Birgitte Olsen, BB Entrepreneur Switzerland: «Familienunternehmen finanzieren ihr Wachstum mit dem Cashflow»

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Der Fonds BB Entrepreneur Switzerland investiert in börsennotierte eigentümergeführte Unternehmen in der Schweiz, welche von einem Unternehmer oder einer Unternehmerfamilie mit mindestens 20% der Stimmrechtsanteile kontrolliert und massgeblich beeinflusst werden. Das Management Team der Bellevue Asset Management identifiziert mittels eines fundamentalen Bottom-up-Ansatzes die attraktivsten eigentümergeführten Unternehmen mit kleiner, mittlerer als auch grosser Marktkapitalisierung und konstruiert aus 40 bis 50 Titeln ein über Sektoren diversifiziertes Portfolio.

Birgitte Olsen, CFA, ist seit 2008 als Senior Portfolio Manager BB Entrepreneur-Strategien bei Bellevue Asset Management tätig. Davor war sie über neun Jahre bei Generali Investments in Köln als stv. Leiterin für das Portfolio Management Aktien Europa zuständig. Olsen hat ein Studium in der Vertiefungsrichtung Finanz- und Rechnungswesen an der Universität St. Gallen abgeschlossen.

Frau Olsen, welches sind die Vorteile von eigentümergeführten Unternehmen?

Wir versprechen uns von familiengeführten Unternehmen eine höhere Rendite als im breiten Markt. Diese Unternehmen haben extrem solide Bilanzen, Leverage finden sie nicht attraktiv. Sie mögen keine Abhängigkeiten von Banken und vom Kreditzyklus, ihre Eigenkapitalquoten betragen im Schnitt über 60%. Man könnte jetzt behaupten, diese Firmen seien überkapitalisiert und hätten Bilanzen, die nicht effizient sind. Aber ihr Return on Equity (RoE) ist letztendlich höher als der Schnitt.

Was hat diese solide, aber wenig lehrbuchmässige Bilanzierung für Folgen?

Es macht die Unternehmen krisenresistent. Wir versprechen uns dadurch eine höhere Rendite und auch eine geringere Anfälligkeit bei Krisen, wie in 2008, wo wir ein systemisches Problem in der Finanzindustrie hatten, aber auch in rezessiven Zeiten wie 2011 und natürlich auch in der Zukunft. Ein Stockpicking in diesem qualitativ überdurchschnittlichen Umfeld zu machen, finde ich hoch attraktiv.

Warum die Grenze bei 20%? Bei 20% haben die Eigentümer ja gar keinen grossen Einfluss.

Studien der Universität St. Gallen zeigen, dass der Sweet Spot für den Minderheitsaktionär bei 20 bis 30% liegt. Wenn der Gründer oder die Familie einen grösseren Anteil am Unternehmen besitzt, dann ist man als Minderheitsaktionär eine Quantité négligable. Ist der Anteil aber zu klein ist, besteht für eine Familie wenig Anreiz, sich zu engagieren. Für uns ist es wichtig, dass die Familie, der Gründer undiversifiziert ist. Also sein Vermögen zu mindestens 60% in das Unternehmen investiert. Er ist also das Gegenteil von uns Investoren, die ihre Eier in mehrere Körbe legen.

Wie sieht es in solchen Unternehmen mit dem Minderheitenschutz aus?

Zum einen hat sich das Reporting dramatisch verbessert. Zum anderen attestiert man Familienunternehmen ein hohes Corporate-Governance-Bewusstsein. Bei Familienunternehmen ist die Verweildauer eines CEO mit acht Jahren doppelt so hoch wie bei anderen Firmen, das heisst, hier kann ich von einer kongruenteren und langfristigeren Strategie ausgehen, als wenn der CEO alle vier Jahre wechselt. Das kommt uns als Aktionär zu Gute.

Familienstreitigkeiten wie bei Sika können ein Unternehmen an den Rand ihrer operativen Möglichkeiten bringen.

Was wir nicht wollen, sind Situationen, wo Familien und Management im Streit sind. Das ist eine unproduktive Situation. Wir wollen, dass die Familie kraft ihres Investments dem Management – im positiven Sinne – auf kreative Art im Nacken sitzt. Wir haben unsere Sika-Position daher auch verkauft, als die Streitigkeiten begonnen haben. Später sind wir dann später wieder eingestiegen, denn Sika ist im Grunde genommen ein tolles Unternehmen.

Nennen Sie uns aus Ihrer Sicht positive Beispiele von familiengeführten Unternehmen.

Die Schweiz ist reich an guten Beispielen. Der SPI hat in den letzten zehn Jahren etwas über 100% gemacht, hingegen Sika in der gleichen Zeitspanne über 1’000%, Partners Group fast 1’000%, Bossard 800%, auch Belimo konnte fast 700% Rendite erwirtschaften. Aber auch mit Unternehmen, die in der Öffentlichkeit als nicht ganz einfach gelten, wie zum Beispiel Swatch, hätten Sie den SPI in der Zehnjahresperiode geschlagen. Swatch ist gut geführt, auch wenn Herr Hayek immer mal wieder Analysten und Journalisten unsanft anpackt. Die Kostenkontrolle ist extrem verlässlich, der Hauptsitz sieht nicht aus wie ein Mausoleum, sondern wie der eines Industrieunternehmens. Dies ist schon auffällig, da Swatch in der Luxusbranche arbeitet und hier eigentlich mehr Luxus zeigen könnte.

Hayek hat in Krisenzeiten auch keine Mitarbeiter entlassen.

