Clariant: Profitabler Spielball internationaler Investoren im M&A Puzzle

Spekulation der aktivistischen Fonds ging auf – Saudis mit strategischen Plänen nach Absage des Aramco IPOs

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Bis Ende 2016 bewegte sich die Clariant Aktie jahrelang, wenn auch unter Schwankungen, in einem langweiligen Seitwärtstrend um die 18-CHF-Marke. Viel Fantasie konnten die Anleger nicht erkennen, der Ausblick war bestenfalls verhalten. Dann jedoch betraten 2017 aktivistische Hedge Fonds die Arena – und ein neues, und im Ergebnis noch offenes Kapitel in der Unternehmensgeschichte begann. Bietet der Einstieg des saudischen industriellen Investors SABIC jetzt eine zweite Chance für spekulative Investoren?

Kursverlauf der an der SIX Swiss Exchange kotierten Clariant-Aktie in den letzten drei Jahren. Quelle: six-swiss-exchange.com

In den letzten Monaten des Jahres 2016 dümpelte die Clariant-Aktie bei 15 bis 17 Franken herum und wurde überwiegend als kaum interessant eingestuft. Doch mit Beginn des Jahres 2017 startete die Aktie zu einer Klettertour, die erst Anfang 2018 bei 29.48 CHF ihren Höhepunkt sah. Insgesamt drei aktivistische US-Investoren hatten sich 2017 nennenswert bei Clariant eingekauft. Ihr Ziel war eine Zerlegung und der Abverkauf der Einzelteile, weil die in Summe nach ihrer Analyse mehr wert seien als die seinerzeitige Bewertung an der Börse ausmachte. White Tale, so der Name des Übernahmevehikels, war von den US-Finanzinvestoren eigens zum Zweck der Übernahme von Clariant ins Leben gerufen worden.

20 Mrd. USD Huntsman-Merger blockiert

Die vom Clariant Management verfolgte 20-Mrd.-USD-Fusion mit dem amerikanischen Spezialchemie-Unternehmen Huntsman wurde bereits im Mai 2017 angekündigt, jedoch in der Folge von den amerikanischen Investoren verworfen. Die hatten Anfang Juli 2017 ihre Beteiligung bekannt gegeben, die zunächst bis zu 20% reichte, später jedoch auf 24,99% erhöht wurde. Das reichte, um die Huntsman-Transaktion zu blockieren, die dann im Oktober abgebrochen wurde. Der Aktienkurs von Clariant hatte Anfang Juli die 22-CHF-Marke von unten nach oben durchbrochen und bewegte sich bei Abbruch der Huntsman-Transaktion im Oktober bei 24 CHF.

Verkauf von 24,99% an SABIC

Mitte Januar 2018 kam ziemlich überraschend die Meldung über den Verkauf des „strategischen“ 24,99%-Aktienpakets an Saudi Basic Industries (SABIC), woraufhin der Kurs innerhalb des folgenden Handelstages um über 10% nachgab. Die aktivistischen Amerikaner hatten schwindende Chancen für die Realisierung ihrer Pläne gesehen und damit das Risiko, dass ihre bis dahin erzielte sehr gute Rendite durch schwächere Kurse geschmälert werden würde. Insofern war der Verkauf auf dem erhöhten Kursniveau mit einem Kursgewinn von über 30% opportun.

SABIC ist vielleicht wenig bekannt, ist jedoch weltweit der viertgrösste Spezialchemiekonzern. Mit Clariant ist SABIC schon länger verbunden, durch ein Joint Venture und eine gleichzeitig eingegangene Beteiligung der Saudis an Clariant. Die SABIC-Aktie ist in Riyadh börsenkotiert und weist derzeit eine Marktkapitalisierung von über 100 Mrd. USD auf. Der Free Float ist jedoch gering. Mehrheitsaktionär ist der saudische Public Investment Fund, der Sovereign Wealth Fund Saudi-Arabiens. Die Beteiligungsquote liegt bei 70%.

