Manche mögens kalt. Unternehmen zum Beispiel, die daran verdienen, dass wir heizen. Unternehmen wie Holdigaz, das seinen Umsatz zu fast 70% mit Gasverkäufen bestreitet. Wenn dann aber warme Winter zu verzeichnen sind wie 2018/2019, geht der Verbrauch der Haushalte spürbar zurück. So setzte der in Vevey ansässige Versorger im abgelaufenen Geschäftsjahr (bis 31.3.2019) mit 1’502 Gigawatt-Stunden (GWh) 7,6% weniger um als 2017/18. Um 10,6% seien die Heiztage letztes Jahr in der Schweiz zurückgegangen, schreibt Philippe Petitpierre, Präsident von Holdigaz, im Vorwort zum Geschäftsbericht.
Neben der (durch den Menschen verursachten) Klimaerwärmung kommt ein zweiter, menschengemachter Aspekt dazu, der die Absätze sinken lässt. Durch die Isolationen bei Neubauten und Renovationen werden mittlerweile durchschnittlich 30% des Energiebedarfs eingespart.
Dass der Gruppenumsatz dennoch um 0,7% auf 229 Mio. CHF leicht anstieg, hängt einerseits mit den über 440 Neukunden zusammen, die Holdigaz akquirieren konnte, andererseits mit den Leistungen der Sparte erneuerbare Energien, die um 17% auf 15.8 Mio. CHF zulegten.
Gaspreisanstieg kann nicht über Preiserhöhungen kompensiert werden
Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass der Gewinn deutlich zurückgegangen ist. Zumal die Einkaufspreise für Gas im letzten Jahr gestiegen sind, was Holdigaz trotz einer Preiserhöhung von 4% nicht vollumfänglich kompensieren konnte. So reduzierte sich der operative Gewinn (EBITDA) um 16% auf 49.9 Mio. CHF, der Reingewinn fiel trotz geringerer Abschreibungen auf 21.9 Mio. CHF (-27%). Dennoch stuft die Gesellschaft die Ergebnisse als positiv ein und schüttet eine unverändert hohe Dividende von 5 CHF aus.
Mit erneuerbaren Energien wie Biogas in die Zukunft
Bereits seit mehreren Jahren konzentriert man sich in Vevey auf die Produktion erneuerbarer Energien, insbesondere auf Biogas. Mit der Biogas-Herstellung aus Grüngut, Lebensmittelabfällen und Klärschlamm konnten im letzten Geschäftsjahr 24,1 Mio. KWh im Werk Lavigny produziert und abgesetzt werden, was einem Plus von 16% entspricht. Auch der Bereich Photovoltaikmodule legte ähnlich zu, während thermische Solarmodule schwächer nachgefragt wurden als im Vorjahr. Dies entspreche allerdings einem allgemeinen Trend, da der schweizerische Markt insgesamt rückläufig sei, schreibt Holdigaz in ihrem Jahresbericht.
Initiativen zugunsten der Energiewende
An der Generalversammlung vom 26. September stellte Petitpierre, der die Geschicke von Holdigaz seit der Gründung 2007 als CEO und Delegierter des Verwaltungsrats lenkt, eine Reihe von strategischen Initiativen vor, die das Potenzial von Erdgas im Rahmen der Energiewende veranschaulichen und ausnutzen sollen. So sei ab 1. Oktober das Erdgas zu 100% CO2-neutral. Grundlage dafür sei die Finanzierung von offiziell als klimafreundlich anerkannten Projekten, wie Petitpierre ausführte. So würden drei Projekte der gemeinnützigen Stiftung myclimate in Madagaskar, Kenia und Indien unterstützt, die im Einklang mit den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen stünden.
Holdigaz geht unter die Autobauer
Bereits im Januar hatte Holdigaz mit 36% eine wesentliche Beteiligung an der Softcar SA in Freiburg erworben. Hier werde die Expertise in der Entwicklung eines Hybridmodells mit Erdgas/Elektroantrieb von Holdigaz eingebracht. Um dies zu verdeutlichen, führte Petitpierre Journalisten, die er am Tag vor der GV zu einer Pressekonferenz geladen hatte, ein 1:1-Modell dieses Fahrzeugs vor. Er gehe davon aus, dass schon 2020 das Fahrzeug in die Serienproduktion ginge und 5’000 Einheiten pro Jahr produziert werden könnten, selbst ein Cabrio sei in Planung. Das bestehende Netz von Erdgastankstellen, von denen Holdigaz ein gutes Dutzend betreibt, solle die rasche Ausbreitung dieser Fahrzeuge ermöglichen.
Auch vertreibe man künftig exklusiv die in Frankreich entwickelten Heizungen von Boostheat, deren Technologie eine Leistung ermögliche, die um mehr als 200% über jener einer herkömmlichen Heizung liege.
Und selbst an einem Windenergiepark in der Ostsee wird sich Holdigaz mit 33% beteiligen, einen Partner gebe es schon. Wer dies sei, wollte Petitpierre allerdings noch nicht sagen. Mit einer Leistung von 33 Megawatt liessen sich 10% aller Haushalte, die im Einzugsgebiet von Holdigaz liegen, mit Strom versorgen.
Fazit
Mit dem Klimawandel kommen auf Versorger wie Holdigaz herausfordernde Zeiten zu. Dass dabei auf die verstärkte Nutzung von erneuerbaren Energien gesetzt wird, scheint selbstverständlich, zumal die Herstellung zum Beispiel von Biogas naheliegend ist. Allerdings sind die Produktionsmengen noch verhältnismässig klein, auch wenn sie gegenüber der abgesetzten Erdgasmenge deutlich stärker zulegen können. Auch die Konzentration auf Gasmobilität macht durchaus Sinn, investieren doch Gasversorger wie Holdigaz oder auch Energie Zürichsee Linth in Gastankstellen, um eine schnelle Ausbreitung dieser Mobilitätsart zu gewährleisten.
Ob sich ein Projekt wie Softcar – und damit die Beteiligung von Holdigaz am Autobauer – dereinst auszahlen wird, ist ungewiss. Philippe Petitpierre ist jedenfalls überzeugt davon, dass Fahrzeuge, deren ökologischer Fussabdruck besonders gering ist, sehr gut in ein Unternehmen passen, dass sich in puncto Nachhaltigkeit profilieren will. In diesem Zusammenhang ist auch der Ausflug in die Windenergie zu sehen, auch wenn damit das eh schon verschachtelte Firmenkonglomerat mit insgesamt 23 Beteiligungen eine weitere dazu erhält.
Die Aktien von Holdigaz werden auf der ausserbörslichen Handelsplattform OTC-X der Berner Kantonalbank (BEKB) gehandelt. Der Kurs der Papiere verharrt seit einem Jahr unter geringen Schwankungen auf dem Niveau der Höchstkurse von 211 CHF. Der letztbezahlte Kurs der Titel lag bei 208 CHF. Das KGV auf der Basis des EBITDA liegt mit einem Wert von knapp 9 in einem akzeptablen Bereich.
Sehr geehrter Herr Wolff
Vielen dank für Ihren ausführlichen Bericht. Betreffend Bewertung möchte ich die Bemerkung anfügen, dass eine Bewertung auf Stufe EBITDA bei der Holdigaz nicht wirklich zielführend ist, zumal sie a) sehr wesentliche, wiederkehrende Erträge erst auf Stufe EBT sichtbar sind und b) die Firma mittlerweile Fr. 173 netto liquidie Mittel (Fr. 85 pro Aktie) hält.
Freundliche Grüsse
Anton Zahner