In den drei Jahren „Wüste“, als China der Swatch Group grosse Probleme bereitet hat, hat er an den Mitarbeitern festgehalten. In Deutschland hat der Staplerhersteller Jungheinrich in der Krise zu seinem Ingenieur gesagt, jetzt musst Du Gabelstaplerfahrer werden, weil ich Dich nicht bezahlen kann. Aber nach der Krise musste das Unternehmen dann keine neuen Ingenieure suchen und konnte auf seine bewährte Kompetenz zurückgreifen und damit auch schneller Marktanteile zurückgewinnen.

Es fällt auf, dass die Performance Ihres Fonds sich über lange Zeit parallel zur Benchmark, dem SPI, entwickelt hat. Erst ab 2015 und den folgenden Jahren ist eine Outperformance festzustellen. Was sind die Gründe dafür?

Wir haben seit der Auflegung des Fonds bis 2015 annualisiert um 5,8% zugelegt, der SPI um 4%. Die Ausweitung der Rendite des Fonds seither ist sicher auf die stärkere Gewichtung der Smallcaps im Portfolio zurückzuführen.

Kursentwicklung des BB Entrepreneur Switzerland (blau) gegenüber dem SPI (grau). Quelle: bellevue.ch

2018 hinken Sie der Benchmark hinterher. Warum?

2017 hatten wir synchrones Wachstum weltweit, keine Inflation und an den Aktienmärkten eine selten gesehene, tiefe Volatilität. Mit den von Trump vom Zaun gebrochenen Handelsstreitigkeiten sehen wir uns in diesem Jahr am Ende dieser traumhaften Zustände. Man sieht, dass die KGV von defensiven Werten zunehmen und diejenigen von Zyklikern stark abnehmen. Wir sind strukturell untergewichtet in Pharma und Food, und da Nestlé, Novartis und Roche 50% des SPI ausmachen, ist damit unsere negative Performance von 2,5% in diesem Jahr zu erklären.

Sie prophezeien ein Comeback der Zykliker. Wie gehen Sie jetzt weiter vor?

Wir prophezeien das, was wir schon haben. Wir sind ja weder Value noch Growth, wir sind opportunistisch, aber es fällt auf, dass Value zunehmend attraktiv wird. Bobst, die schon, bevor sie um 40% verloren hatten, mit einem KGV von 16 ein recht günstiger Industriewert war, ist jetzt mit einem Wert von 12 noch dramatisch günstiger. Während die P/Es von den Straumanns und Temenos dieser Welt stetig hochgehen, fallen diejenigen von Value-Werten, vor allem wenn sie zyklisch sind. Deshalb finden wir es sehr interessant, dort nachzukaufen.

Wir haben also bei Bobst aufgestockt. Auch bei Clariant, nachdem sie jetzt einen neuen Hauptaktionär haben. Wir sehen da M&A-Fantasie, da SABIC mit der Gruppe einiges vorhat.

Value hat während der letzten zehn Jahre um 50% schlechter performt als Growth, in diesem Jahr 6%. Im letzten Monat hat sich das gedreht. Das hängt natürlich mit den Zinsen zusammen und einer gewissen Inflationsperspektive. Unter solchen Vorzeichen wird Value wieder eher goutiert.

Sie sehen also Inflationsdruck?

Rohmaterialen, Löhne, Ermangelung an Komponenten von Zulieferern, die deshalb teurer werden: In der ganzen Value Chain gibt es einen leichten Inflationsdruck. Deshalb gehe ich davon aus, dass Value nicht mehr so abgestraft wird.

Kommen wir zur Finanzierung von familiengeführten Unternehmen. In den letzten Jahren hätten gut finanzierte Unternehmen Kredite aufnehmen oder Bonds mit einem Zinssatz von 1 bis 2% auflegen können. Warum haben sie das Ihrer Meinung nach nicht gemacht?

Aktienrückkäufe in Prozent des Brutto-Cashflows. Quelle: Credit Suisse, Unternehmensangaben

Wir haben jetzt 35 Jahre Bullenmarkt im Bondsbereich, und die Unternehmen haben nichts davon gehabt. Sie haben kein Leverage, sie haben nicht vom billigen Geld profitiert, weil sie nur sehr wenig Fremdkapital haben. Statistiken zeigen aber etwas Interessantes: Eine beliebte Aktivität in Amerika ist, Aktien zurückzukaufen, zum Beispiel, indem Bonds emittiert werden. Das ändert ja nichts am Wert des Unternehmens. Unternehmen nehmen nur Geld auf, um kurzfristig den P/E zu verbessern. Die Amerikaner haben in diesem Jahr fast 3% der Marktkapitalisierung zurückgekauft, etwa 700 Mrd. USD. Familienunternehmen in den USA, aber auch in Europa machen das viel weniger. Der Cashflow ist ihre Finanzierungsmöglichkeit. Sie investieren ihn in das Wachstum von morgen und übermorgen.

Welchen Titeln in Ihrem Portfolio trauen Sie in nächster Zukunft die beste Performance zu?

Bobst, die stark in den digitalen Druck investiert haben, Swatch, weil es bei der Belieferung von Uhrwerken ab 2019 zu einer Preisfreigabe kommt, und Clariant mit dem neuen Hauptaktionär. Huber und Suhner in den Bereichen Kommunikation und Transport dank ihrer starken Ausrichtung auf Innovation und FuE in den letzten Jahren sowie Vetropack dank dem Nachfrageüberhang im europäischen Glasmarkt.

Frau Olsen, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

 

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