Reishauer Beteiligungen in CHF. Quelle: otc-x.ch

Der Aktienkurs von Reishauer Beteiligungen ist auf OTC-X vor Kurzem auf ein Allzeittief von unter 14’000 CHF gefallen. Zu Jahresbeginn notierten die Titel noch über 20’000, vor fünf Jahren über 50’000 CHF. Zuletzt legten die Titel bei hohem Volumen etwas zu. Doch die Krise ist noch lange nicht ausgestanden. Zudem ist der Basiseffekt negativ: In den Jahren 2023 und 2024 fielen jeweils Rekordumsätze an, sodass die kommenden Resultate eher bescheiden aussehen werden. Entscheidend für das Unternehmen wird sein, wie sich der E-Autobau in Deutschland entwickelt.

Ausgewählte Schweizer Autozulieferer

(alle Kurse in CHF)
Name Kurs 25.11.25 Performance 2025
Feintool 9.60 -29.9%
Komax 63.20 -45.0%
Klingelnberg 10.05 -24.2%
Reishauer Beteiligungen* 13500.00 -35.2%
Autoneum 150.60 25.9%
*Handel auf OTC-X

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