Idée Coopérative: Genossenschaft als Rechtsform der Zukunft?

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Neben den über 110’000 Aktiengesellschaften in der Schweiz wirkt die Anzahl der Genossenschaften verschwindend klein. Bloss etwas über 8’000 Unternehmen und Organisationen wirtschaften unter dieser Rechtsform. Eigentlich erstaunlich, wenn man bedenkt, dass im Gegensatz zur Aktiengesellschaft bei der Gründung einer Genossenschaft kein gesetzlich festgelegtes Mindestkapital vorgewiesen werden muss. Somit kann grundsätzlich beinahe jede Interessensgemeinschaft eine Genossenschaft gründen, insofern das Minimum von sieben Genossenschaftern erfüllt ist. Diesem Ungleichgewicht widmet sich die neu aus der Interessensgemeinschaft Genossenschaftsunternehmen hervorgegangene Idée Coopérative. Der von ihr in Auftrag gegebene Genossenschaftsmonitor 2020 untersucht die Bedeutung der Genossenschaften für die Schweizer Gesellschaft.

Migros-Präsidentin Ursula Nold (2. v.r.) gab in Bern die Gründung der Idée Coopérative bekannt. Bild: ideecooperative.ch

Auch im Charakter bestehen gewisse Unterschiede zwischen einer Genossenschaft und einer Aktiengesellschaft, steht bei erstgenannter doch die Erfüllung der wirtschaftlichen Interessen aller Stakeholder im Vordergrund. Dies akzentuiert sich durch das Prinzip «eine Person, eine Stimme», wonach jeder Genossenschafter, jede Genossenschafterin kapitalunabhängig einen gleich grossen Stimmanteil besitzt.

Genossenschaft als nachhaltige Lösung

Obwohl in der Schweiz in den letzten Jahren die Anzahl der registrierten Genossenschaften stetig abgenommen hat, bietet die Rechtsform durchaus einige Vorteile. Wie erwähnt ist das Ziel einer Genossenschaft in erster Linie das Vertreten und Verfolgen gemeinschaftlicher Interessen. So soll auch verhindert werden, dass sich eine Einzelperson durch die Genossenschaft bereichert. Dass dies jedoch nicht immer funktioniert, zeigten die Probleme bei der Raiffeisen Bank in den letzten Jahren auf. Die Bank sah sich anschliessend gar gezwungen zu prüfen, ob das Genossenschaftsmodell für eine Bank dieser Grössenordnung überhaupt noch passend ist.

Die Bekräftigung zu dieser Gesellschaftsform und damit gegen eine Aktiengesellschaft bestätigt, wie attraktiv Genossenschaften nach wie vor sind. Durch die Diversität der einzelnen Genossenschafter wird automatisch ein auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Geschäftsmodell generiert. Diesen Punkt unterstreicht Ursula Nold, Präsidentin des Migros-Genossenschafts-Bunds und der Idée Coopérative. «Genossenschaften treffen den Zeitgeist. Denn das Genossenschaftsmodell bietet sich als moderne, nachhaltige Lösung für viele aktuelle Herausforderungen an. Die Idée Coopérative will zu mehr kooperativem Unternehmertum und damit zu mehr Selbstverantwortung in Wirtschaft und Gesellschaft beitragen», sagt sie anlässlich einer Medienkonferenz zur Gründung der Genossenschaft für Genossenschaften Idée Coopérative.

Zentrale Austauschstelle

Was ist eine Genossenschaft für Genossenschaften? Ziel der Idée Coopérative ist die Schaffung einer zentralen Austauschstelle für grosse und auch kleine Genossenschaften, und dem Geschäftsmodell so neuen Schwung zu verleihen. Gemäss Geschäftsführer Henrik Schoop beschränkt sich dies jedoch nicht auf den Informationsaustausch. Die aus dem forschungsfokussierten Verein Interessensgemeinschaft Genossenschaftsunternehmen hervorgegangene Idée Coopérative will selbst Daten und Wissen generieren und so einen Mehrwert für die Gesellschaft schaffen. Zudem will sie sich im politischen Prozess für die Anliegen der Genossenschaften einsetzen.

Interessant ist auch die sehr heterogene Zusammensetzung der Idée Coopérative. Neben bekannten, grossen Genossenschaften wie der Migros oder der Raiffeisen Bank lassen sich auch kleinere Genossenschaften beispielsweise aus der Musikbranche finden. Durch die Idée Coopérative als Forum entsteht so ein Austausch zwischen diversesten Industriesektoren auf Augenhöhe. Auch einige über die Handelsplattform OTC-X gehandelte Unternehmen sind Genossenschaften. Aus dem Bankensektor ist dies beispielsweise die WIR Bank, welche auch bereits Mitglied der Idée Coopérative ist. Weitere Beispiele von ausserbörslich gehandelten Genossenschaften sind die Biene Bank Rheintal oder aus dem Tourismus die Lenk Bergbahnen.

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