Aramco kauft SABIC

Dann, am 23. Juli, bekundete Aramco, der Öl- und Gas-Riese, der sich im Besitz der Regierung und damit des saudischen Königshauses befindet, die Absicht, die Mehrheit an SABIC zu erwerben, bevorzugt das 70%-Paket des Staatsfonds. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Mär vom „grössten IPO aller Zeiten“ – geplant war ein Emissionsertrag von 100 Mrd. USD für 5% – immer noch aufrechterhalten, wenngleich seit Monaten die Chancen schlechter zu werden schienen. Indikator war u.a., dass seit April keine Gebühren mehr an die involvierten Banken bezahlt wurden.

Aramco-IPO findet nicht statt

Der Börsengang von Aramco war vom Thronfolger Mohammed bin Salman als wesentlicher Bestandteil seiner „Erneuerungspolitik“ betrieben worden, die eine Modernisierung und Diversifizierung der Wirtschaft zum Gegenstand hat. Obwohl bereits Banken für das Mega-IPO mandatiert waren und fortgeschrittene Gespräche mit verschiedenen Börsenplätzen im Gang waren, kam am 27. August das Aus für das Aramco-IPO, weil der König es so entschieden hatte. Kritiker hatten seit Jahren an dem Börsengang gezweifelt, während Banker und Berater sich in Erwartung der gigantischen Gebühren vor Vorfreude die Hände wund gerieben hatten.

Das Hauptargument gegen ein Aramco-IPO zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist, dass sich das Königshaus in Finanzangelegenheiten bedeckt halten und Externen keine Einblicke gewähren will. Ein anderer Aspekt ist, dass der König eben immer noch das letzte Wort hat, was den hochfliegenden Plänen des Thronfolgers etwas die Flügel stutzt.

Strategische Beteiligung an Clariant

Die Frage ist, was bedeuten die innersaudischen Entscheidungen und Strategien für Clariant im Lichte der Tatsachen, die man erhält, wenn die Puzzle-Teile richtig zusammengesetzt werden? Top-Down betrachtet bleibt es in Saudi-Arabien bei dem Ziel, die Wirtschaftsstruktur zu modernisieren, eigene Mehrwert-Industrien aufzubauen und zu diversifizieren. Aramco soll mehr werden als ein Produzent und Verkäufer von Rohöl und, über Tochtergesellschaften, einfachen petrochemischen Produkten. SABIC passt in die Strategie, und wer die jüngsten Meldungen von Clariant liest, sieht, dass der neue Grossaktionär emsig an der Umsetzung der Strategie arbeitet. Eine neue Geschäftseinheit von Clariant soll sich auf Hochleistungswerkstoffe konzentrieren, die in Verbundwerkstoffe spezifische Eigenschaften einbringen, etwa Korrosionsbeständigkeit oder Flammschutz. Den grösseren Teil bringt SABIC ein, die Gesellschaft hatte 2007 GE Plastics übernommen.

Laut Plan soll dadurch Clariant bis 2021 um 40% auf 9 Mrd. CHF Umsatz wachsen, die EBITDA-Marge soll von 13% auf 20% ansteigen. Mit dieser Perspektive scheint die Clariant-Aktie neue Kursfantasie zu entwickeln, denn starkes Umsatzwachstum bei gleichzeitiger Steigerung der Profitabilität sollte sich auch in der Kursentwicklung widerspiegeln.

Übernahme wahrscheinlich

Weniger langfristig gedacht könnte die Aktie unter den veränderten Bedingungen jedoch auch schnell Gegenstand eines Übernahmeangebots durch die Saudis werden. Abgesehen von einigen Überlappungen passt Clariant bestens in deren sich abzeichnende Expansionsstrategie. Doch strategische Entscheidungen kann letztlich nur ein Mehrheitsaktionär treffen, weswegen eine Übernahme eigentlich sehr wahrscheinlich ist. Nach Ansicht von Analysten ist in diesem Fall ein Preis von 35 CHF bis 40 CHF zu erwarten. Nach monatelanger Konsolidierung ist die Clariant-Aktie zuletzt deutlich angesprungen und liegt aktuell bei 25.50 CHF.

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