Der Bundesrat erntet Applaus für seinen Entscheid, die Schweizer Börse mit Notrecht zu schützen: von der Börse selbst, den Schweizer Banken, der Wirtschaft. Zugleich bedauern sie, dass es überhaupt dazu kommen musste. Die EU-Kommission will derweil die Situation prüfen und mögliche Schritte im Hinblick auf das Rahmenabkommen diskutieren.
Die Behörde aus Brüssel will „in den kommenden Tagen und Wochen mögliche Schritte im Hinblick auf das Institutionelle Rahmenabkommen diskutieren“, wie ein Sprecher gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte.
Das Rahmenabkommen steht im Zentrum des Streits um die Börse. Denn die Verlängerung der befristeten Anerkennung der Gleichwertigkeit der Schweizer Börse macht die EU-Kommission von den Fortschritten beim Rahmenabkommen abhängig. Der Bundesrat will die Börse nun mit dem Notrecht aus der Schusslinie bringen und verhindern, dass diese in die Bedeutungslosigkeit versinken würde.
Marktzugang für EU-Teilnehmer
Die Schweizer Börse selbst begrüsst deshalb die Massnahmen des Bundesrates. Diese dienten dem Schutz der Funktionsfähigkeit der Schweizer Börseninfrastruktur. Denn die neue Verordnung stelle sicher, dass EU-Marktteilnehmer weiterhin Zugang zum Schweizer Markt hätten und dort Schweizer Aktien handeln könnten, sagte ein Sprecher der Schweizer Börse gegenüber der Nachrichtenagentur AWP.
Die Schweizer Finanzaufsicht Finma verbietet jenen ausländischen Börsen den Handel mit Schweizer Aktien, deren Länder ihrerseits nicht uneingeschränkt den Handel mit Schweizer Aktien erlauben.
Anerkennt also die EU die Schweizer Börse nicht als gleichwertig, so würde dieses Verbot etwa für Börsen in EU-Staaten gelten. Damit sollen Wertpapierfirmen in der EU weiterhin hierzulande Schweizer Aktien handeln können, weil die Schweizer Aktien nicht mehr dem Handelsmandat der EU-Regulierung unterstehen würden. Die Schweizer Börse bedauere jedoch, dass es überhaupt notwendig gewesen sei, diese Massnahme einzuführen.
„Einzige Alternative“
Auch die Schweizerische Bankiervereinigung stellt sich hinter den Bundesratsentscheid. Sie unterstütze das entschiedene Vorgehen des Bundesrates zum Erhalt einer funktionsfähigen Börseninfrastruktur, teilte sie mit. Mit der Ankündigung schaffe der Bundesrat für die Märkte und Marktteilnehmer frühzeitig Klarheit und grösstmögliche Sicherheit.
Für den Wirtschaftsdachverband Economiesuisse ist der Notfallplan die „einzige Alternative“, sollte die EU-Kommission „entgegen der beidseitigen Wirtschaftsinteressen keine Verlängerung vornehmen“. Auch SwissHoldings, der Verband der Industrie- und Dienstleistungsunternehmen in der Schweiz, unterstützt den Plan B.
Obwohl sich die Schutzmassnahme ausschliesslich an Handelsplätze richteten, seien im Effekt auch Mitgliedfirmen betroffen, schreibt SwissHoldings. Der Handel von Schweizer Titeln auf einer Schweizer Börse oder einer Börse ausserhalb der EU werde durch die Massnahme nicht infrage gestellt. Die Verordnung enthalte zudem Ausnahmen für den Handel mit Aktien von Unternehmen, die in der Schweiz sowie im EU-Raum doppelkotiert seien.
Alle sind sich jedoch einig: Es sei bedauerlich, dass die Massnahme durch die bisherige Nicht-Anerkennung der Börsenäquivalenz seitens der EU-Kommission überhaupt erst notwendig geworden sei. Diese müsse weiterhin das Ziel sein und sei im Interesse sowohl der EU als auch der Schweiz.
Keine Abwanderung befürchtet
Entscheidend für die Börse wird unter anderem sein, ob Schweizer Grossfirmen in der Folge zu Börsen in der EU abwandern. „Wir rechnen nicht mit einer Abwanderung“, sagte der Börsen-Sprecher. Die Schweizer Börse biete den liquidesten und kostengünstigsten Markt für diese Aktien. Die internationale Vernetzung des Schweizer Finanzzentrums sei eine fundamentale Voraussetzung für diese Bedingungen – sowohl für heimische als auch für europäische Anleger, erklärte er.
Für die Schweizer Börse habe das Erreichen der Gleichwertigkeit weiterhin höchste Priorität, sagte der Sprecher: Damit werde Rechtssicherheit hergestellt und der Bedarf der Anleger nach transparenten und effektiven, offenen Märkten bedient.
Derzeit werden rund zwei Drittel des Handelsvolumens mit Schweizer Titeln an der Schweizer Börse abgewickelt und ein Drittel an ausländischen Handelsplätzen. Eine Abwanderung der Schwergewichte Nestlé, Novartis oder Roche an ausländische Handelsplätze wäre für die Schweizer Börse ein herber Schlag.
jb/tt