Branchentalk Banken: Der Lockdown treibt die digitale Transformation voran

Rascher Wandel bei der Unternehmenskultur sichtbar

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Es war den 60 Teilnehmern am 7. Branchentalk Banken anzumerken, wie froh sie waren, nach Monaten der Zoom-Meetings und  der Arbeit im Homeoffice der digitalen Existenz zu entkommen und mal wieder sozusagen körperlich aufeinanderzutreffen.

Für viele war es die erste Veranstaltung mit physischer Präsenz seit Monaten, entsprechend intensiv fiel das Networking der anwesenden Banken-Führungskräfte aus.

Die Diskussion darüber, ob der Lockdown zum Booster für die digitale Transformation wird, wurde dann auch mehrheitlich bejaht, hat doch jeder der Anwesenden seine eigene digitale Transformation in den letzten Monaten erlebt.

Positive Entwicklungen durch Lockdown
Sita Mazumder und Armin Brun am 7. Branchentalk Banken in Bern. Fotos: Sandra Blaser, schweizeraktien.net

Die Podiumsteilnehmer Armin Brun, CEO der Berner Kantonalbank BEKB, Sita Mazumder, Verwaltungsrätin der Clientis Bank, und Andri Silberschmidt, mit 26 Jahren jüngster Nationalrat, waren sich einig, dass der Lockdown durchaus auch Positives in Gang gesetzt hätte.

In puncto Produktentwicklung sei es das Beste gewesen, was passieren konnte, meinte Brun bezüglich der KMU-Kredite, die von jetzt auf gleich vergeben werden mussten. Statt in einem Jahr musste in einer Woche ein Produkt hergestellt werden, das den Not leidenden Unternehmen angeboten werden konnte. Und der Kredit musste in 30 Minuten geprüft werden.

Brun sieht darüber hinaus eine coronabedingte Veränderung der Unternehmenskultur. Agilere Teams, durchlässigere Hierarchien, man müsse den Mut haben, an Althergebrachtem jetzt zu rütteln.

Beschleunigung der Wechsel, „Change the Bank“, das fordere Corona von den Banken, sagt Mazumder. Während Silberschmidt die Politik im Auge hat und warnt, dass man in Krisenzeiten bewährte Instrumente wie Vernehmlassungen nicht über Bord werden sollte.

Aber er sagt auch, dass Regierung und Banken sehr schnell aufeinander zugekommen seien. Das Image der  Geldinstitute sei deshalb heute deutlich besser als auch schon. Auf der Seite der Gesetzgebung sei es allerdings jetzt wichtig, wie es weiter gehe.

FDP Nationalrat Andri Silberschmidt über die Schweizer Banken, die im Gegensatz zur ausländischen Konkurrenz noch in den Kinderschuhen der Digitalisierung stecken, über ihre Rolle beim Gewähren der Notkredite und was wegen Corona auf die Politik noch zukommt. 

„Die Zukunft ist schon da“, so fasste Sita Mazumder, Professorin für Business und IT an der Hochschule Luzern, die digitalen Herausforderungen an die Bankenwelt zusammen. Sie forderte, IT und Banking weiter zusammenzubringen. Dies immer auch mit Blick auf den Bank-Kunden: sie wisse von vielen 80-Jährigen, die Online-Banking für sich entdeckt hätten, die aber oft Probleme mit den Oberflächen hätten, beispielsweise mit einer zu kleinen Schrift.

Armin Brun stiess in die gleiche Kerbe, indem er als Kernkompetenz das Service-Management hervorhob. Die Bank müsse sich noch intensiver fragen: „Was kann man optimieren?“. Er sehe den Boost vor allem auf Kundenseite, was das Business-Modell herausfordere. Wo positionieren wir uns, welche Fintech-Lösungen implementieren wir, und – müssen wir alles selbst machen?

Für Mazumder ist klar: Die meisten Banken machen zu viel alleine und stehen sich damit selbst im Wege. Sie wünscht sich ein Open-Banking mit einem Ökosystem, in dem verschiedene Provider verschiedene Fähigkeiten einbringen. Denn die Zeiten, in denen alles für alle gemacht wurde, seien vorbei. Die Kundengruppen zeigten sich immer heterogener.

Brauchen wir noch den Finanzplatz Schweiz?

Fintechs, Ökosysteme, Open-Banking – brauchen wir überhaupt noch den Finanzplatz Schweiz, fragte Moderator Claude Baumann, Gründer und Geschäftsführer von finews, provozierend zum Abschluss in die Runde. BEKB-Chef Brun gab Contra: „Wen will ich als Kunde als Partner haben? Die Cloud, China?“ Die Schweiz sei ein cooles Land, geprägt von gegenseitigem Vertrauen, Sicherheit und Nachhaltigkeit.

Das sieht auch Mazumder so. Wir könnten hierzulande Diversität, Stabilität und ein hohes Ausbildungsniveau anbieten, was Vertrauen in den Finanzplatz schafft. Und sie verwies, um das zu bekräftigen, auf die gescheiterten Versuche von Facebook, mit Libra hierzulande Fuss zu fassen.

Die digitale Transformation ist vorbei

Die Podiumsdiskussion wurde von drei Case Studies abgerundet. Als erster stellte Adrian Honegger, Chief Digital Officer der Bâloise Group, die Frage, ob Kundendaten der Treibstoff der modernen Finanz-Ökosysteme seien.

„Zurück in die Zukunft – Adrian war schon dort“, so betitelt ein Portrait auf baloise.com Adrian Honegger. Bild: Sandra Blaser, scheizeraktien.net

Jeder laufe heute mit einem Supercomputer mit enormer Rechenleistung im Hosensack herum. Dazu komme das Internet. „Lasst uns ehrlich sein, die digitale Transformation ist vorbei“, so Honegger. Es gehe jetzt viel mehr um die soziale und kulturelle Transformation. Es gebe keine Kunden mehr, sondern nur noch User.

Computerbasierte Persönlichkeitseinschätzungen seien zutreffender als von Menschen vorgenommene, so Honegger. Deshalb plädiert er für die Abschaffung der HR-Abteilungen. Man müsse zudem in KI-Tools für die besten Aussendienstmitarbeiter investieren. So würden in Zukunft 70% der Mitarbeitenden 70% ihrer Zeit bei den Kunden verbringen und nicht wie jetzt 30% der Mitarbeitenden 30% ihrer Zeit für die Kunden aufwenden.

Schliesslich warnt Honegger die Banker. Die Kannibalen, die Fintechs seien dort draussen. Wir müssen sie umarmen!

Einblicke in eine OpenBanking-Plattform

Umarmt hat die Hypi Lenzburg das Fintech neon. Gemeinsam haben sie vor zwei Jahren die in der Schweiz führende OpenBanking-Plattform aufgebaut. Dabei stellt die Hypi Lenzburg das Bank Backend wie z.B. das Konto zur Verfügung, die Kunden nutzen die neon-App und die -Karten. Am Branchentalk gab Simon Youssef, Co-Gründer der neon Bank, die keine eigene Banklizenz hat, Einblick in das Ökosystem neon.

Künstliche Intelligenz braucht Daten, Daten, Daten

Honegger von der Bâloise hatte Künstliche Intellgenz (KI) angesprochen, die Bank Vontobel nutzt sie und möchte mit ihrer Unterstützung in Zukunft die Kundendaten analysieren. Aber dazu braucht sie Daten, Daten, Daten. Und die hat jede Bank für sich. Und will und darf sie auch nicht teilen. Deshalb plant die Bank Vontobel den Aufbau einer Plattform, die die Berechnung der Daten zu den einzelnen Banken bringt. Die Vontobel-Exponenten Brian Fischer und Stephan Holzer möchten, dass die Banken auf dem heruntergeladenen Modell ihre KI trainieren und sie dann auf die Plattform hochladen, wo Vontobel ein sogenanntes Super-KI erstellt, das sie wiederum den Banken zur Verfügung stellt. Eine Case-Study der Zukunft mit der ungewissen Aussicht, ob die eher pro domo orientierten Banken diese Plattform auch nutzen werden.

Können Banken vom Online-Versandhändler lernen?

Den Branchentalk beleben jedes Jahr Seiten- und Aussenblicke. Dieses Mal war Roland Brack, VR-Präsident des grössten unabhängigen Online-Versandändlers der Schweiz, brack.ch, zu Gast im Schweizerhof in Bern. Der Gründer und Namensgeber stellte das Technologieunternehmen mit Handelskompetenz, wie er es beschreibt, vor. Und führte gegenüber dem Gastgeber des Branchentalks, Björn Zern, aus, warum heute nicht mehr die grossen Fische die kleine fressen, sondern die schnellen die langsamen. Dazu mehr in Kürze.

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